Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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da war schon der Name meines Schiffes als Anruf, nur abgekürzt. Wie es sich gehört, wenn man sich einem Leuchtturm nähert – wenn es auch nicht gerade Pflicht ist – war ohne meinen besonderen Befehl unser Signalement gezeigt worden – ›Sturmbraut‹, jetzt nach New-York gehörend, Kapitän Richard Jansen – dort auf dem Leuchtturm wurde der Name ›Sturmbraut‹ abgekürzt wiederholt, falls noch andere Schiffe in Sicht waren, obgleich dies nicht der Fall war.

      Ein bunte Flaggenreihe kletterte in die Höhe, das Signalbuch wurde befragt.

      »Kommt näher heran!« wurde übersetzt.

      Was wollten die von uns? Durch das Fernrohr, das ich jetzt benutzte, bemerkte ich noch etwas anderes.

      In dem Handbuch stand direkt, daß diese Felseninsel nur einen Leuchtturm besitze, auf englisches Verlangen von dem AschantiReiche mit zwei Wächtern unterhalten, sonst sei sie unbewohnt – und jetzt sah ich darauf, oder doch an den Rändern des hohen Plateaus, eine ganze Masse Menschen wimmeln, die klebten sogar an den scheinbar ganz glatten Felswänden, krabbelten dort auf und ab, gerade wie die Baumameisen.

      Weshalb aber nun die Aufforderung, näher zu kommen?

      »Weshalb?« ließ ich fragen.

      Da kam als Antwort nur ein Name, doch sicherlich der des Anrufers: Kapitän Algots.

      Karlemann! Uns ging es wie ein elektrischer Schlag durch alle Glieder. Eben hatten wir so lebhaft an ihn gedacht, und da mit einem Male, als wir uns einer unbewohnten Leuchtturminsel an der Goldküste nähern, paradiert an der Flaggenstange sein Name.

      »Richard, das ist ein Zeichen des Himmels!« sagte Blodwen neben mir.

      Ich blieb ihr die Antwort schuldig, wollte sie nicht verstehen – ich las rasch noch in einem Spezialbuch über diese Leuchtturminsel von Legala nach.

      Die Engländer hatten sich schon mehrmals vergebens bemüht, diese Klippe zu bekommen, unantastbares Eigentum des Königs oder des Fürsten von Legala usw.

      Was hatte Karlemann da auf dieser Leuchtturminsel zu suchen?

      »Paß auf, Richard, ob dieser geriebene Junge sie nicht für seinen Pudel eingetauscht oder sie dem Kididimo, dem sie doch zu gehören scheint, sonstwie abgekaupelt hat!«

      Ich beschränkte mich darauf, die Insel durch das Fernrohr zu beobachten. Aber je näher ich kam, desto weniger Menschen konnte ich bemerken, im Gegensatz zu vorhin, aus dem einfachen Grunde, weil das Plateau beim Näherkommen doch immer weniger übersichtlich ward. Nur an der Felswand klebten noch Menschlein, dann erkannte ich, daß es ausschließlich nackte Neger waren, dann, daß sie an Stricken hingen oder auf Brettern saßen, dann war ich schon seitwärts, hatte diese menschenbedeckte Wand hinter mir.

      Da kam von der anderen Seite hinter der Insel ein kleines Dampfboot hervor und hielt auf uns zu. An Deck stand ein Neger, wohl der einzige Matrose, der zur Bedienung des Dingelchens nötig war, ein zweiter Neger regierte das Rad und dort, das breitbeinige Kerlchen, die qualmende Pfeife im Munde – unser Karlemann!

      »Ja, hat der denn jetzt blonde Haare bekommen?« wurde verwundert gefragt.

      Natürlich, der hier hatte blonde Haare, das war überhaupt ein anderer. Jetzt wurde das schon mit bloßen Augen erkannt, aber auch so ein kleiner Wichtelmann, ein halbwüchsiger Junge, der noch auf der Schiefertafel zu schreiben hat, wenigstens auf dem Dorfe, wo Papier gespart wird.

      Unser Staunen war nicht gering. Ich ließ nach und nach die Segel einziehen. Der kleine Dampfer erreichte uns. Mit heller Kinderstimme einige schneidige Kommandos, das Boot legte bei, der Knirps kletterte das herabgelassene Fallreep empor.

      Wahrhaftig – ein Kapitän Algots in zweiter Ausgabe, von der Schiffermütze, Wolkenschieber genannt, an bis zu den Trichterhosen. Die Pfeife hatte er, wie sich’s beim Betreten eines fremden Schiffes gehört, unten gelassen.

