Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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mit ehrlichem Augenaufschlag.

      »Sie sprachen aber doch selbst davon, daß es sich um eine Sühne handelte, wenn Sie sich als Sklaven verkaufen.«

      »Das allerdings; aber … eine Schuld habe ich nicht auf dem Gewissen.«

      »Und trotzdem suchen Sie hier auf meinem Schiffe eine Freistatt? Mann, Sie sprechen für mich in Rätseln!«

      »Aber durchaus nicht für mich,« sagte Blodwen. »Wenn jemand in ein Kloster geht, oder nur in die Einsamkeit, ebenfalls gewissermaßen zur Sühne, muß er deshalb denn unbedingt ein Verbrechen begangen haben? Und weshalb habe denn ich die Einsamkeit des Meeres aufgesucht? Richard, nimm den Mann an!«

      Wenn Blodwen es wünschte, konnte ich ja überhaupt kaum noch etwas dagegen tun. Ich hätte ihn höchstens noch abweisen können, wenn ich für Blodwen eine Gefahr darin erblickte, und das war eben nicht der Fall.

      »Nun erzählen Sie mir einmal, was Sie bisher gewesen sind, wie Sie hierher nach Monrovia gekommen sind und so weiter.«

      »Wenn ein Herr einen neuen Sklaven kauft, so fragt er ihn nie nach seinem früheren Lebensschicksal, nicht, ob er Frau und Kinder hat, nach gar nichts – sondern er taxiert seine Knochen und Muskeln, danach bezahlt er ihn, und dann sucht er das angelegte Kapital möglichst auszunützen.«

      Oho!! Das war eine kecke Sprache! Und doch, wenn der Mann nun einmal aus einem mir unbegreiflichen Grunde als Sklave behandelt sein wollte, dann hatte er ganz recht.

      Ich beschloß, die Sache jetzt kurz zu machen.

      »Also Sie wollen durchaus mein Sklave sein?«

      »Ja, Herr.«

      »Ohne daß ich Ihnen dafür etwas gebe?«

      »Ich verlange nichts.«

      »Als Sklave haben Sie auch sonst nichts weiter zu beanspruchen, kein Gehalt und dergleichen.«

      »Selbstverständlich nicht.«

      »Gut, wenn Ihnen das so großes Vergnügen macht, will ich gern auf diese Spielerei eingehen. Denn für mich ist das nichts weiter als eine Spielerei.«

      »Für mich ist es furchtbarer Ernst.«

      »Und wie lange soll dieser furchtbare Ernst währen?«

      »Zeit meines Lebens.«

      »Sie wollen zeit Ihres Lebens mein Sklave bleiben?«

      »Ja, Herr.«

      »Nun werde ein anderer daraus klug! Na, meinetwegen. Also ich habe dich jetzt gekauft.«

      »Ja, Herr.«

      »Du bist jetzt mein Eigentum.«

      »Ich werde treu wie ein Hund sein.«

      Mir kam fast das Lachen an, wie ich den eleganten schwarzen Gentleman bei diesen Worten so vor mir stehen sah.

      »Was kannst du?«

      »Alles, was man von mir verlangt, und was ich noch nicht kann, lerne ich.«

      Diese Antwort gefiel mir.

      »Wie heißt du?«

      »Goliath.«

      Ich forschte nicht danach, wie er plötzlich auf diesen Namen kam.

      »Denke nicht etwa, Goliath, daß ich dich mit einer Arbeit beschäftigen werde, wo du nur mit Glacehandschuhen zuzugreifen brauchst.«

      »Danach hat ein Sklave nicht zu fragen.«

      »Kannst du Matrosenarbeit?«

      »Ich werde sie lernen.«

      »Wenn ich nicht mit dir zufrieden bin, verkaufe ich dich natürlich weiter.«

      »Massa wird mich nicht verkaufen,« schlug der Neger jetzt einen anderen Ton an, und im Geiste sah ich vor mir statt des schwarzen Gentlemans einen Nigger im gestreiften Baumwollhemde vor mir stehen.

