Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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      »Richard, um Gottes willen, vergiß dich nicht so!!«

      »Halt’s Maul, ich weiß genau, was ich tue. Also – du – willst – mir – nicht – sagen, was für ein Schiff das ist?«

      Der Mann war unter meinen Fußtritten zusammengebrochen; aber kein Schmerzenslaut war von seinen Lippen gekommen, und nur um so trotziger, freilich auch mit einem furchtbaren Haß blickte er mich von unten auf an.

      »Henkt mich, foltert mich, bratet mich – von mir erfahrt ihr Hunde nichts!!!« zischte er.

      »Das wollen wir sehen. Na, da komm mal mit, mein Junge!«

      Zunächst ließ ich ihm die Hände auf den Rücken binden, dann packte ich ihn beim Kragen, stellte ihn auf die Beine und schob ihn so nach der Kajüte.

      »Bruno und ihr anderen drei, ihr kommt mit!«

      In der Kajüte setzte ich ihn ganz anständig auf die Bank. Außer den vier Matrosen war noch Blodwen gefolgt, sonst natürlich kein anderer.

      Es war ein Mann von vielleicht dreißig Jahren – über sein Aeußeres ist sonst gar nichts weiter zu sagen. Ein Matrose mit arbeitsschwieligen Händen. Also keine Uniform, sondern grobes Arbeitszeug, wie solches auch jene maskierten Männer getragen hatten. Hierbei bemerke ich, daß auch meine Leute nur eine Art von Uniform trugen, wenn wir in einen Hafen einliefen, und sie waren immer schwer in die Uniform zu bekommen, hatten sie ja überhaupt nur so lange getragen, als wir in London gelegen hatten. Auch Karlemann hatte darüber oft genug seinen Spott ausgegossen, und ich selbst hatte durch das mehr kriegsmäßige Aussehen der Leute eigentlich nur Blodwen eine Freude machen wollen, ich selbst trug nie solch einen Klimbim.

      »Nun einmal heraus mit der Sprache. Wer seid Ihr?«

      Der Mann kniff nur die Lippen zusammen.

      »Ihr wollt mir nicht antworten?«

      »Nein!«

      »Richard, ich bitte dich,« flehte Blodwen, »brauche nicht wieder Gewalt!«

      »Pshaw, dieser Mann weiß ganz genau, was er von mir zu erwarten hat. Doch sei ruhig, Blodwen, ich werde ihn nicht mehr prügeln, da ich nun weiß, daß es nichts hilft. Verstehst du? Es freut mich sogar, daß es kein Waschlappen ist. Aber antworten soll er mir dennoch.«

      »Ich werde nicht antworten.«

      »Wollen sehen. Wenn ich Euch vernünftig behandeln will, wie Ihr eben gehört habt, werdet auch Ihr vernünftig sein.«

      »Ich bin vernünftig.«

      »Gehört Ihr zu dem Schiffe, welches das holländische Wrack von der Reede von Monrovia geschleppt hat?«

      »Meinetwegen, das kann ich sagen – ja, ich gehöre zur Besatzung dieses Dampfers.«

      »Hattet ihr das Wrack auch schon vorher im Schlepptau?«

      »Ja.«

      »Ihr verlort es vor drei Tagen?«

      »Ja, vor drei oder vier Tagen, in einer Sturmnacht.«

      Man sieht, ich war doch ganz vernünftig gewesen. Der Mann, der erst nicht antworten wollte, wurde jetzt ganz mitteilsam. Dazu hatte aber doch erst unbedingt gehört, ihm zu beweisen, daß ich nicht mit mir spaßen ließ.

      Freilich hatte seine Mitteilsamkeit eine baldige Grenze.

