Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 5 – Arztroman


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      Das erste Wort, das Beate mehr krächzte als sagte, war Janine.

      »Sie ist auch hier«, sagte Jenny beruhigend, »gleich neben dir, aber sie ist noch nicht wieder aufgewacht.«

      »Was ist passiert, was ist mit ihr?« fragte Beate mühsam und kaum vernehmbar, aber Jenny wußte, was sie erfahren wollte.

      »Ihr hattet einen Unfall und seid ziemlich schwer verletzt. Deiner Mutter geht es aber schon etwas besser«, fügte sie rasch hinzu.

      »Mama, die Kurven«, murmelte Beate, »das Motorrad…«

      Jenny staunte, sie konnte sich tatsächlich gleich daran erinnern.

      »Ja, dann ist es passiert«, sagte Jenny, »aber jetzt sollst du nicht grübeln, Beate, du mußt gesund werden wollen.«

      »Wenn Janine auch wieder gesund wird. Weiß es Andy schon?«

      »Wer ist Andy?«

      »Ihr Freund, aber ihre Mutter darf es nicht wissen.«

      Dann wird er ihr nicht in ihre Pläne passen, dachte Jenny. »Wie heißt er noch, Beate?«

      »Delano, er ist Elektriker. Mir tut alles weh.«

      »Du darfst nicht gleich soviel sprechen. Gleich bekommst du eine Infusion, dann geht es dir wieder besser. Also Delano, und wie heißt dein Freund?«

      »Ich habe keinen.« Es war schon kaum noch zu verstehen, und nun waren ihre Augen wieder geschlossen, und ihre Lippen lagen fest aufeinander.

      Jenny kümmerte sich selbst um die Infusion. Janine mußte auch wieder eine bekommen. Während Jenny Janine betrachtete, wurde sie erst recht traurig. Während

      Beates Gesicht noch Wunden aufwies, war Janines von Verletzungen verschont geblieben, aber dafür waren die anderen Verletzungen bedeutend schwerer als bei Beate. Knochenbrüche heilten schneller als Wirbelverletzungen, und das Nierentrauma hatten die Ärzte schnell unter Kontrolle bekommen.

      Bei Janine mußte man immer wieder mit Komplikationen rechnen, die von den inneren Blutungen verursacht wurden. Janine war leicht wie eine Feder, das war wiederum für Wirbel und das Becken von Vorteil, aber es war noch nicht erkennbar, ob die Lähmungserscheinungen nur auf die schlechte Durchblutung zurückzuführen waren.

      Dieter und Jenny Behnisch wollten ganz behutsam vorgehen, um nicht durch zu schnelles Handeln mehr Schaden als Nutzen zu verursachen. Operieren konnten sie zu dieser Zeit sowieso nicht, das könnte sie das Leben kosten. Aber immerhin konnten sie feststellen, daß beide Mädchen eine gute Konstitution hatten, das war beruhigend.

      Jenny rief Fee an und fragte sie, ob sie zufällig einen Andy Delano kenne.

      »Meinst du den jungen Elektriker? Der ist sehr zu empfehlen, aber er hat diese Woche Urlaub.«

      »Da kann man nichts machen. Beate war kurz bei Bewußtsein und hat mir gesagt, daß dieser Andy Janines Freund ist, von dem die Mutter nichts wissen darf. Wenn es bloß ein Elektriker ist, wundert mich das nicht.«

      »Bloß ein Elektriker? Seit wann bist du auch hochnäsig, Jenny?«

      »Ich doch nicht, aber ich sehe das von Frau Binders Standpunkt. Gute Elektriker sind viel zu selten. Ich habe gehofft, seine Nähe könnte ihr helfen.«

      »Wenn ich höre, daß er zurück ist, sage ich ihm Bescheid.«

      »Das ist nett, vielen Dank, daß du das übernimmst.«

      »Wie geht es Beate?«

      »Sie kann sich an alles erinnern, es hat mich erstaunt, daß sie gleich so reden konnte. Das ist wenigstens ein großer Fortschritt, aber ihre Mutter ist enervierend. Unsere Schwestern möchten sie am liebsten sonstwohin zaubern.«

      Fees Gedanken waren schon wieder bei Andy Delano. Sie hatten seine Dienste schon mehrmals in Anspruch genommen. Er arbeitete im Betrieb seines Onkels, den er später auch mal übernehmen sollte. Er war ein sehr netter, junger Mann, gutaussehend und immer freundlich. Fee konnte verstehen, daß er Janine gefiel, aber sie konnte sich auch ausrechnen, was für ein Theater es bei ihnen geben würde, wenn sie ihn als ihren Freund vorstellte. Genauso würde es auch bei Beate sein, wenn sie einen Freund hätte, der den Ansprüchen ihrer Mutter nicht genügte.

