sich selbstverständlich nicht zum Aufenthalt einer eleganten Dame.«
»Das ist's nicht!« fiel Donna Mercedes ein. »Ich würde viel leichter dort hinübergehen, als ich mich jetzt anschicke, meine Bitte zu wiederholen ... Aber es geschieht für meines Bruders Kinder, nicht für mich. Ich erfülle nur meine Pflicht, wenn ich sie nicht in das düstere, dem frischen Luftzug schwer zugängliche Haus bringe, in dem sie sich obendrein fürchten und ängstigen. Auch die Großmama wünscht es durchaus nicht.«
Baron Schilling war inzwischen, unweit seiner Frau, an den Flügel getreten. Er hatte ein Notenheft aufgenommen und schlug die Blätter um.
»Wozu diese sehr überflüssigen Erörterungen, und wie mögen Sie vom Hotel sprechen, gnädige Frau?« fiel er kühl und gelassen ein, ohne von den Noten aufzusehen. »Stehen Ihnen nicht meine Zimmer, in denen Frau Lucile gewohnt hat, unumschränkt zur Verfügung, solange es Ihnen nur irgend wünschenswert erscheint, im Schillingshof zu bleiben?«
»Ich danke,« lehnte sie kurz und schroff ab. »Es handelt sich, wie bereits gesagt, nur um Tage. Ich stehe im Begriff, eine Villa, nahe der Stadt zu kaufen –«
»Sie?!« – Er ließ das Notenheft sinken, und ein dunkles Rot schoß in seine Wangen. »Sie standen ja neulich schon mit einem Fuß gewissermaßen auf den Schiffsplanken, um sich in der fernen Heimat zu ›vergnügen‹ – und nun wollen Sie plötzlich auf deutschem Boden Anker werfen? Auf deutschem Boden?«
»Ja, auf deutschem Boden, mein Herr,« bestätigte sie trotzig. »Beabsichtigen Sie, mich Landes zu verweisen?«
»Das ist kein Vorrecht der Schillings,« entgegnete er mit kaltem Lächeln. »Mein Einwurf galt nur dem sonderbaren Wechsel der Stimmungen–«
»Oh, kommt da die Stimmung noch in Betracht, wo sich die Verhältnisse so umstürzend verändert haben!« fiel sie tiefgereizt ein; trotzdem klang ihre Stimme wie unterdrückt von verschluckten Tränen. »Ich habe die Mutter meines Bruders lieb gewonnen, seine Kinder gehören nunmehr zu ihr. Diese drei Menschen sind aber die einzigen, die ich noch besitze, die einzigen, sage ich, die meinem Herzen teuer sind – und das entscheidet. Ich fühle, daß ich mich von ihnen nicht trennen kann. Darum werfe ich Anker auf deutschem Boden, den ich mehr als je verabscheue! – Ja, mehr als je! ... Wenn Sie meinen, darin habe sich meine Stimmung geändert, so ist das ein lächerlicher Irrtum, ein Wahn des germanischen Nationaldünkels.«
Sie hielt inne und strich sich mit der Hand über die Stirn – sie schien über ihre eigene Leidenschaftlichkeit zu erschrecken: dazu ruhte der Blick der widerwärtigen, grauen Frau so aufdringlich und kaltlauernd auf ihr. Ihre ganze Selbstbeherrschung aufbietend, brach sie mit einer Gebärde des Unwillens ab und fügte ruhiger hinzu: »Die Villa erinnert mich nach Stil und Lage an mein niedergebranntes Geburtshaus daheim, und im Sommer kann ich mich leicht der Täuschung hingeben, als sei ich nicht auf deutschem Boden. Die großen Treibhäuser sorgen für die südliche Flora, welche das hübsche Schlößchen umgibt und sich ziemlich bis unter die Waldbäume des umschließenden Parkes verirrt–«
»Sie wollen die Fürstlich Trebrasche Besitzung kaufen?« unterbrach sie Baron Schilling gepreßt, während die »Gnädige« ihre Augen weit öffnete in einem Gemisch von Erstaunen, Ärger und unwillkürlicher Hochachtung.
