Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman


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sein Kind in Uhlen ab und kehrte nach Hause zurück.

      Am nächsten Tage kam er wieder, um seine Kinder zu holen.

      »Jammert nicht, das hat keinen Zweck«, sagte er energisch, als ein großes Wehklagen begann. »Ich halte es zu Hause ohne euch nicht aus. Das ist ja, als ob ich gezwungen wäre, in einer Totengruft zu kampieren. Ich muß jetzt zur Stadt. In einer Stunde hole ich euch.«

      Diesem Befehl wagten sie sich nicht zu widersetzen. Bedrückt zogen sie von dannen, um ihre Habseligkeiten zusam menzusuchen.

      Alles das lag vereint in dem Blick, den sie zu dem Mann hinübersandte. Ein stummes qualvolles Abschiednehmen! Den Kopf tief gesenkt, die Schultern vornübergebeugt, als trüge sie eine Last, die ihr viel zu schwer war, ging sie mit schleppenden Schritten davon. Es war ein Jammer, was die Zeit voll Herzweh aus diesem Sprühteufelchen gemacht hatte. Unter den Zurückbleibenden herrschte eine fast atemlose Stille. Die Augen der beiden Frauen hingen an dem Mann, der mit einem Entschluß zu kämpfen schien und sich dann erhob.

      Und nun war es sein Blick, der mit schmerzlichem Abschiednehmen auf Sölve ruhte. Dann ging er rasch davon, als könnte er seinen Entschluß bereuen.

      »Es ist Zeit, daß die arme Rosenrot nun endlich aus ihrer Qual erlöst wird«, sagte Frau Fröse leise. »Gebe Gott dem Mann die Kraft, sie so glücklich zu machen, wie sie es verdient –«

      *

      Frau Norne,

      rühre die Spindel geschwind,

      tu frischen Flachs auf den Rocken.

      Was du dann spinnst,

      soll ein Hochzeitskleid sein,

      für ein Kind so rein wie

      Schnee auf dem Firn,

      drück du ihm voll Liebe den

      Kranz auf die Stirn,

      auf die dunklen, seidigen Locken.

      Ricarda suchte ihr Zimmer auf, wo sie sich in den Lehnstuhl am Fenster setzte und müde in den Park hinunterstarrte. Eigentlich hätte sie jetzt weinen müssen, heiß und heftig, wie sie schon so oft an diesem Platz getan. Aber auch diese Erleichterung war ihr heute versagt. Sie hatte keine Tränen mehr.

      Aufstöhnend barg sie das Antlitz in den Händen und überhörte so das Klopfen an der Tür. Erst als sie sich angerufen hörte, schrak sie auf und sah entsetzt auf den Mann, der vor ihr stand. Sie hatte keinen Tropfen Blut in dem zuckenden Gesicht, als sie nun aufsprang und die bebenden Finger in die Lehne des Sessels krallte. So stand sie Jörn von Jührich gegenüber, der langsam die Arme nach ihr hob.

      »Komm –«, sagte er leise und erschüttert. Doch sie rührte sich nicht. Sah ihn mit feindseligen Blicken an.

      »Willst du nicht mehr, mein kleines Mädchen?« fragte er mit der zärtlichen Stimme, die ihr Herz von Anfang an gefangen hatte.

      »Nein –«, entgegnete sie trotzig. »Gehen Sie doch zu Sölve, die Sie so sehr lieben.«

      »Sie will mich nicht, kleine Rosen-rot –.«

      »So – und da bin ich als Lückenbüßerin gerade gut genug –?«

      »Nein, dazu wärest du mir zu schade«, erwiderte er tiefernst. »Du bist mir lieb und wert. Und wenn ich nicht die Kraft in mir fühlte, dich glücklich zu machen, stünde ich nicht hier. Und es wird an dir liegen, ob sich mein Herz restlos von der andern löst, daß es dir allein gehört. Wenn dir das gelingt, dann sollst du ein Leben haben, wie kaum eine Frau im weiten Erdenrund. Wenn nicht – ja, dann werden wir wohl beide unglücklich…«

      Da flüchtete sie in seine Arme und legte ihren Kopf an seine Schulter wie ein müdegeweintes Kind.

