Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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und die Hauptsache war doch, daß Karlemann dann zufrieden mit mir war.

      Und es kam weiter: ein vierjähriger Junge, der schon zwei Zentner wog und ausgezeichnet Posaune blasen konnte, wobei seine Wampe unterm Kinn wie ein Luftballon anschwoll, seine mitkommende Mama war Schlangendame und konnte wenigstens den Leierkasten drehen. Ein Kalb mit fünf Beinen. Ein Mann, der seine Zunge einen Viertelmeter weit aus dem Munde herausziehen konnte und außerdem noch als Gratiszugabe einen mächtigen Ast hatte. Eine Gans mit zwei Köpfen. Als zweiter Sohn des großen Geistes wurde ein Indianer gefunden, der ein ausgezeichneter Taschendieb … wollte sagen Taschenspieler war, er wurde abgefangen, als er gerade aus dem Gefängnis kam, wo er gesteckt hatte, weil er in einer öffentlichen Straßenvorstellung ohne Zuschauer eine Taschenuhr samt Kette hatte verschwinden lassen, frei aus dem Handgelenk heraus. Drei Baribalbären, die tanzen konnten; vom amerikanischen Grislybären bekam ich nur ein einziges Exemplar, und für das mußte erst ein Gitter gefertigt werden, mit dem Vieh war nicht zu spaßen. Da keine echte rote Squaw aufzutreiben war, wurde wenigstens eine Kreolin engagiert, auch so kupferbraun, die ihren Bauch wie ein Karussel im Kreise drehen konnte. Amerikanische Schlangen und andere Tiere in schwerer Menge.

      Auch die ›Buchdruckerei‹ war zu besorgen. Mit der sollte ich noch etwas erleben, die sollte mich wieder etwas kosten!

      Ich sprach mit Paddy als Fachmann darüber, er wollte so ein Tretmaschinchen mit allem, was dazu gehört, besorgen.

      Kostenpunkt?

      »Na, für hundert Dollar ist da schon etwas recht Hübsches zu haben, Marke Liliput, das genügt wohl für solche Zwecke, mit Typen und allem.«

      Gut, ich gab ihm die hundert Dollar. Mein Paddy trabt ab und … kommt nicht wieder! Doch, aber erst nach drei Tagen – und ohne Buchdruckerei. Er war unter die Räuber gefallen – d. h., hatte die hundert Dollar bis zum letzten Cent versoffen.

      Reumütig gestand er es mir, erbot sich, drei bis zehn Jahre für mich umsonst zu arbeiten.

      Was sollte ich tun? Ich verzieh ihm. Es gefiel mir ja schon, daß er überhaupt wiedergekommen war, das hätte er gar nicht nötig gehabt, und dann konnte ich doch nicht dieses Ideal von einem Buchdrucker und Setzer, der mit dem Bauche bellen konnte, wieder fortlassen.

      Kurz, ich gab ihm nochmals hundert Dollar, schickte aber zur Vorsicht einen meiner Matrosen mit.

      Die beiden rücken ab und … kommen ebenfalls nicht wieder! Oder doch erst am anderen Tage – wiederum ohne Maschine! Sie sind zerknirscht wie die jungen Hunde. Haben die beiden schon wieder die ganze Buchdruckerei versoffen!

      Eigentlich hätte ich das meinem Alfred gar nicht zugetraut, es war sonst ein ganz solider, zuverlässiger Mann – aber eben ein unglückseliger Zufall – er hatte einen früheren Schiffskameraden getroffen – und so etwas wußte ja nun gerade ich zu würdigen, also auch mild zu beurteilen – und überhaupt sind Matrosen dazu da, um Schiff und Takelage zu bedienen und nicht, um Buchdruckereien einzukaufen – oder man muß sich zu so etwas seine besondere Ordonnanz erziehen – kurzum, eine Buchdruckerei mußte ich doch mitbringen, also immer noch einmal eine Hundertdollarnote herausgerückt und den sachverständigen Buchdrucker und Bauchbeller fortgeschickt, diesmal aber mit einer Eskorte von sechs handfesten Matrosen, denen ich zuerst den Eid der Nüchternheit abgenommen hatte, wenigstens bis zur Rückkehr von dieser gefährlichen Reise.

      Und da brachten sie denn auch glücklich die Buchdruckerei angeschleppt, ein kleines Maschinchen, wie eine Nähmaschine, und eine Zigarrenkiste voll Typen.

      »Und wo ist denn das Papier für die Programme?« fragte ich. Denn das hatten sie auch gleich mitbringen sollen, und ich dachte mindestens an so einen Ballen.

      »Hier,« sagte Alfred und zeigte triumphierend ein Pappschächtelchen mit hundert Bogen Briefpapier.