»Ja, mein Herr – ist das so verwunderlich? Glauben Sie, eine Dame könne keinen Kauf abschließen, ohne vormundschaftlichen Rat und Beistand? ... Ich kann Ihnen versichern, daß ich ganz genau weiß, was ich tue. Der Fürst geht nächste Woche nach Italien, um für immer dort zu leben, und der zwischen uns vermittelnde Agent versichert, die Wohnung im Erdgeschoß sei erst kürzlich neu hergerichtet worden, ich würde sie sofort mit den Kindern beziehen können.« »Aber das trifft sich ja prächtig,« sagte die Baronin sehr höflich, wobei sie sich zum Gehen anschickte. »Ich bitte Sie, nach wie vor diese Wohnung als Ihr einstweiliges Heim anzusehen ... Gegen deinen Vorschlag freilich, bezüglich der Übersiedlung in deine Räume, lieber Arnold, müßte auch ich energisch widersprechen, da ich nicht länger zugeben werde, daß du in dem engen, heißen Oberbau des Ateliers bleibst. Es ist erdrückend schwül unter den niedrigen Zimmerdecken, wie ich mich neulich selbst überzeugt habe. Ich werde Befehl geben, daß man deine eigentlichen Zimmer unverweilt wieder wohnlich für dich herrichtet.«
Es war ein unbeschreiblicher Ausdruck von lächelndem Hohn, mit dem Baron Schillings Blick die Frau seitwärts streifte, die schlau die Gegenwart eines dritten benutzte, um ihm die Rückkehr in das Säulenhaus abzutrotzen. »Bemühe dich nicht,« versetzte er ganz ruhig. »Das hat meine gute Birkner längst besorgt ... Die Fensterläden bleiben geschlossen und werden voraussichtlich unter Jahr und Tag nicht wieder geöffnet werden. Morgen geht meine neueste Arbeit nach Wien zur Ausstellung, und ich werde ihr nach höchstens zwei Tagen folgen, um dann in Kopenhagen behufs meiner Vorstudien einen längeren Aufenthalt zu nehmen.«
»Mein Gott – und das erfahre ich erst in diesem Augenblick? Wie soll denn die Jungfer mit den nötigen Vorbereitungen fertig werden? Und meine Reisetoilette – verzeihe, Arnold, aber diese Überstürzung ist denn doch ein wenig rücksichtslos.« – Sie zog mit hastigen Händen die Zipfel der Barbe fester unter ihrem Kinn und nahm eiligst die Schleppe auf. – »Dann habe ich aber auch nicht einen Augenblick zu verlieren, wenn ich zur rechten Zeit reisegerüstet sein will –«
»Du wirst doch nicht denken, daß ich dir zumute, mich zu begleiten?« unterbrach er sie. »Du fühlst dich kränker als je, wie du mir mitgeteilt hast; das nordische Klima sagt dir nicht zu – außerdem bist du kaum von einer anstrengenden Reise zurückgekehrt –«
»Gleichviel, ich gehe unter allen Umständen mit.«
»Wir werden sehen.« – Er sagte das kurz und schroff und verabschiedete sich mit einer tiefen, ernsten Verbeugung, jedenfalls zugleich für die »Jahre« seiner Abwesenheit, von Donna Mercedes, die wie eine Bildsäule, ohne Bewegung, auf ihrem Platze verharrte. Das gab ihrer Erscheinung einen unsäglich hochmütigen Ausdruck. Die Baronin mochte meinen, diese geldstolze »Südamerikanerin« halte schon ein dankendes Kopfneigen unter ihrer Würde, und deshalb nahm auch sie, trotz ihrer großen inneren Aufregung, eine stolz abweisende Haltung an und grüßte kaum mit einem Augenwinken zurück, während sie dem Hinausgehenden folgte.
Donna Mercedes hörte, wie sie draußen die Flurhalle durchschritten und die nach dem Garten führende Tür unverweilt öffneten. Ohne kaum selbst zu wissen, daß sie es tat, ging sie hinaus in den Gang und trat an das gegenüberliegende Fenster. Dort unter den Platanen gingen sie hin. Die Frau mit dem gekrümmten Rücken hing vertraulich am Arm des dahinschreitenden Mannes ... Ein Nebel legte sich vor die Augen der jungen Dame – sie drückte sich tief in die Ecke der Fensternische, und heiße Tränen rollten unaufhaltsam über das stolze Antlitz. – –
38.
»Deine Hand fiebert,« sagte die Baronin, während sie draußen auf der Freitreppe des Säulenhauses ihren Arm in den ihres Mannes schob und seine Rechte dabei streifte. Er aber fuhr bei dieser Berührung mit der unwillkürlichen Gebärde des Wegschleuderns zurück, als habe ihn eine Viper gestochen.
Sie biß sich auf die Unterlippe, hing sich jedoch um so fester an seinen Arm. »Du bist ernstlich böse, wie mir scheint,« sagte sie, »und ich habe doch im Grunde nichts verbrochen. Hast du wirklich das Recht, von mir zu verlangen, daß ich eine treue, aufopfernde Freundin ohne weiteres vor die Tür stoße, weil sie dir unsympathisch ist?«
»Das Recht habe ich, und ich bin noch einmal so unverzeihlich nachgiebig gewesen, die Erfüllung meiner gerechten Forderung in deine Hand zu legen, anstatt selbst gründlich ›Kehraus‹ zu machen. Es war das alte Spiel – die Freundin triumphiert, und ich habe mich einfach lächerlich gemacht.«
»Mein Gott, niemand hat mehr darunter gelitten als ich! Aber das ist ja nun zu Ende. Eine bessere Gelegenheit, Adelheid los zu werden,« – ihre Stimme sank zum Flüstern herab, und sie sah sich scheu um, ob kein Horcher in der Nähe – »läßt sich nicht denken. Wir verreisen