Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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      »Man hat Ihnen diese Insel so ohne weiteres gegeben?«

      »So ohne weiteres? Na ich danke, wenn man einen Haifisch vor sein Schiff spannen kann! Was meinen Sie wohl, ich bin dem König Aquassi Aquatuh vorgestellt worden. Oder der König vielmehr mir. Ich sollte nämlich nach seiner Residenz kommen, nach Kumassi, aber – nich in de Hand! – lieber nicht! Sie hätten mit mir Verschwindibus machen können. In Legala ist das nicht so leicht möglich. Es half alles nichts, der König mußte zu mir kommen. Er hat mir eine goldene Kette um den Hals gehängt, so groß wie – wie – na, ich knickte drunter zusammen, obgleich ich doch nicht gerade von Kuchen bin.«

      »Und da ist Ihnen die Insel definitiv abgetreten worden?«

      »Jawohl, denetief, wie Sie sagen.«

      Ich mußte es wohl glauben. Was machten sich denn die Aschantis aus den Engländern.

      »Sie können damit machen, was Sie wollen?«

      »Warum denn nicht? Man kann doch mit seinem Eigentum machen, was man will. Erst verlangte der König von mir, ich sollte noch einmal einen Haifisch haschen und ihn vor mein Schiff spannen; das wußte ich ihm aber geschickt auszureden. Na, und das hier ist doch etwas anderes, als dort an Land so eine Station haben. Hier kommt auch kein Fieber vor, dazu ist die Luft schon viel zu rein, das weiß der alte Leuchtturmwärter ganz genau, und das habe ich in den zehn Wochen, wo ich nun schon hier bin, doch selbst gemerkt. Hier oben wird niemand krank.«

      »Aber das Gold, auf das Sie reflektierten?«

      »Das brauche ich jetzt nicht mehr aus der Erde zu paddeln, das bringen mir die Schwarzen gleich selber hierher, sogar schon zu Schmuck verarbeitet. Das hätte ich allerdings dort auch bekommen – aber hier kann man es mir nicht wieder wegnehmen, hier bin ich auch sonst gesichert – das ist der Unterschied.«

      »Sie wollen Tiere dressieren, sich ganz darauf legen?«

      »Jawohl. Die Häuptlinge und andere reiche Schwarze bringen mir Hunde, Katzen, auch Löwen, Panther, Rehe – ich dressiere überhaupt alles. Bandwürmer und dergleichen natürlich nicht. Aber sogar eine Riesenschlange habe ich – wenn ich die vorn Bauch trete, sperrt sie’s Maul auf, und trete ich ihr auf den Schwanz, klappt sie’s wieder zu – sonst behält sie’s stundenlang offen.«

      Jetzt konnte ich mich einmal nicht mehr halten, jetzt sperrte auch ich einmal meinen Mund auf, um aus vollem Halse zu lachen.

      »Na, was lachen Sie denn? O, die soll noch viel mehr lernen. Walzer tanzen muß das lange Luder noch. Und wenn Sie wüßten, was ich dafür bekomme, würden Sie nicht mehr lachen.«

      »Nun, wieviel bekommen Sie denn für so eine Dressur?«

      Da reckte sich Karlemann auf den Zehenspitzen empor, er schien mir auf die Schulter klopfen zu wollen, langte aber nur bis zum Bauch, auf dem pochte er herum.

      »Geschäftsgeheimnis, lieber Freund, Geschäftsgeheimnis!« schmunzelte er dabei augenblinzelnd.

      »Jetzt aber,« fuhr er dann fort, als er sich wieder heruntergelassen hatte, »nehme ich statt Gold und dergleichen mit Vorliebe noch Sklaven.«

      »Sklaven, wozu?«

      »Na, sehen Sie nicht die Masse Nigger hierherum arbeiten?«

      »Die sehe ich.«

      »Das sind meine Sklaven. Das heißt nur auf ein Jahr. Zum Beispiel so ein nackter Hund, der Pfötchen geben kann, kostet fünf Sklaven. Nur kräftige Männer, ausgesuchte Ware. Die müssen hier arbeiten, müssen von ihrem Herrn während dieses Jahres auch mit Nahrung und mit allem versehen werden. Kann der Hund auf den Hinterbeinen tanzen, kostet es sieben Sklaven – auf den Vorderbeinen zehn – kann er aber gar Salto mortales schlagen, das kostet zwanzig Sklaven. Ueber’n Stock springen und Schönmachen gebe ich gratis zu.«

      Dabei soll nun ein Mensch ernst bleiben!