      Zu mehr hatte es nicht gelangt. Also immer noch einmal ringegriffen in den feuerfesten und diebessicheren Panzerschrank mit drei Sicherheitsschlössern.

      Ach, ich kann ja gar nicht schildern, wie es während dieser acht Tage an Bord meines Schiffes zuging!

      Ich wußte ja auch gar nicht, mit was für Raritäten mich meine braven Jungen versorgt hatten, so ganz unter der Hand, ohne daß sie mir etwas davon gesagt hatten!

      Wie ich einmal spät in der Nacht in meine Koje steigen will, da liegt schon ein anderer drin, zuerst nur erkenntlich an zwei ungeheueren Sporen, die unter der blauen Gardine hervorgucken.

      Ich schlage den Vorhang zurück – es ist ein langer Kerl, ganz in Leder gehüllt, schmierig, an dem mit Patronen gespickten Gürtel zwei riesige Revolver.

      Mit Mühe kriege ich den schnarchenden Kerl wach.

      »He, guter Freund, wer bist du denn?«

      »Ach, häng dich!« ist seine erste Begrüßung.

      »Wie kommst du denn hierherein?«

      »Gottverd … «

      Das waren die ersten beiden Silben von hundert anderen mit ähnlich schönem Inhalt, meiner Person und aller Welt geltend, weil ich ihn im Schlafe gestört hatte.

      Vielleicht wären auch noch mehr Silben gefolgt, aber etwa bei der hundertsten packte ich ihn beim bespornten Stiefel und zog ihn aus meiner Koje; das wollte sich das Kerlchen nicht gefallen lassen, ich glaube sogar, er wollte nach dem Revolver greifen, wofür es von mir zuerst ein paar sogenannte Kopfnüsse gab.

      Da war er mit einem Satze auf den Beinen, wollte mich packen, oder hatte mich auch schon; aber ich hatte ihn ebenfalls und noch fester, wir walzten ein paarmal ohne Musikbegleitung durch die enge Kabine, dann hob ich ihn aus und setzte ihn mit seinem ledernen Hosenboden in das gefüllte Waschbecken, hob ihn wieder herunter und legte ihn fein säuberlich aufs Sofa, verwalkte ihn noch ein bißchen, und dann endlich war er zum Sprechen bereit, nachdem ich ihm noch höflich versichert, daß ich hier Kapitän und Herr sei.

      »Ich bin doch der Revolver-Jim!«

      »Was, Revolver-Jim?«

      »Na, der Cowboy, der Pferdebändiger.«

      Es stellte sich heraus, daß es ein Champion-Pferdebändiger war, täglich zwanzig Pferde zureiten konnte, und meine Jungen hatten ihn als solchen für unser WeltTournee engagiert.

      Heiliger Himmel! An Bord meines Schiffes ein Pferdebändiger! Sollte wilde Pferde zureiten!

      Nach der ersten Prügelei konnten wir uns ganz gut unterhalten, und da stellte sich weiter heraus, daß er auch ein gottbegnadeter Kunstschütze sei.

      Na, das war etwas anderes, da konnte ich ihn schon eher gebrauchen.

      »Ihr glaubt nicht, daß ich mit dem Revolver niemals mein Ziel verfehle …«

      Ich stand eben an der Wand, zündete mir gerade eine Zigarre an, hatte sie noch zwischen den Fingern, da …

      Puff puff puff – ich kriege einen Schlag zwischen die Hand und gleichzeitig an die Füße – hat mir der Kerl die Zigarre aus den Fingern und von beiden Stiefeln die Hacken abgeschossen!!

      »Mein Herr, Sie sind engagiert,« sagte ich, als ich mit heilen Fingern nach einer anderen Zigarre griff.

      Einmal, immer noch im Hafen von New-York, vielleicht am dritten Tage, will ich nachsehen, ob die Klapper- und anderen Schlangen mit Fressen versehen sind.

      Dieses reptilische Ungeziefer wurde in einer großen Tonne aufbewahrt, die mit einem Drahtgeflecht zugedeckt war, in der Segelkammer stehend. Gefüttert wurden sie mit Ratten und Mäusen, die nicht erst von auswärts bezogen zu werden brauchten. Wenn sie nicht schon in London im Unterrock der ›Sturmbraut‹ heimisch geworden, so hatten wir sie in Kapstadt bekommen. Von diesen menschentreuen Tierchen ist ja kein Schiff frei.

      Ich blicke hinein, kann natürlich nichts sehen, weil es im Innern des hohen Fasses finster ist; aber da hängt an der Wand eine Laterne, ich zünde sie an, sende den Blendstrahl durch das Drahtgeflecht – richtig, da sitzen dort unten zwei große Ratten und etliche Mäuse, aber … keine einzige Schlange, nicht einmal eine Klapper davon.