Eugenie Marlitt

Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte


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da stieg es aus der Erde empor, fügsam nicht einen einzigen seiner Tropfen weiter verspritzend, als der Steinrand des Beckens vorschrieb.

      Die Frau starrte auf die Wasserfläche, die sich in zitternder Unruhe hob und senkte. Ja sie meinte zu sehen, wie sie sich höher und höher hob, aufschwellend, als steige ein Haupt unter dichtem Silberschleier empor. Und die Schleierfalten dehnten und weiteten sich – es stieg über den Steinrand und setzte einen schwach auftappenden Fuß auf den Asphaltboden und schlüpfte weiter und weiter. Und die Silberschleppe floß nach, unerschöpflich fortwogend und majestätisch sich ausbreitend, um plötzlich eng zusammengerafft und geduckt unter dem dunkeln, schweren Samtvorhang hinzukriechen – hei, wie der Mosaikfußboden drüben zu glitzern begann, wie es drunten an den Wänden, in den Ecken lebendig wurde! Papierbogen, große, starre, mit Skizzen bedeckte, und alle die verhaßten Gesichter auf der gespannten Leinwand legten sich breit und schaukelnd auf die silberwogende Schleppe; die hingebreiteten Panther- und Bärenfelle wurden leise gehoben, als sollten sie sich wieder über den Rücken ihrer früheren Bewohner schmiegen; von den Postamenten und Säulenstümpfen rollten die Ibisse, die Vasen mit den Kakteen; selbst die schweren Schränke und Kredenzen an den Wänden schwankten, als rüttelten und schüttelten grobe Sande an ihren geschnörkelten Beinen, und all das blinkende Geschirr, die Kannen und Becher, die venezianischen Gläser und Spiegel stürzten klirrend und schmetternd von den Kanten ... Ein halb unterdrückter wilder Jubelschrei zitterte durch den Wintergarten, und wie gejagt lief die lange gebückte Frauengestalt hinaus und durch die Platanenallee, und in das heftige Rauschen ihres steifen Seidengewandes mischte sich das Gemurmel der Lippen, die immer und immer wieder »Haß, Haß!« vor sich hinsagten ...

      39.

       Inhaltsverzeichnis

      Bald nachher hörte man im ersten Stock das Gelärm eilig und geschäftig durcheinander rennender Menschen. Was »die Gnädige« an Koffern besaß, wurde in den großen Saal getragen; und dort stand die Stiftsdame und dirigierte und kommandierte in ihrer energischen Art und Weise. Ihre Wangen brannten, und in den dunkeln, strengen Augen glomm ein befremdliches Licht, ein Licht wie Fieberglut; aber jeder ihrer anordnenden Befehle »hatte Hand und Fuß«, wie die Leute sagen, Verwirrung und Überstürzung konnten gar nicht aufkommen.

      Seltsam, diesmal wurde das ganze Silberzeug, der gesamte Inhalt der Schränke, die die Hauswäsche enthielten, bis auf die kleinste Serviette herab, in den Koffern mitgeschleppt, ja, man nahm sogar Bilder, Nippsachen und Albums von den Wänden und Tischen und packte sie ein. Das ließ auf eine jahrelange Abwesenheit der Herrschaft schließen; möglicherweise ging es später auf eins der Güter am Rhein; denn wozu das viele Silberzeug und die Hauswäsche, wenn man in Hotels wohnen wollte? ... Zu alle dem Rätselhaften hatte Fräulein von Riedt auch noch an den Sachwalter der Baronin, der nur um einige Bahnstationen entfernt lebte, telegraphiert, daß er ungesäumt kommen möge, und der Bediente Robert meinte, die Gnädige müsse zu der Reise viel Geld nötig haben – deshalb werde wohl der Advokat in den Schillingshof gerufen.

      Das alles sagte Mamsell Birkner in der Kinderstube zu Hannchen und Deborah, und Donna Mercedes hörte es drüben in ihrem Schlafzimmer ... Also die Reise war unumstößlich festgestellt. Er ging hinaus, um neuen Ruhm zu ernten, und die Frau, die sein künstlerisches Wirken mißachtete, hatte es durchgesetzt, ihn zu begleiten ... Das Bild, das ausgestellt werden sollte, war ihr ein Greuel, und dennoch trat sie starrköpfig an die Seite dessen, der es geschaffen hatte, um verbissenen Grolles den Triumph der Meisterschöpfung mit anzusehen.

      Noch vor Wochen würde Donna Mercedes mit Genugtuung an die Nemesis gedacht haben, welche die Geldheirat an dem Künstler räche – heute aber durchwogte sie ein heißer, leidenschaftlicher Schmerz, und sie grollte dem blinden Geschick, das einen edeln männlichen Geist mit einem niedrig gesinnten Weibe an eine Kette geschmiedet hatte ...

      Ihn sah sie nicht wieder, und sie durfte das auch nicht wünschen, weil sie ihrer Fassung und Selbstbeherrschung den blauen, ehrlichen, durchdringenden Augen gegenüber nicht sicher war ... Aber sein letztes, sein Lieblingswerk, die greise Hugenottin, mußte sie noch einmal sehen, ehe es, in die dunkle Haft der Kiste eingeschlossen, seinen Triumphzug in der Welt begann ...