      »Weshalb soll ich dich nicht wieder verkaufen? Kann ich das nicht halten wie ich will?«

      »O, Massa wird mit mir zufrieden sein, sehr zufrieden – und Goliath wird treu und gelehrig wie ein Hund sein.«

      »Gut,« mußte ich unwillkürlich lächeln, »wir werden ja sehen. Hast du Sachen?«

      »Zwei Koffer voll.«

      »Wo?«

      »Im Henry-Hotel.«

      »Hast du da noch etwas zu bezahlen?«

      »Ist alles schon bezahlt.«

      »So hole deine Sachen, dann tritt hier an. Aber nicht etwa im Frack mit Glacehandschuhen – sondern im Arbeitszeug.«

      »Very well, Massa.«

      Und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ der Neger die Kajüte.

      Wir Zurückgebliebenen blickten uns an, lange Zeit sprachlos.

      »Das ist höchst romantisch,« brach Blodwen endlich das Schweigen.

      »Nein, das ist schon eher ein Märchen. Und doch möchte ich fast glauben, daß er wiederkommt.«

      »Sicher kommt er wieder! Du mußt ihn aber noch fragen, was er früher gewesen ist, wo er früher als Sklave … «

      »Nein, Blodwen, wenn das nun einmal Tatsache ist, daß er wirklich freiwillig mein Sklave sein will – mag der Teufel den Grund dazu wissen! – dann wollen wir auch einmal ganz auf seine Ideen eingehen, und er will wohl, daß seine Vergangenheit hinter ihm begraben ist. Er ist eben ein Neger, kommt frisch mit der Sklavenkarawane, und ich habe ihn gekauft, damit basta. Nun könnte nur noch in Betracht kommen, daß er ein Spion ist.«

      »Du meinst?!« fuhr Blodwen erregt auf.

      »Diese Möglichkeit ist wenigstens in Betracht zu ziehen. Er braucht ja nicht gerade deinetwegen zu spionieren. Du verstehst mich. Vielleicht gehörte er mit zur Besatzung des holländischen Wracks. Dann aber ist meine Ansicht, daß es besser ist, einen Feind immer vor Augen zu haben, als ihn heimlich hinter sich zu wissen.«

      Nach einer Viertelstunde kam Goliath zurück, zwei elegante Koffer tragend, er selbst aber in einen groben Arbeitsanzug gekleidet.

      Wahrhaftig, ich war überrascht, daß er überhaupt wiederkam! In den letzten Minuten, da ich mit etwas anderem beschäftigt gewesen war, hätte ich das alles fast für einen Traum gehalten.

      Doch nun war es auch zu nehmen, wie es einmal war. Es war kurz vor Mitternacht, meine Leute kamen nach und nach an Bord zurück.

      »Hast du deine Rechnung an Land abgeschlossen, Goliath?«

      »Ich habe nichts mehr an Land zu suchen, Massa.«

      »Ich werde deinetwegen auch keine Unannehmlichkeiten haben?«

      »Was für Unannehmlichkeiten?«

      »Mit der Polizei.«

      »Massa soll mich blutig schlagen, wenn ich nicht die Wahrheit spreche, daß dem nicht so ist.«

      »Gut. Du wirst heute nacht hier schlafen. Morgen sprechen wir weiter darüber, wie ich dich verwenden werde.«

      Ich hatte die nächste Fremdenkabine geöffnet, der Neger trat mit seinen beiden Koffern ein.

      »Bist du hungrig?«

      »Nein, Massa.«

      »So schließe ich dich jetzt ein.«

      »Wie Massa will.«

      Ich tat es, machte noch die Wache darauf aufmerksam, daß ich einen schwarzen Gast an Bord habe, teilte den Leuten sonst natürlich nichts weiter mit, dann suchte ich selbst meine Kabine auf.

      DAS VERSCHWUNDENE WRACK, UND WIE ICH EINEN SCHÄDEL RASIERE.