den kausalen Zusammenhang selbst, sondern immer nur die bloße Succession der Zustände in der Zeit, also nie ein Erfolgen, sondern ein bloßes Folgen liefern könne, welches, eben als solches, sich stets nur als ein zufälliges, nie als ein nothwendiges erweise. Dies schon dem gesunden Verstande widerstrebende, jedoch nicht leicht zu widerlegende Argument veranlaßte nun Kanten, dem wahren Ursprung des Begriffs der Kausalität nachzuforschen: wo er denn fand, daß dieser in der wesentlichen und angeborenen Form unseres Verstandes selbst, also im Subjekt liege, nicht aber im Objekt, indem er nicht erst von außen uns beigebracht würde. Hiedurch nun aber war jene ganze objektive Welt Locke’s und Condillac’s wieder in das Subjekt hineingezogen; da Kant den Leitfaden zu ihr als subjektiven Ursprungs nachgewiesen hatte. Denn, so subjektiv die Sinnesempfindung ist, so subjektiv ist jetzt auch die Regel, welcher zufolge sie als Wirkung einer Ursache aufzufassen ist; welche Ursache es doch allein ist, die als objektive Welt angeschaut wird; indem ja das Subjekt ein draußen befindliches Objekt bloß in Folge der Eigenthümlichkeit seines Intellekts, zu jeder Veränderung eine Ursache vorauszusetzen, annimmt, also eigentlich nur es aus sich herausprojicirt, in einem zu diesem Zwecke bereiten Raum, welcher selbst ebenfalls ein Produkt seiner eigenen und ursprünglichen Beschaffenheit ist, so gut wie die specifische Empfindung in den Sinnesorganen, auf deren Anlaß der ganze Vorgang eintritt. Jene Locke’sche objektive Welt von Dingen an sich war demnach durch Kant in eine Welt von bloßen Erscheinungen in unserm Erkenntnißapparat verwandelt worden, und dies um so vollständiger, als, wie der Raum, in dem sie sich darstellen, so auch die Zeit, in der sie vorüberziehn, als unleugbar subjektiven Ursprungs von ihm nachgewiesen war.
Bei allem Diesen aber ließ Kant noch immer, so gut wie Locke, das Ding an sich bestehn, d. h. etwas, das unabhängig von unsern Vorstellungen, als welche uns bloße Erscheinungen liefern, vorhanden wäre und eben diesen Erscheinungen zum Grunde läge. So sehr nun Kant auch hierin, an und für sich, Recht hatte; so war doch aus den von ihm aufgestellten Prinzipien die Berechtigung dazu nicht abzuleiten. Hier lag daher die Achillesverse seiner Philosophie, und diese hat, durch die Nachweisung jener Inkonsequenz, die schon erlangte Anerkennung unbedingter Gültigkeit und Wahrheit wieder einbüßen müssen: allein im letzten Grunde geschah ihr dabei dennoch Unrecht. Denn ganz gewiß ist keineswegs die Annahme eines Dinges an sich hinter den Erscheinungen, eines realen Kerns unter so vielen Hüllen, unwahr; da vielmehr die Ableugnung desselben absurd wäre; sondern nur die Art, wie Kant ein solches Ding an sich einführte und mit seinen Prinzipien zu vereinigen suchte, war fehlerhaft. Im Grunde ist es demnach nur seine Darstellung (dies Wort im umfassendesten Sinne genommen) der Sache, nicht diese selbst, welche den Gegnern unterlag, und in diesem Sinne ließe sich behaupten, daß die gegen ihn geltend gemachte Argumentation doch eigentlich nur ad hominem, nicht ad rem gewesen sei. Jedenfalls aber findet hier das Indische Sprichwort wieder Anwendung: kein Lotus ohne Stengel. Kanten leitete die sicher gefühlte Wahrheit, daß hinter jeder Erscheinung ein an sich selbst Seyendes, von dem sie ihren Bestand erhält, also hinter der Vorstellung ein Vorgestelltes liege. Aber er unternahm, dieses aus der gegebenen Vorstellung selbst abzuleiten, unter Hinzuziehung ihrer uns a priori bewußten Gesetze, welche jedoch, gerade weil sie a priori sind, nicht auf ein von der Erscheinung, oder Vorstellung, Unabhängiges und Verschiedenes leiten können; weshalb man zu diesem einen ganz andern Weg einzuschlagen hat. Die Inkonsequenzen, in welche Kant, durch den fehlerhaften Gang, den er in dieser Hinsicht genommen, sich verwickelt hatte, wurden ihm dargethan von G. E. Schultze, der, in seiner schwerfälligen und weitläuftigen Manier die Sache auseinandergesetzt hat, zuerst anonym im Aenesidemus (besonders S. 374—381), und später in seiner Kritik der theoretischen Philosophie (Bd. 2, S. 205 fg.); wogegen Reinhold Kant’s Vertheidigung, jedoch ohne sonderlichen Erfolg, geführt hat, so daß es bei dem haec potuisse dici, et non potuisse refelli sein Bewenden hatte.
