Leni Behrendt

Leni Behrendt Box 1 – Liebesroman


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mit zerschmetterten Gliedern irgendwo auflesen zu müssen.«

      »Das wollen wir doch gleich mal sehen…!«

      Ehe man es noch verhindern konnte, saß sie im Sattel, lachte hellklingend auf – und schon schoß das erschreckte Tier davon, daß die Erde unter den Hufen nur so flog. Jo hielt sich den Mund zu, um einen Aufschrei zu unterdrücken, und ihr entsetzter Blick ging zum Grafen hin, der sich soeben in den Sattel des zunächststehenden Pferdes schwang. Sein Gesicht war blaß und von unnachsichtiger Härte, die Zähne bissen sich zusammen, das Kinn schob sich vor, die Augen blitzten wie kalte Kiesel.

      Und dann setzte dieses Pferd dem andern nach – es war ein Ritt mit dem Tod.

      »Na, wenn das man gut geht«, murmelte der Baron, dem der Schreck nicht zu knapp in die Glieder gefahren war. »Wenn dem Grafen bei diesem tollkühnen Ritt nun etwas zustößt…«

      »Um Gottes willen, Bertie, sprich bloß nicht weiter!« hielt Jo ihm den Mund zu. Ihre Hand zitterte dabei wie Espenlaub, das Gesicht war aschfahl. Und auch dem Pferdepfleger, der an der Stalltür lehnte, saß die Angst in den Augen.

      Indes ging es kurz und hart zwischen dem gräflichen Paar zu. Doro, die sich gar nicht wohl in ihrer Haut fühlte, als das nervöse Tier davonpreschte, wollte das aber nicht zugeben, als der Graf sie eingeholt hatte, der Stute mit harter Faust in die Zügel fuhr und sie so zum Stehen brachte.

      »Na, mein Herr Gemahl, was sagst du nun?«

      Das Weitere blieb ihr in der Kehle stecken. Denn sie wurde mit harten Fäusten gepackt, aus dem Sattel gehoben und mit Nachdruck auf die Erde gestellt.

      »Wage das nicht noch einmal…«, stieß der Mann zwischen den Zähnen hervor. »Sonst…«

      »Na, was denn… sonst…?« empörten Stolz und Trotz sich so sehr, daß sie selbst dem eiskalten Zorn des Mannes standhalten konnten. »Dann jagst du mich aus dem Hause, nicht wahr?«

      »Wahrscheinlich.«

      Damit schwang er sich in den Sattel der Stute und ritt ab. Doch nicht dem Gutshof zu, sondern nach der entgegengesetzten Seite.

      Und nun stand Doro da und hatte das Gefühl, als hätte er sie geschlagen. Was nun? Ja – was nun. Das war wohl das Ende ihrer Ehe. Sie hatte in ihrem törichten Stolz alles auf eine Karte gesetzt und alles verloren.

      Sie schrak zusammen, als ein warmes, samtenes Maul sich gegen ihre Wange drückte. Denn es war ihr Reitpferd, mit dem der tollkühne Reiter ihr nachgesetzt war. Und das Tier hing mit rührender Liebe an ihr.

      Aber wie sah es aus! Schweißbedeckt, Schaumflocken vor dem Maul, aus dessen Winkeln Blut tropfte, die Flanken zitterten.

      Da erst wußte Doro, in welcher Gefahr sie sich befand, als sie sich der ungebärdigen Stute, die noch gar nicht richtig eingeritten war, anvertraut hatte. Denn sonst hätte der Mann, der in hellen Zorn geraten konnte, wenn Tiere rücksichtslos behandelt wurden, das Pferd nicht so hart strapaziert.

      Und so siegessicher Doro abgeritten war, so geschlagen ritt sie nun wieder dem Gutshof zu.

      »Da kommt sie«, sagte der Baron zu der Gattin, die noch immer zitternd vor Angst neben ihm stand. »Und zwar auf ihrem Reitpferd. Na, der Trotzteufel soll von mir was zu hören bekommen!«

      »Bitte nicht, Friedbert«, wehrte sie hastig. »Sie ist jetzt ganz und gar unzugänglich. Laß uns lieber gehen, damit wir nicht mit ihr zusammentreffen. Später knöpfe ich sie mir schon vor.«

      So kam es denn, daß Doro nur den Pferdepfleger antraf, als sie vor dem Stall hielt. Und dieser treue Mann, der um seinen geliebten Herrn so große Angst ausgestanden hatte – und der nun auch noch das zerschundene Pferd in Empfang nehmen mußte, sah seine junge Herrin nur an.

      Da senkte sie den Kopf und ging rasch davon.

