Leni Behrendt

Leni Behrendt Box 1 – Liebesroman


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Sittas Mutter, Herr Graf.«

      »Ach du liebes bißchen!« entfuhr es dem Senior, während der Sohn enteilte. »Sitta läßt von sich hören – und das bedeutet bestimmt nichts Gutes.«

      Und damit sollte er recht behalten. Denn als Edzard zurückkam, zuckte es ihm nervös um Augen und Lippen.

      »Sitta ist anscheinend kränker geworden«, erklärte er unmutig. »Und ich soll daran schuld sein, wie ich den konfusen Andeutungen Tante Fredas entnehmen konnte. Ich hätte ihrer Tochter das Herz gebrochen, als ich sie so unbarmherzig verließ. Es wäre meine Pflicht gewesen, bei ihr zu bleiben.«

      »Na, da hört doch wohl alles auf!« wurde Graf Bertram so böse, wie man ihn selten sah. »Du hast dich doch wahrlich genug um die unverschämte Kranke bemüht, will ich meinen. Hast bei ihr ausgeharrt bis zur Lächerlichkeit. Hast dir ihretwegen die Nächte um die Ohren geschlagen. Selbst deine Ehe hast du gefährdet, die bestimmt in die Brüche gegangen, wenn Doro nicht so vernünftig gewesen wäre. Und nun sollst du dich gar noch als Krankenpfleger an ihrem Bett niederlassen – bei ihr, die wir aus Gnade und Barmherzigkeit aufnahmen.«

      »Bertram, so beruhige dich doch«, mahnte die Gattin, und da hielt er beschämt inne.

      »Ist doch auch wahr«, brummte er. »Die Freda ist genauso unverschämt wie ihre Tochter. Was wollte sie überhaupt von dir, Edzard?«

      »Daß ich schleunigst im Sanatorium erscheinen und ihre Tochter hätscheln soll.«

      »Das wirst du nicht tun – das verbiete ich dir!«

      »Aber ja, Bertram, ist doch schon gut«, beschwichtigte die Gattin jetzt. »Sei doch nicht so ungehalten. Du mußt ja der Frau Baron als fürchterlicher Baubau erscheinen.«

      »Das tut er keineswegs«, wehrte diese ab. »Dafür besitze ich wohl eine zu gute Menschenkenntnis. Und daher möchte ich den Grafen Edzard auch davor warnen, der eigensinnigen Kranken und ihrer anmaßenden Mutter jetzt nachzugeben. Dann könnte er sich wirklich als barmherziger Samariter am Krankenbett niederlassen. Ich kenne den Fall nämlich aus Doros Briefen und weiß daher, daß Sie alle hier bei der Kranken Ihrer Menschenpflicht mehr als genügten. Schon allein damit, daß Sie ihr den kostspieligen Sanatoriumsaufenthalt ermöglichten…

      Aber die beiden Damen scheinen tatsächlich zu den Menschen gehören, die hinterher gleich nach der Hand greifen, sofern man ihnen den kleinen Finger bietet. Und wenn man sich dagegen nicht wehrt, dann haben die – Unverschämten – auch bald den ganzen Menschen.«

      »Bravo, Frau Baronin, mir ganz aus der Seele gesprochen«, sagte Bertram begeistert. »Also, Edzard, bleib lieber hier. Denn wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um«, schloß er lachend, und nur zu gern fielen die andern ein.

      Auch Doro, die sich bisher schweigend verhalten hatte. Gleichmütig schaute sie drein. Aber Jo, die ihre Dörth ja besser kannte als alle andern, wußte, daß diese Gleichmütigkeit nur Tarnung war. Daß Doro davor bangte, Edzard könnte zu Sitta fahren und sich von ihr festhalten lassen – selbst über den Geburtstag der Gattin hinaus, der außerdem noch mit dem Hochzeitstag zusammenfiel. Und diese Demütigung mußte Jo, die ihre Dörth ja so zärtlich liebte, dieser auf jeden Fall ersparen – und wenn sie da gleich Intrigen spinnen müßte, die ihrem offenen Wesen so gar nicht lagen.

      »Rufen Sie doch den Leiter des Sanatoriums an, Graf Edzard«, sagte sie jetzt so harmlos, wie sie nur konnte. »Der wird Ihnen ja am besten sagen können, ob die gute Frau Freda Ihnen da nicht womöglich so ein bißchen Bluff vorgemacht hat.«

      »Also, Frau Baronin, Sie werden mir immer sympathischer«, bekannte Bertram treuherzig. »Geh, Junge, laß dich mit dem Leiter des Sanatoriums verbinden. Der wird dir am besten sagen können, was da gespielt wird.«

      Und es war kein faires Spiel, wie es dann ergab. Denn der Leiter des Sanatoriums, ein kurzangebundener Herr, machte dem jungen Grafen klar, daß zu viel Gutmütigkeit in Dummheit ausarten könnte. Er würde ihm raten, sich um die anmaßenden Verwandten überhaupt nicht mehr zu kümmern, die dafür bekannt seien, herumzuschmarotzen. Sie wären sehr gut in der Lage, die Sanatoriumskosten selbst zu tragen, wie er aus sicherer Quelle wüßte. Und von den Verzweiflungsrufen der lieben Freda brauchte man sich auch nicht beirren zu lassen. Deren Nerven gingen manchmal durch, was bei der ständigen Betreuung der tyrannischen Kranken gewiß kein Wunder wäre. Augenblicklich dichte sie ihr Idol an – und peinige zwischendurch die Mutter.

