kann, die in Rede stehende Substanz jedoch andrerseits nicht durch den äußern Sinn, folglich nicht im Raume wahrgenommen wird; so müssen wir, um sie uns dennoch, dem Laufe der Zeit gegenüber, als ein Beharrliches zu denken, sie als außerhalb der Zeit gelegen annehmen und demnach sagen: alles Objekt liegt in der Zeit, hingegen das eigentliche erkennende Subjekt nicht. Da es nun außerhalb der Zeit auch kein Aufhören, oder Ende, giebt; so hätten wir, am erkennenden Subjekt in uns, eine beharrende, jedoch weder räumliche, noch zeitliche, folglich unzerstörbare Substanz.
Um nun dieses so gefaßte Argument der Persönlichkeit als einen Paralogismus nachzuweisen, müßte man sagen, daß der zweite Satz desselben eine empirische Thatsache zur Hülfe nimmt, der sich diese andere entgegenstellen läßt, daß das erkennende Subjekt doch an das Leben und sogar an das Wachen gebunden ist, seine Beharrlichkeit während Beider also keineswegs beweist, daß sie auch außerdem bestehn könne. Denn diese faktische Beharrlichkeit, für die Dauer des bewußten Zustandes ist noch weit entfernt, ja, toto genere verschieden von der Beharrlichkeit der Materie (diesem Ursprung und alleiniger Realisirung des Begriffs Substanz), welche wir in der Anschauung kennen und nicht bloß ihre faktische Dauer, sondern ihre nothwendige Unzerstörbarkeit und die Unmöglichkeit ihrer Vernichtung a priori einsehn. Aber nach Analogie dieser wahrhaft unzerstörbaren Substanz ist es doch, daß wir eine denkende Substanz in uns annehmen möchten, die alsdann einer endlosen Fortdauer gewiß wäre. Abgesehen nun davon, daß dies Letztere die Analogie mit einer bloßen Erscheinung (der Materie) wäre, so besteht der Fehler, den die dialektische Vernunft in obigem Beweise begeht, darin, daß sie die Beharrlichkeit des Subjekts, beim Wechsel aller seiner Vorstellungen in der Zeit, nun so behandelt, wie die Beharrlichkeit der uns in der Anschauung gegebenen Materie, und demnach Beide unter den Begriff der Substanz zusammenfaßt, um nun Alles, was sie, wiewohl unter den Bedingungen der Anschauung, von der Materie a priori aussagen kann, namentlich Fortdauer durch alle Zeit, nun auch jener angeblichen, immateriellen Substanz beizulegen, wenngleich die Beharrlichkeit dieser vielmehr nur darauf beruht, daß sie selbst als in gar keiner Zeit, geschweige in aller, liegend angenommen wird, wodurch die Bedingungen der Anschauung, in Folge welcher die Unzerstörbarkeit der Materie a priori ausgesagt wird, hier ausdrücklich aufgehoben sind, namentlich die Räumlichkeit. Auf dieser aber gerade beruht (nach eben den oben angeführten Stellen meiner Schriften) die Beharrlichkeit derselben.
Hinsichtlich der Beweise der Unsterblichkeit der Seele aus ihrer angenommenen Einfachheit und daraus folgenden Indissolubilität, durch welche die allein mögliche Art des Untergangs, die Auflösung der Theile, ausgeschlossen wird, ist überhaupt zu sagen, daß alle Gesetze über Entstehn, Vergehn, Veränderung, Beharrlichkeit u. s. w., welche wir, sei es a priori oder a posteriori kennen, durchaus nur von der uns objektiv gegebenen, und noch dazu durch unsern Intellekt bedingten Körperwelt gelten: sobald wir daher von dieser abgehn und von immateriellen Wesen reden, haben wir keine Befugniß mehr, jene Gesetze und Regeln anzuwenden, um zu behaupten, wie das Entstehn und Vergehn solcher Wesen möglich sei oder nicht; sondern da fehlt uns jede Richtschnur. Hiedurch sind alle dergleichen Beweise der Unsterblichkeit aus der Einfachheit der denkenden Substanz abgeschnitten. Denn die Amphibolie liegt darin, daß man von einer immateriellen Substanz redet und dann die Gesetze der materiellen unterschiebt, um sie auf jene anzuwenden. Inzwischen giebt der Paralogismus der Persönlichkeit, wie ich ihn gefaßt habe, in seinem ersten Argument den Beweis a priori, daß in unserm Bewußtseyn irgend etwas Beharrliches liegen müsse, und im zweiten Argument weist er dasselbe a posteriori nach. Im Ganzen genommen, scheint hier das Wahre, welches, wie in der Regel jedem Irrthum, so auch dem der rationalen Psychologie zum Grunde liegt, hier seine Wurzel zu haben. Dies Wahre ist, daß selbst in unserm empirischen Bewußtseyn allerdings ein ewiger Punkt nachgewiesen werden kann, aber auch nur ein Punkt, und auch gerade nur nachgewiesen, ohne daß man Stoff zu fernerer Beweisführung daraus erhielte. Ich weise hier auf meine eigene Lehre zurück, nach welcher das erkennende Subjekt Das ist, was Alles erkennt, aber nicht erkannt wird: dennoch erfassen wir es als den festen Punkt, an welchem die Zeit mit allen Vorstellungen vorüberläuft, indem ihr Lauf selbst allerdings nur im Gegensatz zu einem Bleibenden erkannt werden kann. Ich habe dieses den Berührungspunkt des Objekts mit dem Subjekt genannt. Das Subjekt des Erkennens ist bei mir, wie der Leib, als dessen Gehirn-Funktion es sich objektiv darstellt, Erscheinung des Willens, der, als das alleinige Ding an sich, hier das Substrat des Korrelats aller Erscheinungen, d. i. des Subjekts der Erkenntniß, ist. —
Wenden wir uns nunmehr zur rationalen Kosmologie; so finden wir an ihren Antinomien prägnante Ausdrücke der aus dem Satze vom Grunde entspringenden Perplexität, die von jeher zum Philosophiren getrieben hat. Diese nun, auf einem etwas andern Wege, deutlicher und unumwundener hervorzuheben, als dort geschehen ist, ist die Absicht folgender Darstellung, welche nicht, wie die Kantische, bloß dialektisch, mit abstrakten Begriffen operirt, sondern sich unmittelbar an das anschauende Bewußtseyn wendet.