      »Was für ein Dampfer ist das nun?«

      »Das sage ich nicht.«

      »Weshalb nicht?«

      »Ich habe geschworen.«

      »Was habt Ihr geschworen?«

      »Nichts zu verraten.«

      »Das heißt wohl mit anderen Worten: ein Schwur bindet Eure Zunge.«

      »Jawohl, so ist es! Henkt mich, foltert mich, bratet mich – von mir erfahrt Ihr nichts!«

      »Hört, Mann, das hättet Ihr Euch ersparen können, denn dasselbe habt Ihr mir schon vorhin gesagt. Gut, wenn Ihr einen Schwur abgelegt habt, dann müßt Ihr ihn auch halten, und wenn man Euch auch tausendmal auf die teuflischste Weise das Leben nähme. Sonst seid Ihr kein Kerl. Versteht Ihr mich?«

      Ich glaube, besser und schlauer hätte ich gar nicht sprechen können. Der feindselige Blick des Mannes wurde mit einem Male ganz vertrauensvoll. Wirklich, an mir war ein ausgezeichneter Pastor verloren gegangen.

      »Nun müßt Ihr aber doch zugeben,« fuhr ich fort, »daß wir das Wrack ganz ehrlich als gute Prise gefunden hatten. Wie?«

      »Eigentlich, ja,« meinte er zögernd.

      »Gar nicht eigentlich, sondern das ist ein Faktum. Kennt Ihr die Verhältnisse, wie wir das Wrack fanden?«

      »Ja.«

      »Wie ich dem amerikanischen Schoner zuvorkam?«

      »Ja.«

      »Das ist Euch bekannt?«

      »Jawohl.«

      »Woher wißt Ihr denn das?«

      »Weil Ihr doch sel… ich darf nichts verraten.«

      Weil ihr es doch selbst erzählt habt, hatte er sagen wollen – nämlich in Monrovia. Die hatten ganz einfach in Monrovia spioniert. Nur solch ein kleiner Dampfer, wie Bruno ihn beschrieb, hatte gar nicht im Hafen gelegen, höchstens ganz kleine Küsten- und Hafendampfer, die wiederum nicht in Betracht kommen konnten.

      »Dieses holländische Wrack gehörte doch vorläufig uns, nicht wahr?«

      »Nicht so ganz.«

      »Weshalb nicht?«

      »Es war doch noch ein Mann darauf.«

      »Ah, der Klabautermann!« entfuhr es mir.

      Der Matrose antwortete nicht, er grinste nur.

      »Konnte da der Eigentümer des Holländers oder der Kapitän des Dampfers, der das Wrack schleppte, nicht zu mir kommen und sagen: so und so, was willst du für die Bergungsarbeiten haben – konnte er das nicht, wenn er ein ehrlicher Mann war?«

      »Wenn er aber nun kein Geld dazu hatte, das Wrack auszulösen?«

      »Pshaw, Mann, macht mir doch nichts vor. Nein, er ist eben kein ehrlicher Mann, sondern ein Spitzbube – er hat mir das Wrack gestohlen.«

      »Der hat das Stehlen nicht nötig,« grinste der Matrose wieder.

      »Na, da seht, wie Ihr Euch widersprecht! Dann ist die Sache eben die, daß er sich mit mir gar nicht erst in Verbindung setzen wollte, weil mit diesem holländischen Wrack ein Geheimnis verbunden ist, das kein fremder Mensch erfahren darf.«

      »So ist es,« nickte der andere, immer wieder grinsend.

      »Was für eine Bewandtnis hat es mit dem Klabautermann?«

      »Den werden wir euch auch noch bald genug ausspannen,« wurde wieder gegrinst.

      Da aber gab es einen sogenannten Backs, nämlich von meiner Hand, und der Matrose lag unterm Tisch. Meine Leute holten ihn hervor und setzten ihn wieder auf die Bank.

      Jetzt grinste er nicht mehr, wuterfüllt blickte er mich an.

      »Das sollt Ihr mir büßen, das sollt Ihr mir büßen!« knirschte er.

      »Ruhe, sonst gibt’s auch noch auf Steuerbordseite einen Backs. Ihr seht, ich spreche mit Euch doch ganz ruhig und vernünftig, aber wenn Ihr mir so kommt, Euch auch noch rühmt, ein Schuft und Spitzbube zu sein, mich sozusagen veralbern wollt, dann gibt’s Haue. Verstanden?«

      »Wir sind keine Spitzbuben.«

      »Na, habt Ihr nicht schon das Wrack richtig gestohlen?«

      »Das ging nicht anders zu machen, und Eure Belohnung werdet Ihr schon bekommen.«

      Aha, jetzt änderte sich die Sache