Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 5 – Arztroman


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langen Kampfes standen. Würde Andy auch zu Janine halten, wenn sie für immer von den Unfallfolgen gezeichnet bleiben würde? War dieser jungen Liebe überhaupt eine Zukunft beschieden? Würde wenigstens ihr Vater dem Schicksal dankbar sein, wenn ihm seine Tochter erhalten blieb und ihr dann das Glück gönnen, das ihr noch beschieden sein konnte?

      Fee konnte sich nicht von den Gedanken lösen, die sie so bewegten. Die Kinder schauten fragend und verwundert, weil sie gar so in sich versunken war.

      »Mami hat ihren philosophischen Tag«, meinte Danny.

      »Mami träumt mit offenen Augen«, sagte Anneka.

      »Mami ist heute nicht lustig«, beschwerten sich die Zwillinge.

      *

      Andy war von seinem Onkel empfangen worden, als käme er von einer Weltreise zurück, aber Erich Delano war erschrocken, wie blaß und niedergeschlagen Andy aussah.

      »Du möchtest in die Behnisch-Klinik kommen, Junge, und möglichst bald, läßt dir Frau Dr. Norden ausrichten.«

      »Wieso Frau Dr. Norden?« fragte Andy verwirrt.

      »Beate war kurz bei Bewußtsein und hat nach dir gefragt. Sie hat dann wohl gesagt, daß du Janines Freund bist.«

      »Hoffentlich erfährt das ihre Mutter nicht«, stöhnte Andy, »sonst bekommt sie da auch noch Ärger.«

      »Sie ist noch nicht bei Bewußtsein.«

      Andy wurde gleich noch fahler. »So schlimm ist es? Dann muß ich sofort hin, Onkel Erich.«

      »Fahr nur, der Wagen ist startbereit. Aber paß auf, daß du in der Aufregung nicht auch irgendwo hinfährst.«

      »Weiß man denn schon, wie es passiert ist?«

      »Die Hauptschuld trifft wohl Klaus Ziegler. Er ist tot.«

      Andy fuhr sich über die Augen. »Ich habe ihm mehrmals gesagt, daß er sich eines Tages derrennt«, murmelte er. »Und nun war er auch noch schuld an diesem Unglück. Er kann froh sein, daß er tot ist. Wenn Janine leiden muß, hätte ich ihn…«

      »Versündige dich nicht, Andy!« fiel ihm der Ältere hart ins Wort, bevor er zu Ende sprechen konnte. »Bete lieber zu Gott, daß Janine gesund wird.«

      »Das werde ich, Onkel Erich«, flüsterte Andy mit Tränen in den Augen. »Ich fahre jetzt zur Klinik.«

      »Du sollst dich bei Frau Dr. Behnisch melden«, rief ihm sein Onkel nach.

      *

      Was für ein hübscher junger Mann, war Jennys erster Gedanke, als Andy kam.

      Hübsch war eigentlich nicht der richtige Ausdruck, aber sie wußte nicht, welches Wort angebrachter gewesen wäre. Sympathisch – ja, das war er auch – attraktiv? Dazu fehlte noch das selbstbewußte, erfahrene Auftreten. Jenny konnte sich jedoch sehr gut vorstellen, wie er bei den Frauen jeden Alters ankam mit seinen dunklen Samtaugen und dem schwarzen Haar, der athletischen Figur, um die ihn bestimmt mancher Filmstar beneiden würde.

      Andy war schüchtern, aber gerade das machte ihn so anziehend. Er war gut erzogen worden von Erich Delano, der ihn zu sich geholt hatte, als seine Schwester schon ein paar Wochen nach der Geburt gestorben war, verlassen von dem Mann, den sie geliebt hatte. Er und seine Frau, die vor zwei Jahren gestorben war, hatten Andy wie ein eigenes Kind aufgezogen, obgleich sie selbst drei hatten. Die waren aber schon, kaum erwachsen, ihre eigenen Wege gegangen. Andy war ihnen geblieben, und er dankte es ihnen, daß sie so liebevoll für ihn gesorgt hatten.

      Jenny gewann gleich den allerbesten Eindruck von ihm. So bedrückt er auch war, er hörte genau zu, was sie ihm sagte.