      Inzwischen war es Abend geworden. Die Sonne war längst versunken; dafür floß die blaßgoldene Lichtflut des Vollmondes fast tageshell vom Himmel und ließ es nicht dunkel werden auf Erden. Vollbeleuchtet, wie in Silber getrieben, ragte die reliefgeschmückte Gartenseite des Säulenhauses in die flimmernden Lüfte; auf dem kleinen, raschen Bach, der die Wiesen durchrauschte, hüpften und sprühten Lichtfunken, als zöge ein juwelenglitzerndes Elfenvolk die Wasserstraße entlang, und das weiße Atelier stand glanzüberströmt – so leuchtend und klar sanken wohl auch die Mondstrahlen durch das große Oberfenster herab in den Malersaal auf die Frauengruppe im Garten des altfranzösischen Schlosses.

      Donna Mercedes ging scheuen Schrittes durch das Gebüsch und quer über die Wiesen; in dem weichen Gras versank unhörbar ihr Fuß. Hannchen hatte zwar gesagt, daß Baron Schilling fortgeritten sei – er tat das häufig in schönen Mondscheinnächten – und die Gnädige habe sich seit Nachmittag in ihrem Schlafzimmer eingeschlossen, um dem wüsten Lärm des Einpackens aus dem Wege zu gehen. Der Gärtner war auch längst durch den Vorgarten nach dem Bierhaus gegangen, und nur in der Stube über den Ställen brannte ein einsames Licht; der Stallknecht mußte zu Hause sein; aber der war Donna Mercedes noch nie im Garten begegnet. Sie durfte deshalb hoffen, nicht beobachtet zu werden; und doch entsetzte sie sich über jeden kleinen Kiesel, der unter ihren Füßen ins Rollen kam, als gehe sie auf Diebeswegen.

      In der Nähe des Ateliers horchte sie plötzlich befremdet auf – dort vom Wintergarten klang ein Rauschen und Plätschern herüber, als brause und stürze ein Waldbach von einer Höhe herab; sie brauchte nicht mehr zu befürchten, daß man ihre eiligen Schritte auf dem Kiesplatz höre – das Geräusch verschlang sie.

      Der Mondschein fiel voll und breit durch das unverhüllte Glasdach: beim Näherkommen sah sie die Gloxiniengruppen, die Magnolien- und Orangenblüten aufleuchten – sie hätte jede einzelne Zacke der gefiederten, an die Glaswand gedrückten Farnwedel nachzeichnen können; aber sie sah auch, daß alle Fontänen sprangen. Das schwirrte und zischte und flog silberfunkelnd, wie von hartgespanntem Bogen abgeschnellt, zwischen den Palmenkronen und Drachenbäumen, unermüdlich und scheinbar immer stärker anschwellend, als seien die Wasseradern der Tiefe zum Bersten gefüllt.

      Und kaskadenartig stürzten sich die wachsenden Wassermassen weiter über den Steinrand des großen Beckens, und einige der kleinen Steinmulden, aus denen vereinzelte Strahlen steil aufstiegen, um in das eigene Becken zurückzufallen, strömten auch über in gleichmäßiger Flut, als stünden sie unter einer schirmenden Glaskuppel. Donna Mercedes stand einen Augenblick tief erschrocken an der Glastür, die sich als festverschlossen erwies. Die Abzugsröhren des Wasserwerkes mußten verstopft sein ... Schon war der Asphaltboden überschwemmt, und die unten aufgestellten Blumentöpfe rollten umgerissen durcheinander.

      Die Tür nach dem Atelier stand weit offen; der Samtvorhang war zurückgezogen, und weder eine erhöhte Schwelle noch die kleinste Stufe trennte die Mosaik des Malersaales von dem Fußboden des Wintergartens. Auf dem musivischen Boden aber standen und lagen viel kostbare Gegenstände der Altertumssammlung, und Skizzen und angefangene Bilder von Baron Schillings eigener Hand lehnten an den Wänden. Das alles verdarb, es war verloren, wenn die Wasser heranschwemmten.

      Sie lief nach der Tür, die direkt aus dem Garten in das Atelier führte – auch sie wich nicht unter ihrer rüttelnden Hand; aber die dort, hinter der die Treppe in den Oberbau stieg, zeigte einen klaffenden Spalt. Die junge Dame stieß sie zurück und flog die Stufen hinauf. Nur schwach erhellte das schräg hereinfallende Mondlicht einen engen, heißen Vorplatz, auf den eine einzige Tür mündete; auch sie gab nach, und Donna Mercedes huschte schon durch Baron Schillings Wohnzimmer ... »Die Gnädige« hatte recht gehabt, es war schwül, erdrückend heiß in diesem niederen Raum, in den sich der Herr des Schillingshofes freiwillig verbannt hatte um der prüden Schwester seines verstorbenen Freundes willen, die mit ihm nicht unter einem Dache wohnen wollte ...

      Dort hing