Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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beträchtliche Entfernung, bis hierher in den Hafen zu uns war es nicht viel weiter, und so griffen sie zu den Rudern, um mir gleich direkt die Kunde zu bringen von dem Raube – von einem Diebstahl, wie er wohl selten geschehen ist. Denn gleich ein ganzes Schiff von der Reede zu stehlen, oder man kann auch gleich sagen, aus dem Hafen, denn das Wrack hatte ganz dicht vor dem Hafen gelegen, dazu gehört doch schon etwas.

      Das war alles, was mir Bruno berichten konnte, während ich das bei dem flauen Winde nur langsam in Fahrt kommende Schiff steuerte. Aeußerlich war ich ganz ruhig, kalt teilten sich meine Blicke zwischen Kompaß und den Signalfeuern, welche die Hafeneinfahrt markierten, innerlich aber kochte bei mir noch eine furchtbare Aufregung, die man wohl begreifen kann.

      »Geschwärzt hatten sie ihre Gesichter?«

      »Nur manche. Andere trugen richtige schwarze Masken.«

      »Oder waren es Neger?«

      »Nee, Käpt’n, es waren Jan Maate wie wir.«

      »Hörtest du sie nicht sprechen?«

      »Das wohl, aber es war ein Kauderwelsch, was ich nicht verstand – ja und doch, zweimal hörte ich das Wort Minajorka, was der Klabautermann immer sagt. Den haben sie doch nicht etwa gar auch gemaust?« setzte Bruno erschrocken hinzu.

      In diesem Augenblick ertönte auf der Brücke das Klingelzeichen, daß der Dampf die nötige Spannung habe, das Kesselwasser war ja noch von heute früh ganz heiß gewesen – und ich signalisierte zurück, Volldampf voraus zu geben.

      Die Schraube begann sich zu drehen, immer schneller und schneller, bis alle Planken zitterten, und da ward ich mir bewußt, was für ein Risiko das war, hier so allein ohne Lotsen aus dem mir unbekannten Hafen zu steuern, die Nacht brauchte gar nicht so stockfinster zu sein.

      Ein Hafen gehört eben immer mit zur Küste, mag er auch noch so offen sein, und die Küste ist dem Schiffer, wenn er sie nicht wie seine Tasche kennt, immer gefährlich, sogar bei Tage.

      Heute früh, als uns der Lotse hereinbugsierte, da hatte ja alles ganz bequem ausgesehen, aber ich hatte doch auch einmal in die vor ihm liegende Peilkarte geblickt, die sich jeder Lotse selbst macht, da gab es Untiefen und Klippen genug, zumal hier, wo es sich um eine noch junge Negerrepublik handelte, die weder das Geld noch die Tatkraft hatte, um jede Klippe gleich aus dem Wege zu schaffen.

      Aber bestand die einzige Möglichkeit, den Dampfer mit dem Wrack zu bekommen, nicht darin, ihm sofort mit größter Schnelligkeit nachzujagen?

      Hier handelte es sich um Minuten, um Sekunden.

      Wiederum lag in meinen Händen das Leben von …

      Während ich noch so fieberhaft grübelte, ob oder ob nicht, ob das Risiko nicht Tollheit sei, kam mit leichten Sätzen eine dunkle Gestalt die Treppe zur Brücke heraufgesprungen, und vor mir stand der fremde Neger, den ich in seine Kabine eingeschlossen hatte, allerdings den Schlüssel draußen stecken lassend. Massa, gebt mir das Steuer, ich kenne die Fahrt aus dem Hafen!«

      Ich weiß nicht, in diesem Augenblick war mir, als ob es mir wie Schuppen von den Augen fiele – ich schob Bruno ans Steuerrad, um den Nigger vorn an der Brust zu packen.

      »Du bist mit den Räubern im Bunde – nun willst du uns auch noch auflaufen lassen, gestehe es, Schurke!«

      Ich wollte ihn schütteln – aber der schwarze Kerl ließ sich nicht schütteln, stand wie ein eingewurzelter Baumstamm – und da erwachte erst recht in mir der Grimm, jetzt hob ich ihn aus und schmetterte ihn gegen die Wand des Kartenhäuschens, daß Holz und Knochen krachten.

      »Was, du schwarzer Hund, mir, mir willst du widerstehen? Gestehe, daß du mit den Räubern im Bunde bist!!«

      Obgleich ich ihn so unsanft behandelt hatte, ihm vielleicht auch einige Rippen gebrochen haben konnte, blickte er mich mit seinen offenen, klugen Augen ganz lustig an.