      »Jetzt geht es darum, daß man ihr das Gefühl geben muß, daß sie nicht verlassen sein wird.«

      »Ich werde immer für sie sorgen, das ist versprochen, und Beate ist eine so gute Freundin…«

      »Aber auch sie wird lange brauchen, bis sie wieder gesund wird. Wenn Janine mehr leiden muß als sie, wird das eine schwere seelische Belastung für sie sein.«

      »Aber ihre Mutter war doch nicht schuld an dem Unfall, wie mir mein Onkel sagte. Klaus Ziegler war es, den kannte ich. Er war ein Raser. Ich habe ihn öfter gewarnt, aber er hat auf niemand gehört. Er hat ja auch immer gleich ein neues Fahrzeug bekommen, wenn eins zu Schrott gefahren war. Seine Eltern sind so Neureiche, die es anderen zeigen wollen, was sie sich alles leisten können, ich habe damit nichts am Hut. Bei uns ist es aber so, ich meine, bei Janine und mir, daß ich ihrer Mutter nicht fein und gebildet genug bin. Ihr Vater wird wohl auch was gegen mich haben.«

      »Ich glaube, daß man mit Herrn Binder ganz vernünftig reden kann, aber jetzt wollen wir erst einmal an Janines Genesung denken. Sie ist noch nicht bei Bewußtsein, aber Sie können schon etwas zu ihr sprechen, etwas sagen, das ihr Freude bereiten könnte. Wenn sie auch nicht gleich reagiert, wir haben die Erfahrung gemacht, daß liebe Worte in das Bewußtsein der Patienten dringen, sogar bei komatösen Patienten.«

      »Ja, davon hab’ ich auch schon gehört.«

      »Und viel Geduld müssen Sie haben, Herr Delano.«

      »Die habe ich, die bringt schon mein Beruf mit sich. Aber Sie können ruhig auch Andy zu mir sagen. Ein Herr bin ich ja nicht.«

      »Aber ein Gentleman«, sagte Jenny lächelnd. »Janine hat eine gute Wahl getroffen.«

      Da wurde er tatsächlich rot. Ein scheues Lächeln, das ihn noch anziehender machte, huschte über sein Gesicht.

      *

      »So ein lieber Junge«, sagte Jenny fast schwärmerisch, als sie mit Fee telefonierte und ihr von dem Gespräch mit Andy berichtete. »Jetzt ist er schon zwei Stunden bei Janine und redet immer wieder auf sie ein. Ich setze auf seine Hilfe.«

      »Das gibt Hoffnung«, sagte Fee, »aber so habe ich ihn auch eingeschätzt. Hat er von Klaus Ziegler erzählt?«

      »Ein bißchen, daß die Eltern Neureiche sind und ihrem Sohn nichts verübelt haben.«

      »Und jetzt jammern sie und machen Gott und die Welt verantwortlich für seinen Tod. Nur ihre und seine eigene Schuld geben sie nicht zu. Angeblich war er nie schuld, obgleich er schon in den Polizeiakten vermerkt ist. Es ist traurig, Jenny.«

      »Und manches kann man einfach nicht begreifen. Aber ich muß wieder an die Arbeit, Fee. Bis dann!«

      Andy flüsterte indessen immer wieder zu Janine, daß er sie liebe und sie den Willen zur Genesung haben müsse.

      »Ich werde immer bei dir sein, Janine, du kannst dich auf mich verlassen. Was meinst du, wie entsetzt ich war, als ich in Athen am Flughafen stand und du nicht kamst, wo wir uns doch alles so schön ausgedacht hatten. Und wie ich dann hörte, was passiert ist, wollte ich gleich wieder nach München fliegen, aber die Maschine war ausgebucht und ich mußte warten. So ungeduldig war ich noch nie. Du weißt ja nicht, wie sehr ich dich liebe, aber ich bin mir meiner Gefühle ganz sicher.«

      Das hörte Jenny gerade noch, als sie leise eingetreten war.

      Andy hatte sie nicht gehört. Er kniete jetzt am Bett und hatte seine Wange auf Janines Hände gelegt. »Mein Herz schlägt nur für dich. Ich verspreche dir, daß ich immer für dich dasein werde.«

      Er meint es ernst, es ist rührend, dachte Jenny. Für ihn würde die Welt zusammenbrechen, wenn Janine sterben müßte.

      Es dauerte noch eine Stunde, und er schlief schon fast ein, denn fast sechzig Stunden hatte er kaum ein Auge zugetan, als Janine das erste Lebenszeichen von sich gab. Es war ein tiefer Seufzer und dann sein Name, nur geflüstert, aber er war sofort wieder ganz munter.

      »Ich bin ja bei dir, Jannimaus«, sagte er zärtlich, »bitte, schau mich an.«

      »Sind wir schon in Athen?« fragte sie, ohne die Augen zu öffnen.

      Er merkte, daß sie sich noch in einem Traum befand.

      Er war richtig erleichtert, daß Jenny Behnisch