Else Ury

Die beliebtesten Jungmädelgeschichten von Else Ury


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Braun ärgerlich.

      »Nein, Mutti, in der Schule hatte ich bestimmt noch null Fehler, ich weiß wirklich nicht, wie die alle unterwegs in mein Diktat reingekommen sind!« beteuerte Klein-Annemarie.

      »Hast du denn auch das richtige Heft eingesteckt, Annemie?« fragte Fräulein, welche die Huschligkeit des kleinen Mädchens nur zu gut kannte.

      Nesthäkchen schlug den Deckel um und las die Aufschrift des Etiketts.

      »Hil – de Ra – be«, buchstabierte die Kleine zu ihrem grenzenlosen Erstaunen.

      »Ich habe Hildes Heft, wir müssen unser Diktat verwechselt haben, aber wie ist das nur möglich? Ich saß doch Erste und sie Letzte«, verwunderte sich Nesthäkchen.

      Mutti aber war ärgerlich.

      »Jeden Tag verwechselst du was, Lotte! Bald kommst du mit einem falschen Hut nach Hause, bald mit einem fremden Schirm. Nimm doch deine Gedanken zusammen!«

      Das gescholtene Nesthäkchen schlich sich traurig in die Kinderstube. Denn wenn man besonders stolz gewesen ist und ein Lob erwartet hat, trifft Tadel um so empfindlicher.

      Als Annemarie nachmittags ihre Schularbeiten machen wollte, stellte es sich heraus, wie das Heft von Hilde Rabe in die Mappe gekommen war.

      Annemarie langte nach der Fibel – »Hilde Rabe« prangte auf dem Etikett. Sie suchte das Schreibheft hervor – »Hilde Rabe« war darauf zu lesen. Welches Buch oder Heft Klein-Annemarie auch vorkramte, überall stand »Hilde Rabe« darauf. Die Sache wurde der Kleinen immer rätselhafter.

      »Fräulein, ich muß in Gedanken sämtliche Bücher und Hefte von Hilde eingepackt haben und ihren Federkasten dazu«, rief sie erstaunt.

      Dies kam Fräulein denn doch nicht recht glaubhaft vor. Sie untersuchte selbst die Mappe, und da kam es heraus, daß unser kleines, liederliches Fräulein gar nicht ihre eigene Mappe hatte, denn auf dem Schild war ebenfalls »Hilde Rabe« eingraviert. Die Mappen sahen sich sehr ähnlich, und da die beiden Kinder ihre Garderobenhaken nebeneinander hatten, war Annemarie in ihrer freudigen Aufregung die Verwechselung passiert.

      Nun mußte sie mit Fräulein zu der kleinen Schulkameradin gehen und die Mappen austauschen, sonst konnte sie ihre Schularbeiten nicht anfertigen.

      Das war recht peinlich für die Erste der Klasse, sich als ein so huschliges kleines Mädchen zu zeigen. Und Fräulein hielt auf dem Wege auch nicht mit Vorwürfen zurück.

      »Ich will mich aber ganz bestimmt bessern, Mutti soll nie mehr böse auf mich sein«, nahm sich Klein-Annemarie vor als sie abends in ihrem weißen Gitterbettchen lag. »Ich bin wirklich zu unachtsam« – aber als Annemarie so weit in ihrer Selbsterkenntnis gekommen war, da schlief sie auch schon.

      9. Kapitel

       Mit dem Zippel-Zappel-Zeppelin

       Inhaltsverzeichnis

      Nesthäkchen lag im Bett und träumte.

      Ein merkwürdiges Surren hörte sie in der Luft – rrrr – rrr – du gerechter Strohsack – durch das Fenster kam, trotzdem dasselbe fest verschlossen war, das Luftschiff, das Annemarie im Tiergarten bewundert hatte.

      Himmel, der Zippel-Zappel-Zeppelin kreuzte in der Kinderstube hin und her! Und schließlich hielt er gerade über Annemaries Bettchen. Deutlich konnte die Kleine die sich wie Windmühlenflügel drehenden Propeller sehen.

      »Du wolltest ja so gern mal mit dem Zippel-Zappel-Zeppelin eine Reise durch die Luft machen,« erklang es aus dem Luftschiff heraus, »nun komm nur mit!«

      Aber Nesthäkchen war es jetzt, wo es wirklich Ernst mit der Erfüllung ihres Wunsches werden sollte, doch nicht recht geheuer zumute.

