Scarlet Wilson

Moonlight Romance Staffel 1 – Romantic Thriller


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später stand sie wieder neben Mollys Schreibtisch. »Du sollst zum Big Boss kommen.« Sie hob den Zeigefinger. »Vorsicht!« Sie wippte mit den Augenbrauen. »Sturmwarnung! Der gute Mann hat ziemlich schlechte Laune. Hat vermutlich ebenfalls sehr wenig geschlafen.«

      Molly stand auf und ging zum Chef. Die Tür zu seinem Büro war offen. Molly klopfte an den Rahmen. »Sie möchten mich sprechen, Mr. Daglow?«

      »Ja«, brummte er gallig. »Kommen Sie herein und schließen Sie die Tür.«

      Molly kam mit Jonah Daglow normalerweise sehr gut aus. Er behandelte sie für gewöhnlich freundlich und mit Respekt, wusste ihre solide Arbeit zu schätzen. Er war ein grober Klotz, der in einem mitternachtsblauen Maßanzug steckte, in dem er sich noch nie wohl gefühlt hatte. Er trug viel lieber Jeans und Holzfällerhemden, aber in seiner Position war das nicht möglich.

      Da musste man mit teurem Zwirn, Schlips und Buttondawn-Hemd »etwas darstellen». Firmen-Philosophie. Jeder musste sich daran halten.

      Jeder. Auch Jonah Daglow. Ob ihm das nun passte oder nicht. Aber das war nicht der Grund für seine heutige Übellaunigkeit.

      Er zeigte auf den Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand. »Setzen Sie sich, Molly.«

      Sie nahm gespannt Platz. Was will er von mir?, fragte sie sich nervös. Was passt ihm nicht? Habe ich irgendetwas verbockt? Ich wüsste nicht, was.

      »Sie wissen, dass ich Golf spiele«, begann Jonah Daglow grollend.

      Jeder weiß das, dachte Molly. »Ja, Mr. Daglow«, antwortete sie.

      »Ich spiele oft und gern und mit jedem«, sagte Jonah Daglow mit finsterer Miene. »Auch mit Leuten, die in Konkurrenzbetrieben arbeiten. Da kommen einem so manche Interna zu Ohren. Wie zum Beispiel, dass Ihnen das Klima bei uns nicht behagt, dass Sie mit Ihrem Gehalt nicht zufrieden sind, dass Ihnen mein Führungsstil nicht gefällt …«

      Molly war fassungslos. »Wie bitte?«

      »Dass Sie sich verändern möchten«, ergänzte Jonah Daglow die Liste seiner Vorwürfe laut.

      »Wer hat das gesagt?«, fragte Molly empört.

      »Sie haben sich bei ›Eldoo‹, unserem schärfsten Konkurrenten, um einen Job beworben«, sagte Jonah Daglow anklagend.

      »Ich?« Molly wurde wütend. Hitze stieg ihr in die Wangen.

      »Leugnen Sie das etwa?«

      »Ganz entschieden sogar«, antwortete Molly erbost. Wenn ihr jemand Unrecht tat, konnte sie ziemlich heftig werden. »Ich habe mich nirgendwo beworben.«

      »Nicht Sie persönlich«, sagte Jonah Daglow. »Das hat Ihr Freund telefonisch für Sie getan. Harry Baxter sollte nur mal bei Hank Braddock vorfühlen, ob was frei ist, ob für Sie die Möglichkeit besteht, den Arbeitsplatz zu wechseln – von ›Modol‹ nach ›Eldoo‹.«

      »Hat Mr. Braddock das gesagt?« Zorn rötete Mollys hübsches Gesicht.

      »Jawohl, das hat er«, bestätigte Jonah Daglow. »Zwischen Loch zehn und elf.«

      »Das ist eine unverschämte Lüge!«, stieß Molly aufgebracht hervor. Sie konnte sich einfach nicht beherrschen, war nahe daran, aufzuspringen und aus dem Büro ihres Chefs zu stürmen. »Eine Ungeheuerlichkeit sondergleichen ist das. Völlig aus der Luft gegriffen. Wie kommt Mr. Braddock dazu, so etwas zu behaupten? Was bezweckt er damit? Will er mir schaden? Weshalb? Ich kenne ihn doch überhaupt nicht. Und er kennt mich nicht.« Sie versuchte sich wenigstens einigermaßen zu beruhigen. Ihr Herz hämmerte wild. Sie beugte sich vor und sah ihrem Chef so fest in die Augen, als wollte sie ihn hypnotisieren. »Hören Sie, Mr. Daglow«, sagte sie so maßvoll wie möglich. »Ich arbeite gern hier. ›Modol‹ ist mein berufliches Zuhause. Mir gefällt mein Job. Ich möchte keinen andern haben. Weder bei ›Eldoo‹ noch sonst wo. Ich habe meinen Freund nicht gebeten, Mr. Braddock anzurufen, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er es eigenmächtig getan hat, weil er weiß, dass ich mich hier wohlfühle. Entweder liegt dem Ganzen ein bedauerlicher Hörfehler zugrunde, oder jemand hat sich auf meine Kosten einen sehr, sehr schlechten Scherz erlaubt. Das müssen Sie mir glauben.«

      Molly stand ruckartig auf. Mehr war zu dieser hirnrissigen Anschuldigung nicht sagen. Sie kehrte aufgewühlt an ihren Schreibtisch zurück und hoffte, dass Jonah Daglow die unerfreuliche Angelegenheit so bald wie möglich vergaß.

