Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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Art untergebracht, die Früchte verzehrten und sich sonst amüsierten, wie Affen es zu tun pflegen.

      »Wissen Sie, was für ein Exemplar hier fehlt?«

      So genau war ich in der Affenwelt nicht bewandert. Der mir bekannteste Affe Afrikas war der Pavian, und der war in verschiedenen Exemplaren vertreten.

      »Nein. Welches?«

      »Der Gorilla. Und den zu bekommen hat seine Schwierigkeit, obgleich er gerade hier in dieser Gegend zu Hause ist. Aber der Gorilla gilt den Aschantis und allen übrigen Negern als ein verwilderter Mensch, er ist ihnen heilig – nicht gerade heilig, vielleicht gerade das Gegenteil – kurz, sie wollen nichts mit ihm zu tun haben, werden niemals einen fangen oder erlegen. Wenn ich einen haben will, muß ich wohl selbst einmal ins Innere, in die Urwälder.«

      »Sind denn diese Affen oder überhaupt alle diese Tiere, die ich hier sehe, schon dressiert?«

      »Nicht alle – nur die wenigsten.«

      »Aber Sie haben sie in der Dressur?«

      »Auch durchaus nicht alle. Das würde mir etwas gar zu viel.«

      »Algots, sprechen Sie einmal offen – was haben Sie hier eigentlich vor?«

      »Geheimnis! Oder ahnen Sie nichts?«

      »Sie wollen hier eine Tierhandlung gründen – von hier aus die zoologischen Gärten und Menagerien mit exotischen Tieren versehen.«

      »Ja, so ungefähr.«

      Hierzu bemerke ich, daß es damals noch keinen Hagenbeck gab, der jetzt überall in der Welt seine großartigen Stationen hat, wo er wilde und andere Tiere von den Eingeborenen eintauscht oder durch sein eigenes, geschultes Personal einfangen läßt.

      Damals war es der Franzose Dechampes, der dieselbe Rolle spielte, aber nicht zu vergleichen mit Hagenbeck. Er hatte eine Station an der Ostküste Afrikas und in Indien, legte sich auch mehr aufs Handeln, dies überhaupt nur so nebenbei betreibend.

      Wir standen vor dem großen Raume, in dem der riesige Elefant untergebracht war. Er war gerade beim Frühstück, packte das lose Heu, das ihm ein Schwarzer vorschüttete, mit dem Rüssel zu Ballen zusammen und schob sich diese in den Rachen.

      »Der gehört dem König Aquassi. Ein Prachtexemplar, was?«

      »Wie in aller Welt haben Sie den nur hierheraufgebracht?«

      »Auch mit der Winde. Immer etagenweise, von Galerie zu Galerie. Eine schwere Arbeit war’s freilich doch. Einmal riß der Gurt.«

      »Und das hat sich der Elefant gefallen lassen?«

      »Sein Wärter war bei ihm, dem er unbedingt vertraut und gehorcht. Er ist nämlich in der Gefangenschaft geboren, ist völlig zahm. Besondere Kunststückchen kann er freilich nicht machen, so etwas wissen diese Nigger den Tieren eben gar nicht beizubringen. Na, der König wird nicht schlecht staunen, wenn ich ihn nach vierzehn Tagen wieder abliefere.«

      »Als ich mit der Winde emporgeleiert wurde, sah ich auch in den unteren Etage Tiere.«

      »Das sind neue, zum Teil erst gestern gekommen, die müssen sich erst an die fremde Umgebung gewöhnen, ehe sie hierheraufkommen.«

      »Außer vielen Löwen sah ich auch einen sehr kleinen Elefanten, wohl noch ganz jung.«

      »Hier ist ein noch jüngerer.«

      Es war ein reizendes Elefantenbaby, nicht größer als ein Kalb, aber natürlich viel massiger, mit einer Art von braunschwarzem Pelz bedeckt, wie Elefanten ihn in ihren Kinderjahren immer haben, aus dem Maule ragten schon die Spitzen der zukünftigen Stoßzähne hervor.

      Liebkosend legte sich der kleine Rüssel um Karlemanns Hals, dann wurden auch gleich meine Taschen untersucht, die gefundene Tabakspfeife prompt in den Mund gesteckt, gerade wie auch menschliche Kinder es tun, alles gleich in den Mund.