      »Nee, ach nee,« rief es angstvoll, »Fräulein würde sich sorgen, wo ich denn geblieben bin, und ich schoniere mich auch so im Nachthemdchen!«

      »So nimm die Bettdecke um,« klang es wieder aus dem Luftschiff herab, »komm nur mit.«

      Und ehe Klein-Annemarie wußte, wie ihr geschah, saß sie, warm in die Bettdecke gehüllt, auch schon drin in dem Passagierraum, aus dem im Tiergarten die Menschen heruntergewinkt hatten.

      Rrrrrr – rrrrrr – ging es mit ihr wieder durch die geschlossene Fensterscheibe hinaus in die Nacht.

      Nesthäkchen sah sich neugierig auf dem Luftschiff um. In dem Glasraum saßen drei Herren, das waren Herr Zippel, Herr Zappel und Herr Zeppelin. Letzteren kannte Annemarie vom Bilde her.

      »Ei, Annemarie, wie gefällt es dir denn bei uns?« fragte Herr Zippel.

      »Fein!« sagte die kleine Reisende, deren Angst sich allmählich legte, und hopste ein bißchen vor Vergnügen.

      »Nicht so wild,« mahnte Herr Zappel und sah dabei genau wie Fräulein Hering aus, »sonst geht unser Luftschiff entzwei.«

      »Sieh nur, wie hoch wir schon sind«, machte Herr Zeppelin die Kleine aufmerksam.

      Wirklich – sie flogen über den Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche hinweg, dem Riesen, den Annemarie stets auf ihrem Schulweg bewunderte.

      »Meine Schule, da – da unten!« die Kleine wies erfreut auf ein winziges, kleines, rotes Ding. Das stattliche Ziegelgebäude sah von dieser Höhe nicht viel größer aus als ein purpurner Fliegenpilz.

      Und immer höher ging’s und höher.

      »Halt« – schrie Nesthäkchen plötzlich – »einen Augenblick, Herr Zippel-Zappel-Zeppelin, ich muß noch mal umkehren, ich habe was vergessen.«

      »Wenn es vielleicht bloß ein Taschentuch ist, das könnten wir dir borgen«, sagte Herr Zippel freundlich.

      Herr Zappel aber runzelte die Stirn: »Immer was vergessen, wo hast du denn bloß deine Gedanken, ein kleines Mädchen muß achtsam sein!« Seine Stimme klang ganz genau so wie die von Mutti – es war wirklich merkwürdig.

      »Ein Taschentuch brauche ich nicht – danke schön – ich habe keinen Schnupfen«, erwiderte Annemarie ziemlich kleinlaut, weil sogar Herr Zappel über ihre Vergeßlichkeit böse war. »Ich wollte bloß meine Puppe Gerda holen, die würde gewiß für ihr Leben gern mal mit dem Luftschiff fahren.«

      »Na, das wäre ja noch schöner«, ließ sich da Herr Zeppelin vernehmen. »Wir haben mehr zu tun, als wegen einer dummen Puppe umzukehren.«

      Weiter ging’s – rrrrrr – rrrrrr – immer höher. Die Häuser drunten auf der Erde sahen jetzt so winzig aus wie Stecknadelköpfe und die höchsten Berge wie niedliche Fingerhüte.

      Klein-Annemarie wurde es wieder bang zumute.

      »Au – wenn wir von hier oben runterkegeln«, sagte sie herzklopfend und spähte in die schwarze Tiefe hinab.

      Dort waren die hellen elektrischen Bogenlampen, welche die Straßen Berlins beleuchteten, und die wie kleine milchweiße Monde in der Finsternis gehangen hatten, längst erloschen. Schwarz gähnte die Nacht da unten.

      »Du darfst dich nicht zu sehr aus dem Fenster hinauslegen, Kind«, warnte der eine der Herren.

      Und immer noch stieg der Zippel-Zappel-Zeppelin – rrrrr – rrrrr – mit dem Nesthäkchen.

      »Jetzt sind wir im Lande des Windes«, erzählte Herr Zippel der kleinen Mitreisenden.

      »Ssssssss – sssssss –« so sang und tönte es rings in der Luft, als ob tausend Telegraphendrähte zu surren begönnen.

      Holla – da war er auch schon selbst, der Wind. Ein pausbackiger Bub mit aufgeblasenen Backen und braunen, lustigen Spitzbubenaugen, wie Bruder Klaus sie hatte.

      »Sssssss – ssssss –« so sang er Nesthäkchen ins Ohr, daß ihr fast das Trommelfell platzte. »Pfffffff – Pfffff –« da pustete er sie an, daß die Kleine in ihrem dünnen Nachtröckchen