Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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Hundetheater gewesen, aber so etwas hatte ich wirklich noch nicht gesehen. Näher beschreiben, worin die Komik liegt, läßt sich ja so etwas nicht. Wie der kleine Hund taktmäßig die Beine schlenkerte, dabei mit dem hochgerafften Kleide kokettierend, es immer so hin und her schwenkend, manchmal einen quiekenden Ton ausstoßend, so einen Juchzer, und nun dieses Pudelgesicht dazu, in der weißen Wolle noch schwarze Teerflecke – der Hypochonder, der durch diesen Anblick nicht geheilt wurde, konnte sich nur gleich totschießen.

      »So ist es gut. Nun, Salto, zeige einmal, wie unser Pastor in der Kirche predigt.«

      Sofort setzte sich der Hund in Positur, das drollige Pudelgesicht mit dem weißen Schnauzbart nahm einen wahrhaft würdevollen Ausdruck an, nun unter einer schaukelnden Bewegung des ganzen Körpers die Vorderpfoten hin und her bewegt und dabei in den verschiedensten Tonarten jämmerlich geheult.

      Na, wir mußten uns eben am Tisch festhalten.

      »Und da haben Sie abends an Land immer so eine Vorstellung gegeben?« fragte Doktor Selo, als er sich die Augen trocknete.

      »Gleich am Hafen – denn ich schlief immer in meinem Boot, niemals in einer Herberge – so vor den Schiffern – und stets war meine Mütze ganz mit Kupferstücken gefüllt. Aber auch Herrschaften waren manchmal darunter, eine Dame hat mir gleich einmal ein Goldstück gegeben.«

      »Das glaube ich, das glaube ich!« rief Blodwen. »Wie in aller Welt haben Sie das dem Pudel nur beigebracht?«

      Der Junge lächelte verschmitzt.

      »Ja, Madam, das ist mein Geheimnis. Und das hier war ja noch gar nichts. Aber wie mein Hund klug ist – er kann überhaupt alles machen, was man nur von einem Hunde verlangen kann. Was soll er tun? Sagen Sie irgend etwas. Eine Schleife binden kann er Ihnen natürlich nicht.«

      »Er soll – er soll … mir den Schuh ausziehen,« sagte Blodwen aufs Geratewohl.

      »Salto, ziehe der Frau den linken Schuh aus!«

      Fast gleichzeitig kreischte Blodwen laut auf, wie ein Blitz war der Pudel ihr unter die Röcke gefahren, dort drunter ein kurzer Kampf, dann kam Signor Saltarino mit einem Segeltuchschuh im Maule zum Vorschein, und es war tatsächlich der linke.

      Ich will hier gleich etwas vorausschicken. Dieser Zwergpudel hier, der tatsächlich jedes Wort seines Herrn zu verstehen schien, war nicht etwa ein ganz bevorzugtes Exemplar seines Geschlechtes, sondern sein Herr war eben ein gottbegnadeter Dresseur. Ich habe ihn dann später noch oft genug beobachtet, wie er die verschiedensten Tiere abrichtete, werde auch noch oft darüber sprechen, ich sah manchen Kniff, und wenn man weiß, wie’s gemacht wird, dann ist es, wie gewöhnlich, äußerst einfach, jede gewöhnliche Katze lehrte er innerhalb einer Stunde apportieren und auf Kommando über den Stock springen, das konnte ich dann auch nachmachen – d. h., eine Katze so abrichten – sonst aber hatte er noch Geheimnisse, denen ich nie auf den Grund kommen konnte.

      Daß der Pudel wirklich jedes Wort verstand, war wohl ausgeschlossen. Da hatte Algots seine geheimen Zeichen. Ich glaubte auch bemerkt zu haben, daß er unter dem Tische etwas mit den Füßen gemacht hatte. Vielleicht hatte er getan, als wollte er seinen linken Stiefel abstreifen, oder hatte dies wirklich getan, dabei hatte er scharf nach der Dame geblickt, und nun allerdings hatte das kluge Tier ihn sofort verstanden.

      Dies wäre ja kein eigentliches Geheimnis. Und doch besaß dieser germanische Zigeuner den Tieren gegenüber solche, die mir immer ein Rätsel blieben, wovon ich also noch später sprechen werde.

      Der Pudel zeigte durch Klopfen die Zeit an, ohne eine Uhr zu sehen, und machte andere schier unerklärliche Kunststückchen. Man hätte fast menschliche Vernunft annehmen mögen.