      Nach diesem Bericht, den Edzard wörtlich wiedergab, war es zuerst einmal still. Dann schlug sich Bertram mit der flachen Hand vor die Stirn, daß es nur so klatschte.

      »Großer Gott, die Dummen werden nicht alle. Und zu denen gehören wir.«

      So komisch klang es, daß man hellauf lachte. Und das konnte man auch, so richtig aus vollen Herzen heraus – und der Geldbeutel der Sölgerthurns freute sich mit.

      *

      Und nun war die Jo fort, die so viel lustiges Leben in das Rautenauer Schloß gebracht – und dessen junge Herrin mit ihren Ermahnungen aufgewühlt hatte bis zum tiefsten Herzensgrund. Wie sollte diese sich zurechtfinden in dem Chaos von Empfindungen? Was sollte sie tun, was unterlassen?

      Aber wie schon so oft, kam ihr auch diesmal der Stolz zur Hilfe, der sie ermahnte, sich um nichts zu vergeben, alles auf sich zukommen zu lassen. Wollte Edzard die Ehe lösen, konnte ja er den Auftakt dazu geben, sie jedenfalls unternahm da nichts.

      »Nun, kleine Dörth, sehr traurig, daß deine Jo wieder fort ist?« fragte der Schwiegervater, als man zum Abendessen zusammentraf. »Wenn wir auch nur einen Teil der Anhänglichkeit besäßen, die du förmlich an die Jo verschwendest, wären wir schon zufrieden.«

      »Wobei ich feststellen muß, daß du ungerecht bist, mein lieber Papa«, gab sie schlagfertig zurück. »Ist es etwa nicht Anhänglichkeit, wenn ich seit vier Monaten hier klebe und kaum noch meine Eltern besuche. Aha, jetzt machst du ein verdutztes Gesicht, Papachen.«

      »Und das mit Recht, Marjellchen. Sind es denn wirklich schon vier Monate her, die du hier dein Gastspiel gibst?«

      »Na – Gastspiel…«, dehnte sie. »In dem einen Jahr meiner Ehe war ich mehr als die Hälfte hier, will ich meinen.«

      »Womit du doch nicht womöglich sagen willst, daß du schon ein Jahr verheiratet bist?«

      »Das ist ganz mein Bertram«, lachte Gräfin Linda lustig. »Der dachte nie an unsern Hochzeitstag.«

      »Liebste Frau, blamier mich doch nicht so fürchterlich«, wehrte er schmunzelnd. »Wer zählt im Glück die Tage? Sie vergehen in der Ehe zuerst wie ein Frühlingstraum – dann wie ein lachender Sommertag – und dann wie ein milder, reifender Herbst…«

      »Papa, du bist ja ein Dichter«, lachte Doro lustig dazwischen, und er zog eine Grimasse.

      »Auch das noch! Dann schon lieber Stoppelhopser. Und nun sag deinem trauten Ehegemahl, was du dir an deinem doppelten Ehrentag wünschst.«

      »Ich wünsche mir vom Himmel das Blau«, gab sie schlagfertig zurück. »Kannst du damit aufwarten, mein Herr Gemahl?«

      »Warum nicht?« parierte er schmunzelnd. »Ich male es dir schön säuberlich.«

      »Na du, das laß lieber bleiben«, wehrte der Vater im komischen Entsetzen. »Wenn du mit deinem jämmerlichen Talent malst, wird bestimmt aus der Kuh eine Windmühle.«

      »Und das nennt sich nun väterliche Eitelkeit«, lachte Edzard gleich den andern. »Doch wie ist es, mein ehelich Weib, hättest du Lust, mit mir durch den herrlichen Maiabend zu reiten? Und zwar nach Lindgau, das seine Herrin schon lange entbehrt. Du siehst, auch ich kann poetisch werden.«

      »Du und poetisch«, lachte sie kurz auf. »Spotten kannst du – und das aus dem Effeff. Reite allein nach Lindgau, wenn du magst. Ich bin zu müde, um dich zu begleiten. Die Tage mit Jo waren recht anstrengend.«

      »Hauptsächlich dann, wenn du sie aus dem Schlaf reißen mußtest. Gestern mit einer Federpose ihren Nacken kitzelnd, heute mit einem nassen Schwamm.«