      »So habe ich meine Preise festgesetzt, für jedes Kunststück und für jedes Tier extra – am billigsten sind die Affen und Kakadus, am teuersten die Krokodile – die Ludersch wollen immer nur fressen und nischt machen – von dressierten Flöhen wollen diese dummen Niggers hier nichts wissen.«

      »Hahahaha!!!« gröhlte ich.

      Karlemann nahm es nicht übel, er lachte selber mit.

      »Wieviel Neger haben Sie hier?« fragte ich dann, als ich wieder sprechen konnte.

      »Sechshundert Stück. Mehr nehme ich auch nicht. Die sollen auch nur die Hauptarbeit machen, daß es hier etwas wohnlicher wird, dann lasse ich vielleicht nur noch hundert arbeiten.«

      »Was müssen sie denn arbeiten?«

      »Sie fragen noch? Na, hier aus diesem ganzen Felsen ein Haus machen, Tunnels bauen, Zimmer aushauen. Ei, das wird ein Haus, wie’s kein zweites in der Welt gibt – bedenken Sie doch nur – 200 mal 300 Meter, fünf Etagen hoch – und kein Fleckchen bleibt unbenutzt.«

      Da begann mir zu ahnen, was dieser Junge vorhatte, und ich sah im Geiste schon ein Werk fertig, wie es tatsächlich kein zweites in der Welt gibt – höchstens vergleichbar mit der Insel Elephantine bei Bombay.

      »Wir wollen doch einmal hinuntergehen, ich will Ihnen die Pläne zeigen. Fertig ist freilich noch nichts, nur hier oben sind erst so ein paar Zimmer ausgehauen, die ich für mich und für mein Viehzeug brauche.«

      Ich folgte nach in das finstere Loch, aus dem Karlemann vorhin gekommen, wir mußten zum Abstieg eine Leiter benutzen.

      »Das ist alles nur für einstweilen,« entschuldigtes sich Karlemann. »Denn was sonst hier einmal gemeißelt wird, muß doch gleich tadellos sein, was einmal weggehauen ist, kann doch nicht so leicht wieder drangekleistert werden.«

      Ich hatte den Boden erreicht, befand mich mit einem Schritte in völliger Finsternis, rannte beim zweiten Schritte mit dem Kopfe gegen die Decke.

      »Geben Sie mir Ihre Hand. Ich habe kein Licht bei mir, aber es kommt gleich welches. Sie brauchen sich nur ein kleines bißchen zu bücken.«

      Es war doch ein ziemlich langer Weg, den wir erst zurücklegten.

      »So, hier bleiben Sie einen Augenblick stehen, es wird gleich Licht.«

      Ich stand da in der Stockfinsternis. Aufrichten konnte ich mich hier. Aber, Himmel Herrgott, war hier ein Gestank! Wie in einem Affenkäfig!

      Da hörte ich etwas schnubbern, ein heißer Luftzug streifte meine Hand, und mit einem Male legte sich mir eine Last auf die Schultern, daß ich fast zusammengeknickt wäre, und unter einem glühend heißen Atem röchelte mir eine Stimme ins Gesicht.

      In diesem Augenblicke ward es hell, Karlemann stand neben mir, eine Laterne mit sehr hellem, weißem Lichte – und vor mir stand ein riesiger Löwe.

      Und das beste war dabei, daß es sich hier durchaus nicht um ein schon völlig gezähmtes Exemplar handelte.

      Karlemann schien, wie er uns beide so stehen sah, offenbar erschrocken zu sein.

      Schnell setzte er die Laterne an den Boden, hatte dafür einen Revolver in der Hand.

      »Bleiben Sie stehen – um Gottes Willen, ganz ruhig – ist das Luder schon wieder ausgewischt. Zurück, Simson, hierher, Simson – na, sei ein artiges Tierchen … «

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      Er packte das niedliche Tierchen bei der Mähne, es ließ auch von mir ab, dann aber schien sich der Löwe eines anderen zu besinnen, er fauchte den Jungen an und schlug nach ihm mit der Tatze, und plötzlich entstand in dem niedrigen Gewölbe eine schreckliche Knallerei.

      Karlemann traktierte den entsprungenen und unartigen Zögling mit Revolverschüssen, jedenfalls nur mit Platzpatronen, ich sah, wie er ihm direkt in den geöffneten Rachen hineinschoß, der Löwe wich denn auch zurück, immer fauchend und tatzenschlagend, Karlemann immer nach, bis das Tier in einer Ecks verschwand, ich hörte ein Gitter fallen.