      Als Fee zum Markt fuhr, hielt sie bei Delanos Geschäft an. Man konnte bei ihm auch elektrische Geräte aller Art bekommen, und das Geschäft florierte, wohl vor allem deshalb, weil man sehr gut bedient und beraten wurde. Es war alles sehr gepflegt, auch die Werkstatt. Erich Delano war an diesem Tag selbst im Geschäft. Fee wurde höflich begrüßt und nach ihren Wünschen gefragt. Sie kaufte einige Glühbirnen und eine Verlängerungsschnur, die sie wirklich brauchte.

      »Wie geht es Andy? Ich habe gehört, daß er Urlaub hat«, fragte Fee.

      »Er ist nach Griechenland gefahren, aber vorhin hat er angerufen, er kommt heute zurück.« Delano war verlegen geworden.

      »Ich würde ihn gern sprechen, Herr Delano, es geht um den Unfall.«

      »Aber da war er schon weg, und er ist schon lange nicht mehr mit Klaus Ziegler zusammen.«

      »Darum geht es auch nicht, sondern um Janine. Sie kennen doch Janine, Herr Delano?«

      »Das schon, aber ich rede nicht darüber. Ist sie schwer verletzt?«

      »Allerdings, und von der Freundschaft wissen wir, weil Beate seinen Namen nannte, als sie kurz zu Bewußtsein kam. Wir werden Frau Binder bestimmt nichts verraten, aber es wäre gut, wenn Andy Janine bald in der Klinik besuchen würde.«

      »Der arme Bub ist ganz durcheinander, seit er in Griechenland von dem Unfall erfahren hat. Er hat gleich angerufen, aber erst heute einen Flug bekommen. Er wird bald zu Hause sein.«

      »Dann sollte er zur Behnisch-Klinik fahren und sich bei Frau Dr. Behnisch melden.«

      »Ich werde es ihm gleich sagen. Es ist ja schrecklich, daß so was passieren mußte, aber ich habe sowieso Bedenken wegen Janines Eltern.«

      »Sie ist volljährig und wahrscheinlich läßt sie sich nicht mehr beeinflussen. Aber überlassen wir das den jungen Leuten und der Zukunft und hoffen erstmal, daß Janine gesund wird.«

      »Sie ahnen nicht, welche Angst er jetzt aussteht. Es ist nun mal nicht zu ändern, wenn zwei aus verschiedenen Welten sich ineinander verlieben. Er ist ein ordentlicher Bursche, und es würde ihr bestimmt an nichts fehlen, so fleißig wie er ist.«

      »Jetzt machen Sie sich mal keine Gedanken über die verschiedenen Welten, das spielt sich doch nur in den Köpfen der Nichtstuer ab, die auf Kosten anderer leben.«

      »Wenn alle so denken würden wie Sie, sähe es in der Welt sowieso besser aus.«

      »Etwas zuviel der Ehre, Herr Delano, es gibt viele, die so denken wie ich und mein Mann. Und die anderen können einem nur leid tun.«

      Jetzt wußte sie wenigstens Bescheid, daß Andy nach Griechenland geflogen war, um dort Janine zu treffen, und nicht irgendwohin, wo er sich amüsieren wollte. O ja, die erste Liebe brachte so manche Schmerzen mit sich, das hatte sie auch erfahren, als sie dachte, daß Daniel sich für andere interessierte und sie nicht ernst nahm. Wie eifersüchtig war sie auf jede gewesen, die sich an ihn heranmachte!

      Fee dachte auch an die vielen Mißverständnisse, bis sie beide ganz genau wußten, daß sie sich liebten. Es war kein Strohfeuer gewesen, wie bei so vielen, das schnell verglühte, um dann völlig ernüchterte Paare auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen und oft sehr unsanft. Ihre Ehe hielt, ihre Liebe war immer stärker geworden, und jetzt, nach so vielen Jahren, wußte sie, daß es eigentlich so sein sollte, und nicht so, daß sich Paare nach vielen

      Jahren trennten, sich bekriegten und um Geld und Besitz feilschten.

      Warum war das so? fragte sie sich manches Mal. Man konnte eben nicht hinter die Fassaden schauen, die so oft lange Zeit nach außen poliert wurden, um über die Wahrheit und über das, was sich dahinter abspielte, hinwegzutäuschen.

      Es