Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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habe ich bereits bisher an den europäischen Küsten getan – das habe ich Ihnen doch ausführlich genug erzählt.«

      » … und Sie hoffen, daß Häuptlinge und reiche Personen Ihnen Ihre Hunde zur Dressur übergeben?«

      »Well, das hoffe ich sogar sehr stark.«

      Wahrhaftig, ich blickte plötzlich in eine Perspektive, an die ich noch gar nicht gedacht hatte! Dieser Junge war ja ein wirkliches Finanzgenie!

      Da gab es nun freilich noch manches zu bedenken.

      »Haben Sie auch bedacht, wie gefährlich das werden kann?« fragte ich.

      »Wieso?«

      »Dort sind ganz unkultivierte Gegenden, das sind noch Wilde, selbst an der Küste.«

      »Das habe ich schon als kleines Kind gewußt.«

      »Sie können von einem Häuptling sozusagen als Hofdresseur festgehalten werden – werden als Sklave gezwungen, ihm seine Haustiere abzurichten.«

      »Bah, das habe ich mir alles überlegt.«

      Ja freilich, wenn er mit solchen Ideen schon seit seinem sechsten Jahre umgegangen war – da konnte man ihm schwer widersprechen.

      Und was für ein gottbegnadetes Geschäftsgenie der Junge war, das sollte ich erst noch später erfahren. Wir hatten gar nicht besondere Obacht darauf gegeben, wie sorgfältig er zuerst sein Gepäck, hauptsächlich aus Blechkisten bestehend, in die ihm zur Verfügung gestellte Kabine getragen hatte. Was konnte denn darin sein? Proviant, Wäsche. Später aber sollten wir ob des Inhaltes, mit Respekt zu sagen, vor Staunen Maul und Nase aufsperren.

      »Ich werde bald genug verdient haben, um mir ein eigenes Schiff kaufen zu können.«

      »Ein Schiff? Was für ein Schiff?«

      »Nun, eben ein Schiff.«

      »Ein größeres als Ihr ›Albatros‹?«

      »Ach, Unsinn! Wollen Sie mich veralbern? Ein richtiges großes Schiff meine ich, so wie dieses hier, aber noch ein ganz anderes.«

      »Wissen Sie denn, was so ein Schiff kostet?« stellte ich eine prüfende Frage.

      »Neu? Auf Bestellung gebaut? Ich ziehe Holz vor. Hundert bis höchstens hundertfünfzig Taler die Tonne, und da verlange ich Teakholz.«

      Diese Schätzung stimmte. O, ich sollte bald erfahren, was für Erfahrungen dieser kleine Wicht in allem, was zur Seefahrt gehört, schon besaß, wenn auch nur theoretische! Er hatte eben ständig mit Kapitänen verkehrt, hatte zugehört und gefragt.

      Er wünschte das Schiff zu besichtigen. Blodwen blieb zurück, sich mit dem Pudel beschäftigend, der auch auf ihr Kommando schon tanzte und andere Kunststückchen ausführte.

      »Ist das Ihre Frau, Käpt’n?« fragte er mich vertraulich, als wir über Deck gingen.

      Ich wußte nicht recht, was ich gleich sagen sollte.

      »Nein, das gerade nicht…«

      »Ach so, der gehört wohl das Schiff? Sie sind nur der Kapitän.«

      »Auch nicht – das Schiff gehört mir.«

      »Also Eure Geliebte?«

      »Ja,« gestand ich, von diesem Jungen so zur Antwort gedrängt.

      Und da sagte dieser kleine Junge:

      »Enne Geliebte? Na, wenn ich erst mein eigenes Schiff habe – Fruenslüt dürfen nicht zu mir an Bord kommen – weiter fehlte nichts – so ne Swienerie.«

      Und anstatt über diese Worte entrüstet oder sonst etwas zu sein, ging eine seltsame, eine schmerzliche Ahnung in mir auf. Ich hatte plötzlich etwas wie eine Vision. Nämlich, daß dieser kleine, zwölfjährige Wicht mir an Charakter bedeutend überlegen war, daß er dasselbe Ideal hatte wie ich und dieses durch eigene Kraft erreichen würde, während ich das meine als Sklave eines launischen Weibes bereits verscherzt hatte …

      Doch schnell verschwand diese schmerzlichdemütigende Vision wieder.

      Ich war bis über die Ohren verliebt und konnte nicht im geringsten über Blodwen klagen, durfte wirklich von keinen Launen sprechen. Sie war mir das hingebendste Weib.

