Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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Sand eine ovale Spur eingegraben – das war nichts anderes als die Bleisohle eines Tauchers!

      Die Spur, welche so tief unter der Wasserfläche nicht wieder zerstört, nicht weggespült werden konnte, lief hin und her und kreuz und quer – der Besitzer dieser Bleisohlen hatte schon vor mir die Ketten und die Ringe des Aschantihäuptlings aufgesammelt – nur einen kleinen Fingerring hatte er übersehen – ich hob ihn auf, brachte ihn an das Helmfenster …

      Gerechter Gott, wie ward mir da, als ich diesen schmalen Goldreifen, in den ein blauer Saphir gefaßt war, näher betrachtete!

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      Mit der größten Schnelligkeit ward ich emporgezogen, dort oben glaubte man, mir sei ein Unglück zugestoßen, so hatte ich an der Signalleine gerissen, »Na, endlich, diesmal hast du es gefunden!« sagte Blodwen, als ich den Helm losgeschraubt hatte.

      Weshalb sie zu diesem Glauben kam? Weil ich im ganzen Gesichte lachte, vor strahlendem Jubel.

      »Nein, ganz im Gegenteil – da unten ist wiederum nichts – nur dieser Ring – kennst du diesen Ring, Blodwen?«

      Immer größer wurden Blodwens Augen, als sie den Ring betrachtete.

      »Ja – wie ist mir denn – hat so einen Ring – so einen blauen Saphir – nicht Doktor Selo getragen?«

      »Natürlich,« sagte ich vergnügt. »Doktor Selo hat gewußt – alles – auch hier ist er uns zuvorgekommen – hier in dem weichen Sande hat er seine Spuren hinterlassen – und unabsichtlich auch seine Visitenkarte in Gestalt dieses Ringes, der ihm vom Finger gefallen ist.«

      Versteht der geneigte Leser, weshalb ich plötzlich so vergnügt war? Und das war nicht etwa Galgenhumor. Nein, diese Lustigkeit war ungekünstelt.

      Weil ich jetzt Gewißheit hatte! Ich hatte mich nicht verrechnet, die Sonne ging keine falsche Bahn, noch konnte man sich auf die ewigen Himmelsgestirne verlassen – und unter den Menschen hat es ja immer genug Schufte gegeben, da war also gar nichts weiter dabei, daß uns der Schiffsarzt betrogen hatte.

      Als ich erkannte, daß ich einfach von einem Menschen bestohlen worden war, da war der fürchterliche Bann von mir genommen, da kam mein sonst so sorgloser Charakter wieder voll zum Durchbruch.

      Lange konnte diese lustige Stimmung natürlich nicht anhalten. Als Blodwen von meiner Entdeckung hörte, als sie begriff, da schloß sie die Augen, ihre Füße konnten sie nicht mehr tragen, und ich selbst sagte einige Flüche her, von denen ich hier keinen einzigen wiederholen will.

      O, was an diesem Tage an Bord meines Schiffes auf den krummnasigen Selo geflucht wurde, von der ganzen Mannschaft – der zehnte Teil dieser Last von Flüchen hätte genügt, um ihn tot zu quetschen.

      Woher konnte Selo das Geheimnis erfahren haben? Nun, so unerklärlich war das nicht. Daß wir etwas Geheimes trieben, wenn wir das Schiff so manchmal vor Anker gehen ließen, das mußte jeder geahnt haben, und der Schiffsarzt konnte wohl fähig gewesen sein, die Berechnungen nachzumachen. Außerdem hatte ich zuerst die notierten Bestimmungen auf der Brust getragen, Blodwen bis zuletzt, wir waren sehr sorglose Naturen, hatten auch manchmal darüber gesprochen … überhaupt hatte das jetzt gar keinen Zweck, das Wie und Warum zu erwägen, sondern jetzt handelte es sich darum, noch zu retten, was noch zu retten war.

      Es mußte angenommen werden, daß Selo einen Dampfer gemietet hatte – mit dem mir gestohlenen Gelde! – und daß er das Aufsuchen unserer unterseeischen Schatzkammern von Süden aus begonnen hatte. Und das war doch vor gar nicht so langer Zeit passiert. Vielleicht war er noch nicht bei der ersten Versenkungsstelle angelangt.

      Also mit Volldampf voraus!! Nicht weniger als neun Tage haben wir ununterbrochen gedampft. Dann verschwand ich unter Wasser und … wieder nichts!

      Ja, nun stand es faul. Dann hatte dieser saubere Schiffsarzt doch gewiß schon die ihm näherliegenden Geldschränke ausgeräumt, wenn er sogar hier schon gewesen war.

