Leni Behrendt

Leni Behrendt Box 1 – Liebesroman


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      »Dann geht es hier genauso zu wie bei uns. Aber sag mal, Kleines, ist es nach der fabelhaften Erbschaft, welche die Sölgerthurns machten, immer noch notwendig, daß die beiden Herren so straff in den Sielen liegen müssen?«

      »Notwendig ist es wahrlich nicht, Jo. Das war es schon nicht, als ich – mein Geld – hier hereinbrachte. Aber das Wirken auf der Scholle ist nun mal ihre Passion.«

      »Die Friedbert mit ihnen teilt. Der könnte einen Kartoffelsack voll Geld hinter sich stehen haben, er würde trotzdem arbeiten.«

      Während sie sprach, sah sie Doro unentwegt an, die in dem duftigen Morgenmantel, den sie über dem Nachtkleid trug, wie ein holdes Märchenwesen anmutete. Das seidige Haar, von einer koketten Schleife gehalten, fiel seitwärts in das feine Gesichtchen, das Pantöffelchen, das sie auf einem Fuß balancierte, erschien kinderklein.

      »Weißt du auch, Dörth, daß du zauberhaft schön bist?« sprach die Frau jetzt so ernst, wie man sie selten sah. »Von einer köstlichen – einer gefährlichen Schönheit.«

      »Gewiß weiß ich das«, kam es gleichmütig zurück. »Dafür sehe ich ja in den Spiegel.«

      »Und warum nutzt du diese Schönheit, die man poetisch des Weibes Waffen nennt, nicht mehr aus?«

      Es war ein fast entsetzter Blick, der die lebenserfahrene Frau aus den strahlendblauen Augen traf. Zärtlich strich sie eine gleißende Locke aus dem heißerglühten Gesichtchen des jungen Menschenkindes und sprach dann behutsam weiter:

      »Ich bin nicht etwa von ungefähr hier, mein Kind – ich kam extra deinetwegen. Und ich will gleich mit dir sprechen, weil jetzt die beste Gelegenheit dazu ist.«

      »Jo, was hast du vor?« fragte Doro erschrocken. »Wenn du nämlich so ein tiefernstes Gesicht machst, ist irgend etwas kritisch. Und ich freute mich doch so sehr über deinen Besuch.«

      »Das kannst du auch weiter tun, wenn ich dir dein törichtes Köpfchen zurechtgesetzt habe.«

      »Was verbrach ich denn?«

      »Du schreibst mir Briefe, die mir gar nicht gefallen wollen. Es klingt da so ein wundes Herzchen in den Zeilen mit. Natürlich nur für den, der zwischen den Zeilen zu lesen versteht. Hast du dir überhaupt schon Gedanken über deine Zukunft gemacht?«

      »Eigentlich nicht.«

      »Das mußt du aber, Doro. Bedenke, daß ein altes, stolzes Geschlecht mit deinem Gatten ausstirbt…«

      »Bitte nicht, Jo –!«

      »Doch, Dörth. Du wirst bald einundzwanzig Jahre alt, bist also kein Kind mehr.«

      »Ja, was soll ich denn tun?« flammte sie jetzt auf. »Mich ihm wieder an den Hals werfen wie am Weihnachtsabend – um wieder in so demütigender Art abgewiesen zu werden? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie das an meinem Stolz zerrte und riß?«

      »Und wie ich das kann, du Dummchen, das du damals noch warst. Sonst hättest du bestimmt den Fehler nicht begangen. Denn so gewinnst du einen Mann wie Edzard Sölgerthurn nicht. Der schießt keine Wildtaube ab, die ihm von ungefähr gegen die Flinte fliegt. Der will sie sich herunterholen aus des Himmels Bläue.«

      »Eben. Daher wird er mir nie verzeihen, daß ich ihn mir aus dem Eigensinn des verzogenen Kindes heraus – erkaufte. Daher war diese Ehe verfahren von Anfang an. Nun muß ich für meine Eselei büßen, was mir ganz recht geschieht.«

      »Dir schon – aber nicht deinem Gatten, der mit dieser Heirat seinen Eltern und dem Erbe seiner Väter ein Opfer brachte.«

      »Jo, was soll das!« wehrte sie sich verzweifelt. »Sieh mich nicht an mit dem verflixten Blick, der mich immer so klein und häßlich werden läßt. Laß mich in Ruhe!«

      »Mitnichten, mein eigenwilliges Kind. Ich bin nämlich hergekommen, um dir zu helfen.«

