Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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Herr Steuermann sonst noch einen Wunsch?«

      »Das würde ich Ihnen schon sagen.«

      Nach dem Essen lockte mich die schöne, mondhelle Maiennacht nochmals hinaus. Ich spazierte rauchend in den Gartenanlagen umher, dies und jenes denkend.

      »Richard!«

      Betroffen fuhr ich aus meinem Träumen empor.

      Unabsichtlich war ich im dunklen Baumschatten vom Wege abgekommen, kurzer, weicher Rasen hatte meinen Schritt unhörbar gemacht.

      Vor mir erhob sich zwischen Bäumen ein kleiner, römischer Tempel – und dort stand sie – die Lady – in der weißen Tunika – vom Mondschein umflossen, in dem ihr Haar wie Gold leuchtete.

      Sie drehte mir den Rücken zu. Schon wollte ich mich zurückziehen, als sie nochmals meinen Namen aussprach, und das bannte mich.

      »Mein Richard!«

      Mein Name? Weshalb denn mein Name?

      Und dann hob sie beide Arme, breitete sie wie sehnsüchtig aus und begann zu singen, leise, aber doch klang es jauchzend:

      »Du stolzes England freue dich,

      Dein König geht und kämpft für dich,

      Dein König, dein König, der Richard Löwenherz.«

      »Nein,« sagte sie dann, »nicht England, sondern Blodwen muß es heißen.«

      Und sie sang es noch einmal, mit demselben verhaltenen Jubel in der Stimme:

      »Du stolze Blodwen freue dich … «

      Ich zog mich zurück, suchte mein Zimmer auf. Lange floh mich der Schlaf, und dann suchten mich seltsame Träume heim.

      PRÜFUNGEN, UND WIE DIE SACHE KITZLIG WIRD.

       Inhaltsverzeichnis

      Mit dem Morgengrauen erwachte ich, gegen vier Uhr, und klingelte sofort dem Diener.

      Zu meiner Verwunderung war dieser sehr schnell zur Stelle. Er sah übernächtig aus, hatte sich wohl gekämmt, aber nicht ordentlich, sein Anzug war zerknüllt.

      »Wo haben Sie geschlafen?«

      »Nun – nun – in meinem Zimmer.«

      »Aber nicht im Bett. Oder doch angezogen.«

      »Ja, auf einem Sofa.«

      »Weshalb nicht im Bett?«

      »Ihre Herrlichkeit haben gestern abend befohlen, ich soll dem gnädigen Herrn …«

      »Sprechen Sie von mir? Ich bin nicht gnädig. Ich bin der Herr Steuermann, und wenn Sie zu mir von der Dame sprechen, so sagen Sie einfach die Lady. Still! Wie Sie Ihre Herrin selbst anreden, ist mir gleichgültig, in meiner Gegenwart aber haben Sie so zu sprechen, wie ich es Ihnen vorschreibe. Nun?«

      »Die Lady hat Instruktion gegeben, daß ich Tag und Nacht sofort zur Stelle bin, sobald Sie klingeln, und so habe ich angezogen auf dem Sofa geschlafen.«

      »Das haben Sie nicht nötig. Ich werde deswegen dann andere Einrichtungen treffen. Kann ich jetzt schon Frühstück mit Kaffee oder Tee bekommen?«

      Ich erfuhr, daß die Lady keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht machte, das ganze Haus mußte immer erleuchtet, mindestens ein Viertel der ganzen Dienerschaft auch während der Nacht auf den Beinen sein, jedes Winkes gewärtig.

      O, wenn die Lady Blodwen schon solche Bordgewohnheiten hatte, dann würden wir auch recht gut nebeneinander leben können.

      »Besorgen Sie mir das Frühstück. Dann legen Sie sich zu Bett. Ich werde Sie am Vormittag nicht mehr rufen.«

      Nach dem Frühstück ging ich im Park spazieren. Da kam mir die Lady entgegen, in einem dunklen Morgenkleid. Ohne meinen Schritt zu ändern, zog ich den Hut und wünschte einen guten Morgen.

