Джозеф Конрад

Gesammelte Werke von Joseph Conrad


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Sprengstoff darnach einzurichten. Ich gab ihm zu bedenken, daß ich zur Erreichung eines durchgreifenden Erfolges keine genügende Menge im Hause hätte. Er bat mich aber eindringlich, mein Bestes zu tun. Da er eine Verpackung wünschte, die offen in der Hand getragen werden konnte, so schlug ich ihm vor, eine alte blecherne Fünfliterkanne von Kopallack zurecht zu machen, die ich zufällig zu Hause hatte. Der Gedanke gefiel ihm. Ich hatte ziemlich Arbeit damit, da ich den Boden erst herausschneiden und nachher wieder einlöten mußte. Als sie gebrauchsfertig eingerichtet war, enthielt die Kanne eine weithalsige, gut verkorkte Dose aus dickem Glas, ringsherum in weichen Lehm gelegt und mit einem halben Kilo von grünem X2-Pulver gefüllt. Der Zünder stand in Verbindung mit der Mündungsschraube der Kanne. Er war geradezu genial, eine Verbindung von Zeit-und Schlagzünder. Ich erklärte ihm die Vorrichtung genau. Es war eine dünne Zinntube mit –«

      Ossipons Gedanken waren weit weg.

      »Was ist deiner Ansicht nach geschehen?« fragte er.

      »Kann’s nicht sagen. Vielleicht hat er die Schraube, die den Kurzschluß herstellte, fest zugedreht und dann die Zeit vergessen. Der Zünder war auf zwanzig Sekunden gestellt. Allerdings konnte auch, wenn der Zeitkontakt hergestellt war, eine Erschütterung die Entzündung sofort herbeiführen. Entweder hat er also die Zeit falsch bemessen, oder er hat das Ding einfach fallen lassen. Der Kontakt wurde richtig hergestellt – das steht für mich fest. Das System hat tadellos gearbeitet. Und doch sollte man weit eher meinen, daß ein Durchschnittsdummkopf in der Eile leichter noch vergessen würde, den Kontakt überhaupt herzustellen. Mit dem Gedanken an diese Möglichkeit hatte ich mir besonders den Kopf zermartert. Aber ein Dummkopf verfällt auf mehr, als der Klügste vorhersehen kann. Von einem Zünder darf man natürlich nicht verlangen, daß er völlig narrensicher ist.«

      Er winkte einem Kellner. Ossipon saß steif da, und sein verlorner Blick deutete auf hartes Nachdenken. Nachdem der Kellner einkassiert hatte und gegangen war, erhob er sich mit allen Anzeichen höchster Unzufriedenheit.

      »Für mich ist das im höchsten Maße unangenehm«, meinte er nachdenklich. »Karl liegt seit einer Woche mit Bronchitis zu Bett, es ist mehr als wahrscheinlich, daß er nicht wieder aufsteht. Michaelis spielt irgendwo auf dem Lande den Vornehmen. Ein großer Verleger hat ihm fünfhundert Pfund für sein Buch geboten. Das wird natürlich ein lächerlicher Fehlschlag. Er hat im Gefängnis die Fähigkeit zusammenhängenden Denkens verloren, mußt du wissen.«

      Der Professor war aufgestanden, knöpfte sich den Rock zu und sah den anderen mit kalter Gleichgültigkeit an.

      »Was wirst du jetzt tun?« fragte Ossipon müde. Er fürchtete den Tadel des Roten Zentralkomitees, einer Körperschaft, die keinen festen Wohnsitz hatte, und deren Zusammensetzung ihm nicht genau bekannt war. Wenn diese Geschichte dazu führte, daß die bescheidenen Hilfsgelder für die Veröffentlichung der Z.P.-Blätter gestrichen wurden, dann allerdings würde er Verlocs unerklärliche Torheit zu bedauern haben.

      »Es ist zweierlei, die Tat in ihrer äußersten Form zu billigen oder töricht rücksichtslos zu sein«, fuhr er unvermittelt grob heraus. »Ich weiß nicht, was Verloc in den Sinn gekommen ist. Da steckt irgendein Geheimnis dahinter. Jetzt ist er ja hin. – Mach, was du willst, aber unter den gegebenen Umständen kann es für die revolutionäre Kampfgruppe nichts anderes geben, als jede Verbindung mit dem verdammten, tollen Streich abzustreiten. Mich beschäftigt nur die Frage, wie das überzeugend genug zu machen wäre.«

      Der kleine Mann war, wie er zum Gehen fertig dastand, kaum größer als der sitzende Ossipon. Seine Brillengläser waren gerade in gleicher Höhe mit Ossipons Gesicht.