      Dann hatte Blodwen das Tierchen auf den Schoß genommen. Ihre Erregung war eine außerordentliche. Man darf aber nicht etwa glauben, daß sie, weil so einsam erzogen, weil sie so etwas noch nie gesehen, etwa an unnatürliche Dinge dachte. Im Grunde genommen war sie ein hochgebildetes Weib, und der Leser hat wohl schon selbst gemerkt, wie aufgeklärt sie war.

      Ich konnte mir den Grund ihrer Aufregung recht gut erklären, und so kam es denn auch.

      »Ist Ihnen der Hund feil?«

      O weh! Hätte ich mich jetzt nur gleich ins Mittel schlagen können. Wenn Blodwen etwas nicht kannte, so war es der Wert des Geldes. Die war imstande, für den Hund gleich eine Million zu bieten. Hätte der kleine Zigeuner jetzt eine Million gefordert, sie hätte sofort ›top‹ gesagt. Man muß nur ihre Erziehung und alle sonstigen Verhältnisse bedenken, um das begreiflich zu finden.

      »Nee,« sagte aber Algots trocken, »den verkaufe ich um keinen Preis.«

      Es war ein Glück, daß er das gleich so offen sagte, obgleich er das wohl nicht so ernstlich meinte. Nun aber würde Blodwen auch gar nicht weiter bieten. Denn hätte sie selbst diesen Hund besessen, so würde sie ihn doch ebenfalls nicht für alle Schätze hergegeben haben, sie, für die das Geld absolut keinen Wert hatte, schloß ja von sich selbst auf andere. Oder wurde doch noch ein Handel daraus, so mußte jetzt der Junge eine Forderung stellen, und dann würde das Geschäft bedeutend billiger werden.

      »Sie haben aber doch auch einen Hund an Bord,« fuhr er gleich fort, »den will ich Ihnen in ein paar Tagen dressieren.«

      Bemerkt sei, daß sich der Junge erst vergewissert hatte, daß wir ebenfalls der Küste entlang nach Süden steuerten, sein Boot, aus dem eine morsche Planke losgebrochen war, hatte der Schiffszimmermann bereits in Reparatur.

      »Den Diomedes?«

      »Diomedes heißt das große Vieh? Es ist ein Bullenbeißer. Ja, den.«

      Wir hatten ja schon erlebt, welchen seltsamen Einfluß der Junge auf das unbändige Tier ausgeübt hatte, erst jetzt kam uns das zu Bewußtsein. Aber es gab noch andere Zweifel.

      »Den wollen Sie so dressieren wie Ihren Pudel hier?«

      »Na, so gerade nicht. Der Pudel ist schon alt, ich habe mich schon als kleines Kind mit ihm beschäftigt. Aber in drei Tagen will ich ihm schon etwas ganz Hübsches beibringen.«

      »Solche Kunststückchen?«

      »Wenigstens ein paar Dutzend. Kann er denn schon etwas?«

      »Ja, beißen,« mischte ich mich jetzt ein. »Können Sie ihm das Tanzen auf den Hinterbeinen beibringen?«

      »Tanzen muß das Luder.«

      »Auch daß er solche Salto mortales schlägt?« fragte Blodwen wieder.

      »Salto mortales schlagen muß das Luder.«

      »Dieses schwere Tier?« fragte ich jetzt wieder.

      »Der ist nicht zu schwer dazu, der ist nur zu faul. Ich muß ihm erst ein bißchen Fett abtreiben.«

      »Was verlangen Sie dafür?« nahm mir wieder Blodwen das Wort ab.

      »Was geben Sie?«

      Leider konnte ich mich nicht schnell genug einmischen, Blodwen war ganz Feuer und Flamme.

      »Tausend Dollar,« rief sie schnell.

      Na, da ging es noch. Und wenn man da zusah, wie der kleine Junge dem riesigen Vieh den Salto mortale beibrachte, das war auch wirklich tausend Dollar wert – besonders wenn man es so hatte.

      Immerhin, es war doch eine große Summe – und nun für so einen Jungen, der eigentlich noch Pumphosen tragen sollte. Aber der zuckte mit keiner Wimper.

      »Well, tausend Dollar. Da will ich in drei Tagen aus dem Vieh auch etwas Hübsches machen.«

      »Ah, jetzt weiß ich,« ergriff da Doktor Selo das Wort. »Jetzt weiß ich, was Sie an der afrikanischen Küste wollen!«

      Der Junge machte manchmal einen ganz kindlichen Eindruck, manchmal kam er mir wieder vor wie ein alter, erfahrener, bedachtsamer Mann, so jetzt, als er den Arzt anblickte.

      »Nun? Schießen