      Sie zuckte erschrocken zusammen, als sie ihr Wohnzimmer betrat und Jo darin vorfand, die ruhig sagte: »Bist du in der Verfassung, wo man vernünftig mit dir reden kann?«

      »Laß mich in Ruhe!«

      »Also nicht – und das ist schade.«

      »Ich habe jetzt keine Zeit für deine Vorhaltungen, ich muß packen.«

      »Nanu, willst du verreisen? Ausgerechnet am Vortage deines Geburtstages?«

      »Ich kehre zu meine Eltern zurück – und zwar noch heute.«

      Jetzt wurden Jo denn doch die Knie weich. Sie mußte zuerst einmal kräftig schlucken, bevor sie fragen konnte:

      »Doro, was ist zwischen dir und dem Grafen vorgefallen?«

      »Das geht dich nichts an.«

      »Na schön, mein Kind…«, tat sie äußerlich ruhig, während innerlich jeder Nerv angespannt war. »Dann gehst auch du mich nichts mehr an. Ich werde mit meinem Mann sofort abreisen. Und wenn du etwa Hilfe bei uns suchen solltest – dann findest du eine verschlossene Tür.«

      Sie ging – und Doro ließ sich aufstöhnend in den nächsten Sessel sinken.

      Was nun? Daß Jo zu ihrem Wort stand, hatte sie schon mehr als einmal erfahren müssen. Und wenn sie nicht mehr zu ihr flüchten durfte, wie sie es im vergangenen Jahr mehr als einmal tat, was sollte dann werden?

      Natürlich konnte sie in ihr Elternhaus zurück. Aber ob man sie da trotz aller Liebe so gut verstehen würde, wie Jo sie verstand? Und was Jo bisher geraten, war stets ein guter Rat gewesen.

      Nein, sie mußte verhindern, daß Jo abreiste – und sich somit ein für allemal von ihr lossagte. Sie brauchte ihre Jo jetzt – dringender als je zuvor. Hoffentlich war sie noch nicht fort.

      Wie gejagt rannte Doro davon, riß die Tür zu Jos Zimmer auf… es war leer. Also nach unten…

      Man fand sich gerade im Speisezimmer zur Mittagstafel zusammen, als Doro hineinwirbelte, verstört, zerzaust, atemlos vom schnellen Lauf. Sie stolperte, und lachend fing der Schwiegervater sie in den Armen auf.

      »Hoppla, Marjellchen, das ging aber forsch! Plagt dich denn ein so großer Hunger, daß du nicht schnell genug an die Futterkrippe kommen kannst?«

      Man lachte herzlich, und Doro atmete auf, tief, ganz tief.

      Gottlob, die Schwiegereltern schienen von dem skandalösen Vorfall, dessen Doro sich jetzt gehörig schämte, nichts zu wissen. Denn Gräfin Linda winkte lachend ab, als Doro ihres Reitdreß wegen, der für die Mittagstafel ganz unvorschriftsmäßig war, um Entschuldigung bat.

      »Das macht nichts, Doro. Heute geht es hier ohnehin schon ein bißchen drunter und drüber.«

      »Dafür gibt es aber auch morgen ein glänzendes Fest«, schmunzelte der Hausherr. »Und Sie werden meine Tischdame, Frau Baronin.«

      »Mit dem größten Vergnügen, Herr Graf«, entgegnete sie lachend, und Doro atmete wieder ganz tief auf.

      Jo bleibt – konnte sie jetzt schon wieder ruhig denken. Und damit ist sehr viel, wenn nicht sogar alles, gewonnen.

      Sie wagte die Jo jetzt nicht anzusehen – und den Gatten schon gar nicht. Sie beteiligte sich auch nicht an dem fröhlichen Gespräch und würgte beinahe an jedem Bissen, was den Schwiegereltern zum Glück nicht auffiel.

      Und die andern wußten ja Bescheid.

      So gern wie heute war Doro noch nie von der Tafel aufgestanden. Und beim Mokka, den man stets in einem kleinen lauschigen Gemach einnahm, schmiegte sie sich so tief in den Sessel, daß ihr Gesicht im Schatten lag.

      Und so konnte sie auch wagen, Edzard zu mustern, der ihr schräg gegenüber saß. Er hörte einer Erzählung des Barons zu, die sich natürlich um Pferde drehte. An der Rechten, mit der er in Abständen die kleine Tasse zum Mund führte, glänzte der glatte, schmale Reif, und an der Linken der schwergoldene Wappenring der Sölgerthurns.

      Sie trug dieselben Ringe in verkleinerter Form – und würde diese wohl nun ablegen müssen.

      Großer