      DAS RÄTSELHAFTE WRACK, UND WIE WIR AUF DEMSELBEN DEN KLABAUTERMANN FINDEN.

       Inhaltsverzeichnis

      Einen großen Vorteil hatte uns der kleine Seezigeuner gebracht. Endlich hatten wir ein bestimmteres Ziel im Auge. Unsere Fahrt hatte einen Zweck bekommen.

      Als wir schon im englischen Kanal schwammen, waren wir uns noch über kein bestimmtes Ziel klar gewesen. Erst hatte Blodwen den Wunsch geäußert, einmal wieder New-York zu sehen, und es war westwärts gegangen. Kaum aus dem Kanal heraus, hatte Blodwen Sehnsucht nach dem kalten Norden bekommen, und der Kurs wurde nach Grönland genommen, doch kaum für einen halben Tag, dann zog Blodwen den Süden vor, und wir gingen über Stag und zurück.

      Dennoch muß ich meine vorige Behauptung aufrecht halten. Aus alledem konnte ich der Geliebten keinen Vorwurf der Launenhaftigkeit machen. Gott, wir hatten doch absolut nichts vor, eigentlich wollten wir ja nicht einmal die Welt besehen, um uns dabei zu amüsieren. Das Schiff sollte unsere Heimat sein, für das verfolgte Weib speziell eine Burg.

      Mich freute es vielmehr, daß Blodwen zunächst gar nicht wünschte, einen Hafen anzulaufen, und am allermeisten, welches Interesse sie für das Schiff selbst und für die Mannschaft nahm. Darin ging sie ganz auf. Sie stellte den Speisezettel für den folgenden Tag auf, wirtschaftete im Proviantraum und selbst in der Kombüse, sie nahm an den Spielen der Leute in der Freizeit teil, interessierte sich für deren Arbeit und für alles andere – kurz, sie führte das Leben, was ich ihr gewünscht hatte, mit welchem auch ich mich zeit meines Lebens hätte beschäftigen können, in Sorge aufgehen um das körperliche und geistige Wohl seines Volkes, und die Mannschaft eines Schiffes wird auf englisch ›crew‹ bezeichnet, was noch viel mehr sagt als Besatzung und dergleichen. Uebrigens haben ja auch wir das Wort ›Schiffsvolk‹.

      Und dann begann ja erst jetzt richtig die Zeit unserer ersten Liebe! Mit einem Wort: wir waren glücklich – sehr, sehr glücklich!

      Nun aber sollte es bestimmt nach der Westküste Afrikas gehen, zunächst nach Senegambien. Was der kleine Algots eigentlich vorhatte, ob er uns verlassen würde oder nicht, das wußten wir noch immer nicht. Da hüllte er sich in unverbrüchliches Schweigen. Jedenfalls benutzte er eben diese günstige Gelegenheit, auf schnellere Weise dem Gebiete seiner späteren Tätigkeit so nahe wie möglich zu kommen.

      Zunächst wollte er sich ja die tausend Dollar verdienen. Er nahm den Diomedes vor, aber mit der Beobachtung war es nichts. Er brachte den Köter, der sich dem kleinen Wicht nach wie vor seltsam gefügig zeigte, in eine leere, geräumige Kammer, ließ sich große Streifen von Segeltuch und andere Utensilien geben, deren Zweck wir uns vergebens zu deuten suchten, und er schloß sich mit dem Tiere ein, nur zu den Essenszeiten zum Vorschein kommend.

      Als Zuchtmittel bediente er sich sowohl verschiedener Leckerbissen als auch der Hundepeitsche, und das tüchtig. Wir hörten den Bullenbeißer manchmal jämmerlich heulen, woraus aber wiederum zu schließen war, daß wir uns nicht um das Leben unseres kleinen Freundes zu sorgen brauchten.

      Schon nach zwei Tagen war die Dressur beendet, Diomedes wurde vorgeführt. Es war erstaunlich, was der kleine Zigeuner dem Tiere in den zwei Tagen alles beigebracht hatte, und wahrhaft lebensgefährlich sah es aus, wie sich der mächtige Bullenbeißer mit einem Satze in der Luft überschlug.

      »Wie haben Sie das dem Tiere denn nur beigebracht?«

      »Das ist äußerst einfach. Sie würden lachen, wenn Sie es erführen.«

      »Ach, sagen Sie es mir doch!«

      »Ich bedaure, Madam, das ist Geschäftsgeheimnis,«