      Sie blickte mich im Vorübergehen groß an und hatte nur ein Kopfnicken. Sie sah viel frischer aus als gestern, gerade jetzt aber bemerkte ich in ihrem Gesicht einen schwermütigen Zug, der bei der Mrs. Milner gänzlich gefehlt hatte.

      »Herr Steuermann!« erklang es da hinter mir.

      Sie hatte sich umgedreht, ich kehrte schnell zurück.

      »Mylady befehlen?«

      »Ich möchte Sie dann sprechen – vielleicht um acht Uhr, nicht wahr?«

      »Um acht Uhr.«

      »David wird Sie von Ihrem Zimmer abholen. Bitte.«

      Wieder eine würdevolle Neigung des Hauptes, und sie setzte ihren Weg fort.

      Als eine am Hause angebrachte Uhr die achte Stunde verkündete, klopfte David an meine Zimmertür. Ich durchwanderte unter seiner Führung einen endlosen Korridor. Die Lady hatte ihre Zimmer auf demselben zweiten Korridor, nur in einem ganz anderen Flügel des weitläufig gebauten Hauses.

      Mir fielen einige Türen auf, welche schwer mit Eisen beschlagen waren. Eine solche öffnete der Alte, wobei es klingelte. In dem Salon fletschte mir knurrend eine riesige Bulldogge die Zähne entgegen, beruhigte sich über auf des Alten Zuruf gleich wieder.

      Die zweite Tür, welche wir unter einem Klingelzeichen passierten, war schon mehr gepanzert zu nennen, und dasselbe galt von der dritten Tür, an welche David stark klopfte.

      Die Lady, an deren Seite mich wiederum ein riesiger Köter zähnefletschend begrüßte, öffnete von innen.

      Sie brachte den Hund zur Ruhe und schloß die Tür wieder. Der Alte war draußen geblieben.

      In dem nur kleinen Zimmer war am auffallendsten der große Geldschrank, der neben einem Schreibtisch stand, an dem offenbar wirklich viel geschrieben wurde. Dann waren da noch einige von der Decke herabhängende Portieren vorhanden, welche etwas abschlossen, und ich vermutete, wie sich später herausstellte, auch ganz richtig, daß dies zugleich das Schlafzimmer der Lady sei. Sie schlief auf oder doch neben ihren Geldsäcken, geschützt durch einige Panzertüren, bewacht von zwei oder noch mehr Bulldoggen.

      »Wissen Sie die Bank von England in der City?«

      Ich kannte das Gebäude, an dem jeden Mittag die Wache aufzieht.

      »Ich bitte Sie, diesen Scheck einzulösen. Es sind 10 000 Pfund Sterling. Die Bank wird um zehn aufgemacht.«

      Sie gab mir ein Blättchen Papier, bedruckt und beschrieben.

      »Wird man mir denn auch so viel Geld gleich aushändigen? Ich bin in derartigen Geschäften ganz unerfahren.«

      »Sie haben noch nie einen Scheck eingelöst?«

      »Nein.«

      »Sie haben nur nötig, hier hintendrauf Ihren Namen zu schreiben. Sie sehen doch, ich habe der Einfachheit halber den Scheck gleich auf Ihren Namen ausgestellt.«

      Ja, das stimmte, da stand mein Name – zahlbar an Mr. Richard Jansen.

      »Aber ich muß mich doch legitimieren.«

      »Auch nicht. Sie erhalten die 10 000 Pfund gegen Abgabe dieses Schecks.«

      Ich barg das Papier in meiner Brieftasche und hätte gehen können.

      »Ich muß Ihnen mitteilen, daß ich ohne Geld bin. Nur wenige Pence habe ich in der Tasche.«

      »Wieviel wollen Sie?«

      »Wollen wir nicht gleich meinen Gehalt ausmachen?«

      Zwischen ihren Brauen entstand eine Falte, aus der ich mir aber wenig machte.

      »Wieviel verlangen Sie?«

      »Meine