Die Zeit kann keinen Anfang haben, und keine Ursache kann die erste seyn. Beides ist a priori gewiß also unbestreitbar: denn aller Anfang ist in der Zeit, setzt sie also voraus; und jede Ursach muß eine frühere hinter sich haben, deren Wirkung sie ist. Wie hätte also jemals ein erster Anfang der Welt und der Dinge eintreten können? (Danach erscheint denn freilich der erste Vers des Pentateuchs als eine petitio principii und zwar im allereigentlichsten Sinne des Worts.) Aber nun andrerseits: wenn ein erster Anfang nicht gewesen wäre; so könnte die jetzige reale Gegenwart nicht erst jetzt seyn, sondern wäre schon längst gewesen: denn zwischen ihr und dem ersten Anfange müssen wir irgend einen, jedoch bestimmten und begränzten Zeitraum annehmen, der nun aber, wenn wir den Anfang leugnen, d. h. ihn ins Unendliche hinaufrücken, mit hinaufrückt. Aber sogar auch wenn wir einen ersten Anfang setzen; so ist uns damit im Grunde doch nicht geholfen: denn, haben wir auch dadurch die Kausalkette beliebig abgeschnitten; so wird alsbald die bloße Zeit sich uns beschwerlich erweisen. Nämlich die immer erneuerte Frage warum jener erste Anfang nicht schon früher eingetreten? wird ihn schrittweise, in der anfangslosen Zeit, immer weiter hinaufschieben, wodurch dann die Kette der zwischen ihm und uns liegenden Ursachen dermaaßen in die Höhe gezogen wird, daß sie nimmer lang genug werden kann, um bis zur jetzigen Gegenwart herab zu reichen, wonach es alsdann zu dieser immer noch nicht gekommen seyn würde. Dem widerstreitet nun aber, daß sie doch jetzt ein Mal wirklich da ist und sogar unser einziges Datum zu der Rechnung ausmacht. Die Berechtigung nun aber zur obigen so unbequemen Frage entsteht daraus, daß der erste Anfang, eben als solcher, keine ihm vorhergängige Ursache voraussetzt und gerade darum eben so gut hätte Trillionen Jahre früher eintreten können. Bedurfte er nämlich keiner Ursache zum Eintreten, so hatte er auch auf keine zu warten, mußte demnach schon unendlich früher eingetreten seyn, weil nichts dawar, ihn zu hemmen. Denn, dem ersten Anfange darf, wie nichts als seine Ursach, so auch nichts als sein Hinderniß vorhergehn: er hat also schlechterdings auf nichts zu warten und kommt nie früh genug. Daher also ist, in welchen Zeitpunkt man ihn auch setzen mag, nie einzusehn, warum er nicht schon sollte viel früher dagewesen seyn. Dies also schiebt ihn immer weiter hinauf: weil nun aber doch die Zeit selbst durchaus keinen Anfang haben kann; so ist allemal bis zum gegenwärtigen Augenblick eine unendliche Zeit, eine Ewigkeit, abgelaufen: daher ist dann auch das Hinaufschieben des Weltanfangs ein endloses, so daß von ihm bis zu uns jede Kausalkette zu kurz ausfällt, in Folge wovon wir dann von demselben nie bis zur Gegenwart herabgelangen. Dies kommt daher, daß uns ein gegebener und fester Anknüpfungspunkt (point d’attache) fehlt, daher wir einen solchen beliebig irgendwo annehmen, derselbe aber stets vor unsern Händen zurückweicht, die Unendlichkeit hinauf. – So fällt es also aus, wenn wir einen ersten Anfang setzen und davon ausgehn: wir gelangen nie von ihm zur Gegenwart herab.
Gehn wir hingegen umgekehrt von der doch wirklich gegebenen Gegenwart aus: dann gelangen wir, wie schon gemeldet, nie zum ersten Anfang hinauf; da jede Ursache, zu der wir hinauf schreiten, immer Wirkung einer frühern gewesen seyn muß, welche dann sich wieder im selben Fall befindet, und dies durchaus kein Ende erreichen kann. Jetzt wird uns also die Welt anfangslos, wie die unendliche Zeit selbst; wobei unsre Einbildungskraft ermüdet und unser Verstand keine Befriedigung erhält.
Diese beiden entgegengesetzten Ansichten sind demnach einem Stocke zu vergleichen, dessen