      »Bei Gott dem Allmächtigen, an den ich glaube,« sagte er feierlich, »ich weiß nichts von den Räubern und will nur Euer Bestes, Massa.«

      Es war in einer Weise gesprochen, daß sich gleich mein Griff lockerte. Nur noch etwas Mißtrauen blieb.

      »Woher weißt du denn überhaupt, daß das Wrack gestohlen worden ist?«

      »Ich hörte in meiner Kabine durch die dünne Wand, wie jemand, wahrscheinlich ein Steuermann es einem anderen mitteilte, den er mit Doktor anredete.«

      Das konnte allerdings sein, neben jener befand sich die des Arztes, der freundschaftlich mit dem ersten Steuermann verkehrte.

      »Und der Steuermann,« fuhr der Neger fort, »drückte seine Besorgnis aus, daß der Kapitän nun gleich mit Volldampf dem Piraten nachjagen wolle, also doch zuerst zum Hafen hinaus, ohne die Einfahrt genau zu kennen, ohne einen Lotsen an Bord zu haben. Da donnerte ich gegen meine Tür, sie wurde geöffnet, ich eilte hierher.«

      »Und du kennst hier die Ein- und Ausfahrt?«

      »Ich kenne sie.«

      »Wie kommt das?«

      »Ich war früher selbst Lotse, habe oft genug Schiffe hier ein- und ausgeleitet.«

      Wenn dem so war, dann war jegt auch keine weitere Zeit zu Erklärungen.

      »Gut, übernimm das Steuerrad, aber ich bleibe hier stehen, und sobald ich auch nur den Kiel knirschen höre, bist du ein toter Mann. Verstanden?«

      Goliath griff in die Speichen, gab dem Schiffe gleich eine ganz andere Richtung, die ich niemals gewählt hätte, sie deuchte mir gerade die allergefährlichste, doch schon bald hatten wir die mit Riffen verbarrikadierte Hafeneinfahrt hinter uns, befanden uns in der offenen See.

      Aber es nützte nichts, daß ich die ›Sturmbraut‹ mit Volldampf hin und her schießen und große Kreise beschreiben ließ, ab und zu eine Magnesiumrakete abfeuerte, welche das Meer weithin erleuchtete.

      Ich hatte von vornherein nur mit einem Zufall gerechnet, daß wir den Dampfer mit dem Wrack noch erwischten, dieser Zufall war nicht eingetreten, und nun verringerte sich die Möglichkeit, daß wir den natürlich ohne Lichter fahrenden Dampfer noch erspähen würden, mit jeder Minute. Denn während wir immer hin und her kreuzten, fuhr der doch immer geradeaus.

      »Sie sollen uns dennoch nicht entkommen,« sagte ich zu Blodwen. »Wir fahren zurück, ich benachrichtige sofort telegraphisch sämtliche Seemannsämter und Hafenbehörden. Dieses holländische Wrack an sich war schon etwas Rätselhaftes, aber es war unsere gute Prise – und nun wird es uns von einem geheimnisvollen Dampfer wieder aus den Zähnen gerückt, — i, diesem Dampfer muß man jetzt doch mit Leichtigkeit auf die Spur kommen können! Einmal muß er doch irgendeinen Hafen anlaufen, außerdem werden alle nach Erhalt meiner Zirkulardepesche abgehenden Schiffe davon benachrichtigt — nein, so ein ganzes Schiff kann heutzutage nicht mehr den gemeinsamen Nachforschungen entgehen.«

      Ich sollte später noch darüber nachdenken, was ich da geschwatzt hatte! Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, also auch auf dem Wasser, von denen sich unsere Schulweisheit nichts träumen läßt.

      »Du meinst,« fragte Blodwen, »das sei derselbe Dampfer gewesen, welcher auch schon das holländische Wrack geschleppt hat?«

      »Na, das ist doch ganz sicher! Der Dampfer hat im Sturm den Holländer vom Schleppseil verloren, hat erfahren, daß das Wrack jetzt in Monrovia liegt, wollte das Rückkaufgeld oder die Prämie für Bergungsarbeiten ersparen, und da hat der Betreffende das Wrack lieber gleich gestohlen.«

      »Richard, das klingt doch eigentlich etwas ungeheuerlich.«

      Ja, das dachte ich selber. Meinem Steuermann oder sonst einem Seemann hätte ich solch eine Erklärung gar nicht zu geben gewagt. Mir war konfus im Kopfe. Wir standen eben alle vor unlösbaren Rätsel, und das Beste war, lieber gar nicht darüber zu sprechen, denn es konnten doch nur unsinnige Vermutungen werden.

      »Es ist nur gut, daß sie nicht auch unsern Klabautermann gestohlen haben,« hörte ich einen Matrosen zum anderen sagen.

      »Die dachten eben,«