Ich will hier das der ganzen Kontroverse zum Grunde liegende eigentlich Wesentliche der Sache selbst, unabhängig von der Schultze-schen Auffassung derselben, ein Mal auf meine Weise recht deutlich hervorheben. – Eine strenge Ableitung des Dinges an sich hat Kant nie gegeben, vielmehr hat er dasselbe von seinen Vorgängern, namentlich Locke, überkommen und als etwas, an dessen Daseyn nicht zu zweifeln sei, indem es sich eigentlich von selbst verstehe, beibehalten; ja, er durfte dies gewissermaaßen. Nach Kants Entdeckungen enthält nämlich unsre empirische Erkenntniß ein Element, welches nachweisbar subjektiven Ursprungs ist, und ein anderes, von dem dieses nicht gilt: dieses letztere bleibt also objektiv, weil kein Grund ist, es für subjektiv zu halten. Demgemäß leugnet Kants transscendentaler Idealismus das objektive Wesen der Dinge, oder die von unserer Auffassung unabhängige Realität derselben, zwar soweit, als das Apriori in unserer Erkenntniß sich erstreckt; jedoch nicht weiter; weil eben der Grund zum Ableugnen nicht weiter reicht: was darüber hinausliegt lässt er demnach bestehn, also alle solche Eigenschaften der Dinge, welche sich nicht a priori konstruiren lassen. Denn keineswegs ist das ganze Wesen der gegebenen Erscheinungen, d. h. der Körperwelt, von uns a priori bestimmbar, sondern bloß die allgemeine Form ihrer Erscheinung ist es, und diese läßt sich zurückführen auf Raum, Zeit und Kausalität, nebst der gesammten Gesetzlichkeit dieser drei Formen. Hingegen das durch alle jene a priori vorhandenen Formen unbestimmt Gelassene, also das hinsichtlich auf sie Zufällige, ist eben die Manifestation des Dinges an sich selbst. Nun kann der empirische Gehalt der Erscheinungen, d. h. jede nähere Bestimmung derselben, jede in ihnen auftretende physische Qualität, nicht anders, als a posteriori erkannt werden: diese empirischen Eigenschaften (oder vielmehr die gemeinsame Quelle derselben) verbleiben sonach dem Dinge an sich selbst, als Aeußerungen seines selbsteigenen Wesens, durch das Medium aller jener apriorischen Formen hindurch. Dieses Aposteriori, welches, bei jeder Erscheinung, in das Apriori gleichsam eingehüllt, auftritt, aber doch jedem Wesen seinen speciellen und individuellen Charakter ertheilt, ist demnach der Stoff der Erscheinungswelt, im Gegensatz ihrer Form. Da nun dieser Stoff keineswegs aus den von Kant so sorgfältig nachgesuchten und, durch das Merkmal der Apriorität, sicher nachgewiesenen, am Subjekt haftenden Formen der Erscheinung abzuleiten ist, vielmehr nach Abzug alles aus diesen Fließenden noch übrig bleibt, also sich als ein zweites völlig distinktes Element der empirischen Erscheinung und als eine jenen Formen fremde Zuthat vorfindet; dabei aber auch andrerseits keineswegs von der Willkür des erkennenden Subjekts ausgeht, vielmehr dieser oft entgegensteht, so nahm Kant keinen Anstand, diesen Stoff der Erscheinung dem Dinge an sich selbst zu lassen, mithin als ganz von außen kommend anzusehn; weil er doch irgend woher kommen, oder, wie Kant sich ausdrückt, irgend einen Grund haben muß. Da wir nun aber solche allein a posteriori erkennbare Eigenschaften durchaus nicht isoliren und von den a priori gewissen getrennt und gereinigt auffassen können, sondern sie immer in diese gehüllt auftreten; so lehrt Kant, daß wir zwar das Daseyn der Dinge an sich, aber nichts darüber hinaus erkennen, also nur wissen, daß sie sind, aber nicht was sie sind; daher denn das Wesen der Dinge an sich bei ihm als eine unbekannte Größe, ein x, stehn bleibt. Denn die Form der Erscheinung bekleidet und verbirgt überall das Wesen des Dinges an sich selbst. Höchstens läßt sich noch Dieses sagen: da jene apriorischen Formen allen Dingen, als Erscheinungen, ohne Unterschied zukommen, indem sie von unserm Intellekt ausgehn; die Dinge dabei aber doch sehr bedeutende Unterschiede aufweisen; so ist Das, was diese Unterschiede, also die specifische Verschiedenheit der Dinge, bestimmt, das Ding an sich selbst.
Die Sache so angesehn, scheint also Kants Annahme und Voraussetzung der Dinge an sich, ungeachtet der Subjektivität aller unserer Erkenntnißformen, ganz wohl befugt und gegründet. Dennoch weist sie sich als unhaltbar aus, wenn man jenes, ihr alleiniges Argument, nämlich den empirischen Gehalt in allen Erscheinungen, genau prüft und ihn bis zu seinem Ursprunge verfolgt. Allerdings nämlich ist in der empirischen Erkenntniß und deren Quelle, der anschaulichen Vorstellung, ein von ihrer, uns a priori bewußten Form unabhängiger Stoff vorhanden. Die nächste Frage ist, ob dieser Stoff objektiven, oder subjektiven Ursprungs sei; weil er nur im erstern Falle das Ding an sich verbürgen kann. Gehn wir ihm daher bis zu seinem Ursprunge nach; so finden wir diesen nirgends anders, als in unsrer Sinnesempfindung: denn eine auf der Netzhaut des Auges, oder im Gehörnerven, oder in den Fingerspitzen eintretende Veränderung ist es, welche die anschauliche