Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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Blodwen, ich bin ein tüchtiger Kapitän. Das sage ich ohne jede Renommage. Zwar habe ich mir direkt als Kapitän noch keinen Namen gemacht, aber wir haben unsere Verbindungen, ich brauchte nur zu irgendeiner Versicherungsgesellschaft zu gehen, sage, daß ich der und der bin, gebe ein paar Referenzen von Kapitänen auf, ich suche für mein Schiff Fracht – paß auf, wie die Handelsherren gelaufen kommen … «

      »Nein, nur das nicht, Richard!« unterbrach mich Blodwen mit erhobenen Händen. »Arbeiten wollen wir – aber nur nicht für fremde Leute!«

      Ich verstand sie sofort. Es war eben die Lady Blodwen von Leytenstone.

      »Nein, Blodwen, das will ich auch nicht. Doch abgesehen davon, daß ich mich als Geschäftsmann blamiert habe – das war hauptsächlich Pech, nevermind – so passe ich auch in anderer Weise nicht zu selbständigen Geschäften. Ich muß gestehen, daß ich alle diese Geschäfte mit Unlust abschloß, ich war die ganzen Tage gedrückt, es ist ein Widerwillen, den ich gegen solche Schachergeschäfte mit Handelsjuden habe, ich sehnte mich immer … «

      »Ich verstehe, ich verstehe, Richard, du sprichst ja mir aus dem Herzen! Aber war es nicht immer dein Wunsch, ein eigenes Schiff zu besitzen, und wolltest du es nicht mit eigener Ladung befrachten?«

      »Nein, ich hätte Ladung angenommen. Doch laß dir noch einen anderen Vorschlag machen. Weißt du, was man unter chartern versteht?«

      »Mieten.«

      »Jawohl, ein Schiff mieten oder vermieten.«

      »Wir wollen unser Schiff vermieten?« fragte sie erschrocken.

      »Nein, aber einen sogenannten Charter-Kapitän engagieren. Das ist einfach ein Agent oder ein Sekretär, ein richtiger Kaufmann, der alles versteht, also ein Schiffsmakler, der aber immer mit an Bord ist, auch etwas von Seemannschaft verstehen muß, da ihm auch das Verstauen der Ladung überlassen bleibt, und der daher den Namen Charter-Kapitän führt.«

      Ich erklärte ihr weiter, was ich beabsichtigte. Sie hatte mir aufmerksam zugehört. Recht niedergeschlagen saß sie da.

      »Dazu muß das Schiff doch versichert werden.«

      »Das ist nicht nötig. Im Gegenteil, ein unversichertes Schiff bekommt viel eher Fracht, weil man doch annimmt, daß man mit einem unversicherten Schiffe viel vorsichtiger umgeht.«

      »Aber die Fracht muß versichert werden.«

      »Ja, du lieber Gott, wenn man nicht wieder einmal eine halbe Million futsch gehen lassen will – freilich.«

      Ganz erbärmlich blickte mich Blodwen von unten auf an.

      »Richard, weißt du denn nur gar nicht, wie mir bei solchen Vorschlägen zumute ist?« fragte sie mit weinerlicher Stimme.

      Verdammt, ja, ich wußte es! Und sie hatte recht! Wir paßten ja alle beide nicht zum Kaufmann. Und wenn ich so viel Geld gehabt hätte, wäre es mir auch niemals eingefallen, Schacher zu treiben. Es gibt doch noch andere nützliche Tätigkeit.

      »Na, Blodwen, da will ich dir einen andere Vorschlag machen, der deine Zustimmung wohl finden wird. Mir ist es ja nur darum zu tun, daß wir nicht so ganz und gar planlos wie bisher in der Welt herumkutschieren; denn das ist schrecklich, das halte ich auf die Dauer nicht mehr aus.«

      »Nun, was für ein Vorschlag ist das?«

      »Wir heben einfach unsern Schatz vom Meeresboden wieder ab, das sind noch immer sieben Millionen, darunter fünf in Bar, die legen wir wie jeder andere vernünftige Mensch verzinslich an, zu vier Prozent, oder, um todsicher zu gehen, zu drei Prozent in Staatspapieren, wir haben also noch immer jährlich allermindestens zehntausend Pfund zu verzehren, und damit kann man solch ein Schiff wie dieses noch immer fein unterhalten.«

      »Und nun die Arbeit, ohne die du nicht leben kannst?«

      »Wie gesagt, muß es denn immer gerade Schacher sein? Wenn ich’s nicht nötig habe, tue ich’s auch nicht. Wir können der Menschheit auch in anderer Weise nützliche Dienste leisten.«

      Und ich zählte sie auf. Forschungsexpeditionen. Das brauchten nicht gerade wissenschaftliche zu sein. Vergangenes Jahr hatte ein englisches Kriegsschiff den Polynesischen Archipel untersucht und gleich auf drei Koralleninseln Niederlassungen von Weißen gefunden, die sich ganz selbständig entwickelt hatten. Es waren entweder Schiffbrüchige gewesen oder Missionare mit ihren Familien, die nun ein Robinsonleben führten, aber wie Robinson Crusoe durchaus keine Lust hatten, ihre Eilande mit allem, was sie darauf aus eigener Kraft geschaffen, wieder zu verlassen.