      Als sie unten ankamen, sah ihm Sölve bang entgegen. Da beugte er sich tief über ihre Hand. – »Nicht so traurige Augen haben, Frau Sölve«, sagte er gütig. »Ich weiß, daß nun alles gut werden kann.«

      Sie atmete befreit auf.

      Als der Vater kam, um seine Kinder zu holen, stand er einer Tatsache gegenüber, mit der er nicht mehr gerechnet hatte. Aber zufrieden war er, im tiefsten Herzen zufrieden. Er nahm die Hand des Mannes mit warmem Druck. Bei dem wußte er sein Kind gut aufgehoben.

      Voll Kummer dachte er an Walburga, die jetzt ebenso glücklich sein könnte wie Ricarda, wenn die Mutter mehr Verständnis für ihr Kind gehabt hätte. Der Gedanke ließ ihn zu keinem wahren Frieden kommen – noch lange, lange nicht.

      Was war mit den Zwillingen los?

      »Was habt ihr denn?« erkundigte er sich besorgt. »Warum schaut ihr drein wie verregnete Puttehühnchen?«

      Da flossen die Tränen aus beider Augen. Und daß es keine Freudentränen über das Glück der Schwester waren, ließ sich leicht feststellen.

      »Hört auf!« gebot der Vater energisch. »Was ist geschehen?«

      »Wir lieben auch –«, kam das Geständnis gar kläglich, eifrig bekräftigt vom andern Zwilling.

      Der Vater war nun doch verblüfft, während die anderen Mühe hatten, ein Lachen zu unterdrücken, das angesichts so großen Jammers taktlos genug gewesen wäre.

      »Das ist ja eine schöne Bescherung!« polterte der Vater los, während ein Lachen in seinen Augen glimmte. »Ihr Küken tragt ja noch die Eierschalen hinter den Ohren. Wer sind denn die beiden Unbegreiflichen, die sich in euch Grünzeug vergafft haben? Gehen sie etwa noch zur Schule?«

      »Pfui, Papa –!« klang es entrüstet aus beider Mund.

      »Oder ist die Liebe gar einseitig?« examinierte er ungerührt weiter.

      »Nein, gar nicht – wir sind uns längst einig –«, wurde empört bestritten.

      Da sah sie der Vater voll Angst an. Einig war auch Burga mit ihrem Liebsten hinter dem Rücken der Eltern gewesen und hatte diese Einigkeit mit dem Leben bezahlt. Aber da sah er in die unschuldigen Gesichter seiner Kinder – und atmete befreit auf.

      »So, so – also einig seid ihr. Da habt ihr euch wohl freiweg hinter dem Rücken der Eltern getroffen?«

      »Nein, Papa – so doch nicht –«

      Und: »Nein, Papa – so doch nicht –«, echote es.

      »Nicht einmal einen Kuß haben sie uns gegeben. Sie wollten dich erst sprechen.«

      »Vernünftige Jungen. Wenn ich nun noch ihre Namen erfahren dürfte?«

      Die Unzertrennlichen glühten wie die Pfingstrosen, zogen an den Fingern, daß die Gelenke knackten, knüllten ihre Taschentücher –

      »Nun mal raus mit der Sprache –!«

      »Herbert Holdereit –«

      Und: »Helmut Holdereit –«, echote das Zweigespann. »Nicht wahr, Papa, du tust ihnen nichts? Wir haben wahr und wahrhaftig nichts Böses getan.«

      Nun konnten die anderen das Lachen kaum zurückhalten.

      »Also die Kadetten sind es«, schmunzelte Herr Julius. »Ihr habt keinen schlechten Geschmack! Wenn es mir auch unbegreiflich ist, wie diese ruhigen, zielbewußten Männer auf euch Gänschen verfallen konnten. Aber wo die Liebe hinfällt –«

      »Wir dürfen, Papa –«

      »Nichts dürft ihr vorläufig«, dämpfte er ihren Freudenschrei. »Wie alt seid ihr eigentlich? Siebzehn?«

      »Bald achtzehn, Papa.«

      »Und die Herrlichkeiten?«

      »Herbert siebenundzwanzig.«

      »Helmut neunundzwanzig.«

      »Schön. Aber wie ist das, ihr wolltet doch nur Zwillinge heiraten, die in einem Topf kochen und aus einem Teller essen? Nun sind es nur Vettern, mit Altersunterschied, deren Güter nur aneinandergrenzen –«

      »Es