      Ich hatte Lust, mich gar nicht mehr darum zu kümmern. Aber der Pflicht mußte doch genügt werden. Es handelte sich um Millionen, um unsere Existenz – wenigstens als freie Seefahrer. Und vielleicht konnte Selo ja doch eine Versenkungsstelle übersprungen haben, und zuletzt hatten wir doch jedesmal rund 50 000 Pfund Sterling versenkt, das nennt man auch eine Million, und das ist doch gewiß, wie Karlemann sagte, ein hübscher Feng Geld.

      Ja, Karlemann, Karlemann, du Knirps warst schlauer als wir! Es gab mir wirklich viel zu denken.

      Kurz und gut, es waren noch fünf Stellen aufzusuchen, ich tat es, wozu wir gute zwei Wochen brauchten, unsere ganzen Kohlen verdampften – zwecklos!

      So, nun waren wir fertig. Kein Geld, keine Kohlen, keinen Proviant, kein Trinkwasser, kein … ich weiß gar nicht mehr, was uns alles noch fehlte.

      GEGENÜBER DEM NICHTS.

       Inhaltsverzeichnis

      »So, Blodwen, nun weißt du, wie es mit uns steht. Mit der Freiherrlichkeit zur See ist es vorbei.«

      Als ich das der Blodwen in der Kajüte ganz sachgemäß auseinandergesetzt habe, und ich fürchtete schon einen Ausbruch der Verzweiflung, da kriegt dieses Teufelsweib wieder einen Lachkrampf. Und zwar einen ganz natürlichen. Faktisch, es war die herzlichste Heiterkeit, die aus diesem Lachen sprach, als hätte ich einen famosen Witz gemacht.

      »Aber Blodwen, ich bitte dich, ist unsere Lage denn nicht furchtbar ernst? Die paar Groschen, die wir noch haben, schulden wir der Mannschaft – wir können jetzt nicht einmal einen Hafen anlaufen, das kostet Ankergeld, das Trinkwasser kostet Geld, heute mittag gibt’s die letzten Linsen – ist das nicht furchtbar ernst?«

      Endlich hatte sie sich beruhigt. Sie trocknete die Augen.

      »Nein, im Gegenteil, das finde ich furchtbar heiter.«

      Und da plötzlich war ich es, der in ein schallendes Gelächter ausbrach. Mich hatte es ja auch lange genug gekitzelt.

      Mit meinen Augen betrachtet, war die ganze Geschichte ja auch wirklich heiter. Eigentümer eines Dampfers von 1000 Tonnen, alles aufs modernste, prachtvoll eingerichtet, ohne Schulden, d. h. ohne Hypothek, eine Versicherung gar nicht nötig habend, statt der vorschriftsmäßigen acht Matrosen gleich vierzehn an Bord, nur so aus Liebhaberei – und dabei keine Kohlen, kein Geld – die Feuerungsanlagen mußten schon jetzt so hungern wie wir es bald auch würden.

      Wie sagen doch gleich die Handwerksburschen, wenn sie mit hungrigem Magen wandern müssen? Richtig, Kohldampf schieben. Das ist der technische Ausdruck. Auf uns paßte er noch viel besser. Wir schoben ebenfalls Kohldampf.

      Und nochmals: mit meinen Augen betrachtet, war die Geschichte auch wirklich heiter. Mit meinen Augen! Es war doch nicht mein Geld gewesen, im Grunde genommen war es doch nicht mein Schiff – ich hatte doch niemals etwas gehabt, konnte daher auch gar nichts verlieren. Und ich maß immer noch einen Meter vierundneunzig Zentimeter, ich konnte immer noch eine Speisekarte vor- und rückwärts abessen, und das nötige Geld dazu konnte ich mir immer noch verdienen.

      »Blodwen, jetzt müssen wir wirklich ernsthaft zusammen sprechen. Mit unserer Seefreiherrlichkeit ist es tatsächlich aus. Aber verloren sind wir deshalb noch lange nicht. Keine Ahnung davon. Wir müssen arbeiten … «

      »Also müssen wir jetzt doch fremde Fracht nehmen,« unterbrach sie mich.

      Au, davon hätte sie lieber nicht anfangen sollen! Jetzt blieb mir nichts anderes übrig, als sie auch noch hierin aufzuklären. Das arme Weib sollte eben den Kelch bis zum letzten Tropfen leeren.

      Ganz ruhig hörte mir Blodwen zu, höchstens noch mit einem recht heiteren Zug um den Mund, und als ich fertig war, da merkte ich, daß mein Mitleid ganz unangebracht gewesen war.

      »Was meinst du, Richard, wenn ich einmal ins Kitchen gehe?« fragte sie gemütlich, die Hände im Schoße gefaltet.