      »Der gehört mir,« sagte Karlemann, nachdem er mit einiger Schwierigkeit die hölzerne Pfeife, aber schon plattgedrückt, wieder abgenommen hatte. »Ich hörte, wie man ein Junges gefangen hatte, die Mutter war bei einer großen Jagd getötet worden, das Junge wollte nicht von ihr lassen – da wollte ich’s haben, bekam es billig. Wie alt es ist, weiß ich nicht. Vielleicht acht Wochen. Wiegt aber schon zwei Zentner. Fressen tut’s noch nicht, es muß noch Milch bekommen.«

      »Und woher bekommen Sie denn die Milch?«

      »Na, einfach von Kühen. Wegen junger Tiere muß ich eine ganze Menge hier unterhalten, und die sind ja einfach zu füttern, mit Heu, welches mir die Aschantis regelmäßig liefern. Dieses Elefantenkindchen hier braucht alleine drei Kühe für sich, manchmal saugt’s auch vier leer.«

      »Es saugt an den Kühen?«

      »Nein, so war das nicht gemeint. Es bekommt die Milch eingeflößt – früher – jetzt muß es schon selber die Flasche nehmen.«

      Diese Erklärung hatte bei Karlemann offenbar einen besonderen Gedanken ausgelöst – er griff in die Brusttasche, brachte eine Flasche zum Vorschein, welche die bekannte Form der Schnapsflaschen hatte, auch richtig gefüllt mit Schnaps, der eine grüne Färbung hatte, und er setzte die Buttel an den Mund.

      In diesem Augenblick kam mir zum Bewußtsein, daß dies doch eigentlich ein zwölfjähriger Junge war, der manchmal noch etwas anderes bekommen sollte als Schnaps. Und nun gleich so aus der Pulle zu trinken, die er immer bei sich trug? An Bord meines Schiffes hatte ich bei dem Jungen gar keine Vorliebe für Spirituosen bemerkt, und … daß dem doch so war, das war eigentlich verdächtig.

      Dann aber, als Karlemann die Pulle nach einigen kräftigen Schlucken absetzte, hatte ich zunächst einen anderen Gedanken.

      »Na, da lassen Sie mich auch mal einen aus der Pulle nehmen.«

      Doch zu meiner Verwunderung zog Karlemann die Flasche vor meiner schon ausgestreckten Hand zurück.

      »Nein, das ist nichts für Sie – es wäre schade um Sie – aber hier …«

      Und zu meinem noch größeren Staunen hielt er die Flasche dem Elefantenkindlein hin, und dieses wickelte um die Pulle zierlich und geschickt die Rüsselspitze, hob sie, den Rachen aufgemacht, den Kopf etwas gehoben, und … gluck gluck gluck – verschwunden war der grüne Schnaps im Maule und Magen des Zweimonatkindes.

      »Nanu!« durfte ich wohl mit Recht staunen. »Sie geben dem jungen Tierchen Schnaps zu trinken?

      Sie wollen wohl, daß es so klein bleibt? Aber mich wundert nur, daß es das Zeug überhaupt trinkt!«

      Es war ein fast mißtrauischer Blick, der mich von der Seite traf.

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      »Wer sagt Ihnen denn, daß es Schnaps ist?«

      »Ach so! Es ist gar kein Schnaps?«

      »Gott bewahre!«

      »Was ist es denn sonst?«

      Diesmal machte Karlemann wieder eines seiner verschmitzten Gesichter.

      »Das ist mein Geheimnis. Meinetwegen: Medizin – ein stärkendes Mittel. Aber da fällt mir ein – ist es wirklich wahr, daß man klein bleibt, wenn man viel Schnaps trinkt?«

      »Sie meinen, ob Schnaps das Wachstum hindert? Ach wo, das ist so ein alter Volksaberglaube. Gewiß, der Genuß wird das Wachstum wohl nicht gerade fördern, aber wie man so manchmal erzählen hört, die Eingabe von Schnaps oder überhaupt von Spirituosen solle das Wachstum ganz aufheben – das ist Unsinn. Das sagt man nur zu Kindern, um ihnen das Schnapstrinken zu verleiden.«

      »Aber ich habe gehört, daß man Tieren Schnaps eingibt, um sie nicht mehr wachsen zu lassen, zum Beispiel jungen Pferden … « »Ach, Unsinn. Ich weiß schon, was Sie meinen. Da werden im Zirkus oder sonstwo kleine Pferdchen gezeigt, und da heißt es, die hätten immer Schnaps bekommen. Nein, so beeinflussen läßt sich die Natur nicht. Das ist ganz einfach eine besondere