      *

      Am frühen Nachmittag rief Harry Baxter an. Molly erzählte ihm nichts von dem unerquicklichen Vorfall. Sie wollte nicht am Telefon darüber reden. Harrys Stimme klang irgendwie rau und spröde.

      War er sauer? Hatte er sich über einen Kunden geärgert? So hörte er sich an. Und er war auch nicht so freundlich wie sonst, gab ihr keine Kosenamen, sprach nüchtern und war kurz angebunden.

      Er hat irgendwas, vermutete Molly. Was mochte ihm über die Leber gelaufen sein? Er sagte, er würde sie nach Feierabend von daheim abholen.

      »Okay.«

      »Ich komme mit Jacobs Motorrad«, ergänzte er. Jacob Brown war sein Freund, ein ebenso zuverlässiger wie preiswerter Mechaniker, der sich in letzter Zeit immer öfter um Harrys fahrbaren Untersatz kümmern musste. Alte Menschen müssen häufiger zum Arzt gehen. Alte Fahrzeuge müssen öfter in die Werkstatt.

      »Streikt dein Auto mal wieder?«, fragte Molly. »Gestern ist es doch noch…«

      »Ein Sprayer hat mir in der Nacht die Windschutzscheibe total versaut«, fiel ihr Harry so unwirsch ins Wort, als hätte sie es getan. »Jetzt steht der Wagen in Jacobs Garage, und er wird versuchen, das Glas mit irgendeinem Lösungsmittel sauber zu bekommen.«

      Hast du hinter meinem Rücken mit dem Chef von »Eldoo« geredet?, ging es Molly durch den Sinn. Willst du mir ohne mein Einverständnis zu einem besser bezahlten Job verhelfen? Bei »Eldoo« sind zwar die Gehälter höher, aber die Firma beutet ihre Leute rücksichtslos aus. Das ist allgemein bekannt. Es gibt nirgendwo mehr Burnouts als da, deshalb würde es mir nicht einmal im Traum einfallen, mich bei diesem Unternehmen um einen Job zu bemühen. Ganz abgesehen davon, dass hinter »Eldoo« – wie auch jeder weiß – eine international agierende Sekte steht, die ziemlich umstritten ist.

      Harry sagte: »Bis später.« Und legte auf.

      Kein Küsschen diesmal, dachte Molly ein wenig enttäuscht. Sonst schickt er zum Abschied immer noch schnell eines durch die Leitung. Er scheint im Moment wirklich nicht besonders gut drauf zu sein.

      *

      Als Molly nach Hause kam, wollte sie sich sogleich mit einer Katzenfutter-Sonderration bei Johnny entschuldigen, doch der dicke schwarze Kater glänzte durch Abwesenheit. Sie suchte ihn im ganzen Haus und auch draußen, rief und lockte ihn, doch er ließ sich nicht blicken.

      Er ist böse auf mich, dachte Molly schuldbewusst. Ich kann’s verstehen. Wie konnte Frauchen nur so grausam sein und dir eine Hungerdiät aufzwingen, wo es doch weiß, wie gerne du frisst?

      Sie kehrte ins Haus zurück und spannte eine Frischhaltefolie über den Fressnapf, damit das Katzenfutter nicht austrocknete.

      Während sie sich für die bevorstehende Motorradfahrt umzog, beschlich sie ein eigenartiges Gefühl. Sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass jemand während ihrer Abwesenheit im Haus gewesen war.

      Einbildung? Realität? Die große blau marmorierte Keramik-Obstschüssel, die Molly ihrer Mutter zum Geburtstag geschenkt hatte, stand nicht an ihrem gewohnten Platz. Ein bordeauxroter Lederhocker war aus dem Wohnzimmer verschwunden. Molly entdeckte ihn im Flur. Und die große antike Pendeluhr neben dem prall gefüllten Bücherregal aus Eichenholz zeigte eine völlig falsche Zeit an. Das war sehr ungewöhnlich, denn normalerweise war die Uhr an Präzision nicht zu übertreffen. Molly klappte das runde Schutzglas auf, brachte die Zeiger in die richtige Position und schloss das Glas wieder. Wer hat das getan?, fragte sie sich unsicher. War ich das etwa und kann mich nicht daran erinnern? Habe ich geistige Aussetzer? Stimmt irgendetwas nicht mit mir? Bin ich krank? Im Kopf? Man hört und liest so viel von gefährlicher Handy-Strahlung,