Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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Für einen ganz gewissenhaften Leser sei bemerkt, daß ich meine eigene Kabine hatte, neben der Blodwens liegend. Bei einem Kapitän, der immer auf dem Posten sein muß, dessen Tür immer offen ist, weil jeden Augenblick jemand hereinstürzen kann, ist das wohl nicht anders möglich.

      »Käpt’n, der Klabautermann will sterben!«

      Ich war schon aus der Koje, in der ich wie gewöhnlich ziemlich angekleidet lag.

      »Ist der Arzt bei ihm?«

      »Den haben wir schon geholt.«

      »Was fehlt ihm?«

      »Das weiß der Doktor noch nicht – er will sterben.«

      Als ich mich in der Foxl befand – also im Mannschaftslogis – wo der Klabautermann die beste Koje eingeräumt bekommen hatte, konnte ich nur konstatieren, daß der alte Holländer nur geträumt hatte, und ebenso alle Matrosen, die jetzt ängstlich an der Koje standen.

      »Minajorka, Minajorka,« hatte der Alte im Traume kläqlich gewinselt, ein Matrose hatte es vernommen, schnell alle seine Kameraden geweckt, und da der Klabautermann weiter winselte, wurde der Arzt geholt, dann sogar ich, obgleich Doktor Selo gleich gesagt hatte, daß ja gar nichts vorläge.

      Jedenfalls aber zeigte dies doch, wie sehr die ganze Mannschaft den Klabautermann abergläubisch verehrte. Weil er einmal im Schlafe gesprochen hatte, was er sonst nie tat, deshalb mußte er nun gleich krank sein – gleich dem Tode nahe.

      Da er aber nun einmal wach war, winselte er auch weiter.

      »Seid Ihr krank?« fragte Doktor Selo.

      »Minajorka,« war die stereotype Antwort, so recht aus Herzensgrunde geseufzt, und ein anderes Wort hatten wir noch immer nicht aus seinem Munde zu hören bekommen.

      »Fehlt Euch etwas?«

      »Minajorka!«

      »Habt Ihr Durst?«

      »Minajorka!«

      »Zeigt mal Eure Zunge!«

      »Minajorka.«

      »Ich kann durchaus nichts an ihm finden,« sagte Doktor Selo, nachdem er den Puls geprüft hatte. »Nicht das geringste Fieber.«

      »Einfaltspinsel!« schalt ich die Matrosen. »Weil er einmal im Traume gesprochen hat, deshalb macht ihr das ganze Schiff rebellisch?!«

      »Nee nee, er ist krank,« blieben aber die Matrosen bei ihrer Behauptung.

      »Na, was soll ihm denn fehlen?«

      »Er seufzt sein Minajorka ganz anders als sonst.«

      »Minajorka, Minajorka!!« erklang es nochmals winselnd.

      »Da – da – gleich zweimal hintereinander, das hat er noch niemals getan – der ist krank.«

      Gegen solche Argumente war freilich schwer anzukämpfen. Die Matrosen mußten schon ein feines Ohr für diese Seufzerei bekommen haben, und nun gar gleich zweimal hintereinander … es war eben ihr Klabautermann.

      Schon wollte ich wieder gehen, warf noch einen Blick auf das ausgedörrte Männchen, als dieses plötzlich mit stieren Augen in seiner Koje in die Höhe fuhr und …

      »Minajorka!!« erklang es, aber diesmal nicht seufzend, sondern schreiend, und zwar mit einer Stimme, die einem durch Mark und Bein ging.

      Ich kann nur sagen, daß auch ich wie alle umstehenden Matrosen und Heizer förmlich entsetzt zurückprallte. Wir hatten dieses Wort eben bisher so einige hundert Male nur seufzen hören, immer mit derselben schwermütigen Miene, und nun mit einem Male dieser wilde Klang, dazu auch das entsprechende Gesicht, alles total verändert…

      »Minajorka, Minajorka!!« zeterte der Alte noch einmal in schrillstem Tone, mit allen Zeichen des Entsetzens, seine Haare sträubten sich …

      Da erscholl draußen der Alarmpfiff der Wache. Schritte trampelten auf Deck, ich stürzte hinaus.

      Wilm hatte wieder Wache, und der neben ihm Stehende war Bruno, der jetzt auf dem holländischen Wrack sein sollte, so wie die drei anderen Matrosen, die sich soeben über die Bordwand schwangen.