      Reizend war die Schilderung der patriarchalischen Verhältnisse auf diesen Inseln gewesen. Immer wieder eine neue Robinsonade, jede Kolonie hatte sich immer wieder ganz anders entwickelt.

      Das hatte Anregung zu einer literarischen Debatte gegeben, zahllose Briefe von Kapitänen liefen ein, auch sie konnten von solchen Robinsons erzählen, die sich mit Schwarz oder Braun vermischt und ein selbständiges Volk geliefert hatten – kurz, in der Welt gibt es so viele einsame Inseln mit Robinsons, wie wir uns gar nicht träumen lassen, nicht einmal die phantastischen Jugendschriftsteller – und ein Geschichtsprofessor hatte darauf hingewiesen, daß es eine ernste Aufgabe sei, alle diese Inseln aufzustöbern, zu untersuchen, mit Forscheraugen die Entwicklung der Insulaner rückwärts zu verfolgen und zu beschreiben – das sei etwas ganz anderes, als die Weltgeschichte oder die Entwicklung der Menschheit aus Büchern zu studieren, die nur von Theorien diktiert sind …

      »Siehst du, Blodwen, das wäre so eine Aufgabe für uns! Wir können ja auch exakte Gelehrte an Bord nehmen, als Gäste, wir können sie besolden, wir geben Bücher heraus, und dann wird es dereinst heißen: die berühmte Forschungsreisende Lady Blodwen von Leytenstone …«

      Ich konnte nicht weiter sprechen, weil sie mir jubelnd um den Hals gefallen war.

      Ja, das war so etwas für Blodwen! Ich Esel hätte überhaupt eher darauf kommen können. Dann hätte ich jetzt noch meine 37 000 Pfund Sterling gehabt, auch noch meine 400 Tonnen Kohlen, die wir gerade recht gut brauchen konnten …

      »Reichen die hundert Tonnen noch, um im Notfall zu dampfen?«

      »Die reichen sogar noch, um alle sieben Stellen aufzusuchen und auch wieder hierherdampfen zu können, wenn das nötig wäre.«

      »Und Proviant?«

      »Noch massenhaft vorhanden. Auch Trinkwasser brauchen wir noch nicht einzunehmen.«

      »Dann vorwärts, vorwärts!!« jubelte Blodwen mit lachendem Munde. »Gott, bin ich glücklich, daß die Baumwolle verbrannt ist – bin ich glücklich!!«

      Es sollten denn auch sofort die Anker gelichtet werden. Ein ganz neues Leben war in uns alle gekommen; denn die Kunde von unserem neuen Vorhaben hatte sich schnell durch die Offiziere, die ich einweihte, unter der ganzen Mannschaft verbreitet.

      Hierdurch erfuhr ich auch etwas, was auf mich einen tiefen, einen gewaltigen Eindruck machte.

      Ich hatte damals gesagt, die Bootsruderer hätten, als ich das erstemal an Land ruderte, recht finstere Gesichter gemacht. Jetzt erfuhr ich den Grund davon.

      An Bord meines Schiffes war eine Rebellion ausgebrochen; allerdings keine strafbare. Auch meine Leute hatten das Verhalten Blodwens, obgleich sie nicht von ihr kujoniert worden waren, satt gehabt. Etwas dazu angetrieben, gestand mir der erste Offizier ganz offen, daß sie nicht mehr unter meinem Kommando fahren wollten, ihnen behagte dieses Weiberkommando nicht mehr, usw.

      Das hatten sie mir sofort in Kapstadt vortragen, ihre Abmusterung verlangen wollen. Es hatte sich nur verzögert, weil einige darunter waren, die mich als Freunde nicht so ohne weiteres verlassen wollten, man wollte mir erst Vorstellungen machen, daß doch auch ich dieses Weiberschiff verlasse.

      Da kam der Brand dazwischen, die Leute sahen, wie wir eins nach dem anderen verloren, sogar dieser gottverd … Schiffsarzt – einen Verräter, solch einen Halunken an Bord gehabt – und dann mußte ich meine eigenen Leute anpumpen – kurz und gut, wie ausgeblasen war alles – und nun kam ja auch noch dazu, daß sich Blodwen, obgleich in ihrer Hoffnung so furchtbar getäuscht,