      Er hatte mich gleich herausgefunden.

      »Herr Richard Jansen, Kapitän von der ›Sturmbraut‹?« fragte er mich, die Hand am Wolkenschieber.

      »Bin ich.«

      Er salutierte nochmals.

      »Kapitän Neumann – Fritz Neumann – Kapitän vom ›Gernegroß‹.«

      Bei solch einer Vorstellung soll man nun ernsthaft bleiben! Dabei bedenke man unsere Stellung. Ich schätzte den Wicht auf höchstens zehn Jahre, was sich dann auch bestätigte, und ich blickte auf ihn herab wie der Chimborasso auf den Maulwurfshügel.

      Aber wir hatten unseren Karlemann schon kennen gelernt, das war hier offenbar sein Stellvertreter, den er sich zugelegt hatte, da mußte auch der Ernst gewahrt werden. Wirklich dachte auch keiner meiner Leute ans Lachen, nicht einmal Blodwen.

      »Freut mich,« sagte ich nach dieser Vorstellung.

      »Ich komme als Stellvertreter des Herrn Kapitän

      Algots, den Sie ja kennen,« schrie der Junge denn auch richtig zu mir herauf.

      »Jawohl, den Kapitän Algots kenne ich,« hauchte ich hinunter, um das Männchen nicht umzublasen.

      »Er läßt Sie bitten, ihn zu besuchen.«

      »Er befindet sich auf der Leuchtturminsel?«

      »Jawohl, auf seiner Insel!«

      »Die Insel gehört ihm?«

      »Jawohl!«

      »Wie ist er denn dazu gekommen?«

      »Das ist nicht meine Sache, das wird Ihnen vielleicht Kapitän Algots selber sagen.«

      So, ich hatte meinen Hieb weg. Das Bürschchen hatte recht, vorläufig verkehrten wir noch ganz dienstlich.

      »Oder Ihr Schiff kann auch in den Hafen bugsiert werden,« fuhr Fritze gleich fort.

      »In einen Hafen dieser Insel?«

      »Jawohl, auf der Ostseite! Ich bin beauftragt, wenn Sie wollen, Ihr Schiff hineinzubugsieren.«

      »Findet dieses Schiff auch Platz darin?« fragte ich mißtrauisch.

      »Dreimal,« lautete die selbstbewußte Antwort, obgleich das nicht besonders für die Größe eines Hafens sprach.

      Nun, ich traute, die Aufforderung kam ja von Karlemann, und den kannte ich.

      Eine weitere Unterhaltung konnte jetzt nicht stattfinden. Für das große Schiff gab es noch viele Vorbereitungen zu treffen, und der kleine Vizekapitän – denn ein solcher war er nur, aber in der Anrede gibt es auch keinen Unterleutnant und keinen Vizeadmiral – war ganz Diensteifer.

      Von der Seemannschaft verstand er nicht gerade viel, wenigstens nicht von einem großen Segler, sogar die gebräuchlichsten Ausdrücke fehlten ihm, das merkte ich gleich; aber sein Dampfboot, an dem ich dann wirklich den Namen ›Gernegroß‹ las, hatte er wie am Schnürchen, und beim Durchlotsen der ›Sturmbraut‹ erwies er mindestens große Umsicht.

      Ich fuhr durch die Passage ja zum ersten Male, werde aber natürlich nichts wiederholen. Mir ist doch alles Vorausgegangene bekannt, ich schreibe dies jetzt ja fast dreißig Jahre später.

      Glatt kamen wir durch. Vieles hatte sich geändert.

      Vor allen Dingen, was zuerst in die Augen fallen mußte, war eine Brücke, welche hoch oben auf der ersten Galerie über die Einfahrt gespannt war, und wie ich dann merkte, besaß jede Galerie ihre Zugbrücke, so daß man jetzt überall die Galerien rundum beschreiten konnte, nicht mehr durch die die Einfahrt bildende Schlucht behindert war.

      In dem Kesselhafen sah ich meinen lieben ›Knipperdolling‹ liegen, bei dessen Anblick mir förmlich das Herz lachte – weshalb, weiß ich selbst nicht, eben eine hübsche Erinnerung – ferner lagen da noch einige größere und kleinere Segel- und Ruderboote, ferner ein Dampfboot, wozu noch der ›Gernegroß‹ kam.

      Wie es früher hier aussah, weiß der Leser. Auch ich habe das später erfahren. Also muß ich bemerken, daß jetzt überall