      »Bei Gottes Tod, woher kommt ihr?« schrie ich.

      »Der Holländer – der Holländer …« stöhnte Bruno, nach Atem ringend.

      »Wo ist das holländische Wrack?« schrie ich, den Matrosen bei den Schultern rüttelnd.

      »Fort – weg – gestohlen!«

      Ich wendete den Kopf-jawohl, dort leuchteten die farbigen Seitenlichter des englischen Seglers, dort die Toplaterne des französischen Dampfers, dazwischen sollten die ausgesteckten Signallichter des Wracks sein – aber sie waren eben nicht mehr da!

      »Gestohlen?!«

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      »Wir sind überfallen worden – es war ein kleiner Dampfer – wir wurden gebunden – ins Boot geworfen – sie hatten Masken vorm Gesicht – nur den einen konnte ich zu Boden schlagen – einem habe ich mein Messer zwischen die Rippen gejagt – sie nahmen das Wrack ins Schlepptau … «

      So klang es durcheinander. Ich hatte nur das Letztere gehört.

      »Alle Hände an Deck! Die Heizer an die Feuer!! Werft Speckseiten hinein!!«

      So schrie ich, und die Bootsmannspfeife schrillte, in der Takelage wurde es lebendig, und der Schornstein begann Funken zu sprühen.

      Verfolgung, das war das einzige, was es hier gab, und ganz auf sich selbst verlassen, nicht etwa erst die Polizei an Land alarmieren, weiter fehlte nichts, und schon begannen sich die Segel zu entfalten, und ich selbst stand am Steuer, um die Fahrt aus dem Hafen ohne Lotsen zu wagen.

      Dann ließ ich mir den Bruno kommen, den ich für den intelligentesten hielt, und ließ mir mit einiger Ruhe alles ausführlich erzählen.

      Vor kaum zehn Minuten war es passiert. Bruno und Hein hatten Wache. Lichter und alles in tadelloser Ordnung.

      Da war es den beiden gewesen, als ob sich dem Wrack ein großes Fahrzeug nähere, ein Dampfer. In einiger Entfernung waren Funken aufgesprüht. Aber die mondlose, wolkenbedeckte Nacht war stockfinster, und hätten sie Lichter gesehen, dann hätten sie natürlich gleich gewußt, woran sie gewesen.

      Als die beiden noch so spähten und lauschten, an einen Irrtum glaubend, waren plötzlich eine Menge dunkle Gestalten über die Bordwand gesprungen, erst im Scheine der Laternen des Wracks etwas erkenntlicher werdend – eben Matrosen, wie solche gekleidet, aber Masken oder Lappen vor dem Gesicht, dieses vielleicht auch nur mit Ruß geschwärzt.

      Es war eben alles, alles viel zu schnell gegangen, als daß die beiden deutlich etwas unterscheiden konnten.

      Ein Ueberfall durch Hafenpiraten. Das Messer heraus und die Hand zur Faust geballt. Bruno wollte einen gestochen, Hein einen niedergeschlagen haben. Sonst hatten sie nicht einmal Zeit, auch nur einen Schrei auszustoßen.

      Im Nu waren sie überwältigt, von der Menge erdrückt, gebunden und geknebelt, und dann ebenso die beiden anderen, als diese auf das Getrampel hin schlaftrunken unter der Back hervorgestürzt kamen.

      Sie wurden in das Boot hinabgebracht oder mehr geworfen, wenn auch nicht gerade rücksichtslos – in mein eigenes Boot, welches ich doch der Wache des auf Reede liegenden Wracks hatte lassen müssen, und da sahen die hilflosen Matrosen auch schon, immer nur im Scheine der Schiffslaternen, wie ein kleiner Dampfer dicht herankam, die Verbindung durch das Schlepptau wurde hergestellt, die beiden Ankertaue wurden einfach durchschnitten, eine mächtige Feuergarbe aus dem Schornstein, und fort ging es.

      Der eine Matrose war sehr oberflächlich gebunden worden, vielleicht sogar mit Absicht, er konnte sich ohne besondere Schwierigkeit seiner Bande entledigen, er befreite die anderen, und nun, ohne Knebel im Munde, hätten sie um Hilfe schreien können.

      Ich verdachte ihnen