      »Du kannst mir nicht helfen.«

      »Abwarten. Vor allen Dingen verlange ich Aufrichtigkeit von dir…«

      »Ich pflege nicht zu lügen!«

      »Aber manches zu verschweigen, du unglaublicher Trotzteufel. Es ist ja gar kein Wunder, daß ein Mann wie Edzard Sölgerthurn sich mit einem solchen nicht abplagen will – sondern ihn einfach links liegen läßt.«

      »Also Jo…«

      »Also Dörth! Ich laß mich noch lange nicht von deinen trotzfunkelnden Augen abschrecken, das müßtest du wohl wissen.«

      »Was du Trotz nennst – ist Stolz.«

      »Na schön, streiten wir darüber nicht. Verrate mir lieber, wie du dir den Verlauf deiner Ehe denkst.«

      »Edzard kann sie ja lösen, wenn sie ihm nicht paßt.«

      »Daß sie ihm von Anfang an nicht paßte, haben wir nun schon genügend erörtert. Aber daß er sie nicht löste, nachdem die reiche Erbschaft ihn von deinem Geld unabhängig machte, muß ja wohl einen stichhaltigen Grund haben.«

      »Gewiß. Es verträgt sich eben nicht mit seinen Ehrbegriffen, eine Ehe ohne Grund zu lösen.«

      »Ohne – Grund –«, dehnte Jo, und da wurde die andere böse.

      »Jetzt wird es mir aber zu bunt! Du nimmst doch nicht etwa an…?«

      »Ich nehme nichts an – sondern ich weiß, nämlich: Daß du ja gar nicht mehr von hier weg kannst, du törichtes Kind, weil du schon viel zu tief verwurzelt bist mit allem, was hier lebt und webt. Sonst hättest du schon die Ehe von dir aus gelöst – die du ja nur eingingst, um deinem Edzard zu helfen, den du schon immer liebtest – und ihn auch heute noch liebst, heißer und hartnäckiger denn je zuvor.«

      »Soll ich ihm das etwa zum zweiten Mal sagen?«

      »Nein – aber so ein wenig des Weibes Waffen gebrauchen«, zwinkerte sie ihr zu. Da sprang Doro auf, rannte davon – und die lebenserfahrene Frau sah ihr mit gerührtem Lächeln nach.

      Als sie dann später auf der Terrasse erschien, charmant, elegant, gepflegt von Kopf bis Fuß, fand sie Familie Sölgerthurn, außer Doro, bereits am Frühstückstisch vor. Es gab ein frohes Begrüßen, hinterher ein gemütliches Mahl.

      Und dann stand die junge Herrin des Hauses da – strahlend, zauberschön wie ein lachender Frühlingsmorgen. Und frühlingsduftig war auch das Kleid­chen, schlicht erscheinend, doch ungemein apart und auserwählt. Der jungrote Mund lachte mit den leuchtenden Blauaugen um die Wette.

      Beherrschen kann die Kleine sich, das muß ihr der Neid lassen – schoß es Jo durch den Sinn. Mein geliebter kleiner Goldfasan, du bist nicht nur eine zauberschöne, sondern auch eine stolze Trägerin deines jetzigen Namens. Du kannst dem alten Geschlecht schon zur Zierde gereichen.

      Und der Herr Gemahl? Der wachsamen Jo entging der versteckte, zärtliche Blick nicht, mit dem er die wunderholde Gattin betrachtete.

      Ach, wie wurde es der Jo da mit einem Mal so froh und leicht ums Herz! Sie sprühte förmlich vor Witz und guter Laune. Dabei paßte sie scharf auf. Machte so ihre Beobachtungen, die andern entgingen.

      Dumme kleine Dörth – dachte sie gerührt. Du hast ja keine Ahnung, wie warm und weich du bereits in diesen stolzen, sonst so verschlossenen Herzen sitzt. Du herrschst hier genauso, wie du in deinem Elternhaus herrschest.

      »Jo, du darfst morgen noch nicht abfahren«, drang Doros Stimme in ihr Grübeln hinein. »Du mußt unbedingt an meinem Geburtstag hier sein. Es sind ja nur noch fünf Tage bis dahin. Bitte, Jo!«

      »Liebchen, laß diesen bettelnden Blick«, wehrte die Dame lachend. »Du weißt ganz genau, daß du mich damit weich kriegst. Ich muß zwischendurch nach Hause, doch zu deinem Geburtstag finde ich mich wieder ein. Das heißt, wenn das deinen Lieben genehm ist.«

      »Dieser Nachsatz war nun wirklich nicht nötig«, meinte die Hausherrin liebenswürdig. »Wir werden uns über Ihren Besuch stets freuen, Frau Baronin.«

      »Herzlichen