      »Du könntest ja von der Polizei ein Leumundszeugnis verlangen: die wissen, wo jeder von euch die letzte Nacht geschlafen hat. Vielleicht wenn ihr sie bittet, würden sie sich entschließen, eine Art amtlicher Feststellung herauszugeben.«

      »Zweifellos wissen sie genau, daß wir nichts damit zu tun hatten«, murmelte Ossipon bitter. »Was sie aber sagen werden, ist eine andere Frage.« Wieder verfiel er in Gedanken und schien die kleine eulenhafte Gestalt an seiner Seite zu vergessen. »Ich muß schleunigst Michaelis festzukriegen suchen, damit er in einer unserer Versammlungen wieder einmal so recht herzlich spricht. Das Publikum hat für den Burschen eine Art sentimentaler Vorliebe. Sein Name ist bekannt. Und ich habe Beziehungen zu den Berichterstattern einiger großer Tagesblätter. Natürlich wird er wieder lauter dummes Zeug reden, aber er hat eine Art, es vorzubringen, daß die anderen es doch schlucken.«

      »Wie Sirup«, warf der Professor halblaut dazwischen, ohne eine Miene zu verziehen.

      Ossipon fuhr fort, vor sich hinzumurmeln, wie ein Mann, der sich in völliger Einsamkeit etwas überlegt.

      »Verdammter Esel! Mir einen solchen Schmarren aufzuladen! Und ich weiß nicht einmal –«

      Er saß mit zusammengepreßten Lippen da. Der Gedanke, geradeswegs im Laden nach Neuigkeiten zu fragen, bot wenig Reiz. Seiner Meinung nach konnte Verlocs Laden zur Stunde schon in eine Polizeifalle verwandelt worden sein. Natürlich würden sie irgendwelche Verhaftungen machen wollen, dachte er mit einem Anflug ehrlicher Entrüstung; denn der glatte Verlauf seines revolutionären Daseins schien ohne sein Verschulden bedroht. Ging er aber nicht hin, so lief er Gefahr, in Unkenntnis von Umständen zu bleiben, die für ihn sehr wesentlich sein konnten. Dann überlegte er, daß der Mann im Park, wenn er wirklich, wie die Zeitung sagte, in tausend Stücke zerrissen war, auch nicht erkannt sein konnte. Und war das der Fall, dann hatte die Polizei keinen besonderen Grund, Verlocs Laden genauer zu überwachen als irgendeinen andern Ort, an dem bekannte Anarchisten verkehrten – nicht mehr Anlaß als etwa zur Überwachung des Silenus. Er würde überall auf Überwachung stoßen, ganz gleich, wohin er ging, und doch –

      »Ich möchte nur wissen, was ich jetzt am besten tun sollte«, fragte er sich im Selbstgespräch. Eine heisere Stimme neben ihm sagte verächtlich:

      »Dich herzhaft an die Frau heranmachen.«

      Nach diesen Worten ging der Professor vom Tisch weg. Ossipon, überrumpelt von der verblüffenden Einsicht des anderen, blieb mit aufgerissenen Augen sitzen, wie festgenagelt. Das einsame Piano, das nicht einmal einen Klaviersessel zur Seite hatte, schlug mutig ein paar Töne an, ging dann zu einer Auswahl von Volksweisen über und begleitete schließlich Ossipons Weggang mit den Klängen der »Glockenblumen von Schottland«. Die peinlich abgehackte Melodie verklang hinter ihm, während er langsam die Treppe hinaufstieg und durch die Halle auf die Straße trat.

      Vor dem Eingang stand eine Reihe von Zeitungsjungen am Rand des Bürgersteiges, die vom Rinnstein her ihre Ware feilboten. Es war ein rauher, trüber Vorfrühlingstag, und der neblige Himmel, die schmutzige Straße, die Lumpen der schmutzigen Jungen stimmten vorzüglich zu den feuchten, schäbigen Papierfetzen, die mit Druckerschwärze besudelt waren. Die zerrissenen, verschmierten Anschlagzettel zierten wie ein Tapetenmuster den Rand des Bürgersteigs. Der Verkauf der Abendblätter war befriedigend, aber doch langsam im Vergleich zum reißenden Abgang der Extrablätter. Ossipon sah sich rasch nach allen Seiten um, bevor er sich in das Gewühl stürzte; aber der Professor war schon außer Sicht.

      V

       Inhaltsverzeichnis

      Der Professor war in eine Gasse nach links abgebogen und schritt nun mit krampfhaft erhobenem Kopf in einer Menge von Menschen dahin, deren jeder wohl seine schmächtige Gestalt überragte. Er konnte sich seine Enttäuschung nicht verhehlen. Aber das war nur ein Gefühl; die eiserne Ruhe seiner Gedankengänge konnte durch diesen oder einen anderen Fehlschlag nicht gestört werden. Das nächste Mal oder das übernächste Mal würde ein schmetternder Schlag gelingen – irgend etwas noch nie Dagewesenes – ein Stoß, der vielleicht die erste Bresche in den Machtbau der Gesetze legen würde, hinter dem sich die schauerliche Ungerechtigkeit verbarg. Er war von niedriger Herkunft und von so unvorteilhaftem Äußern, daß seine bedeutenden natürlichen Anlagen sogar darunter litten, und so war seine Einbildungskraft schon früh durch Geschichten von Männern befeuert worden, die sich aus den Tiefen der Armut zu Macht und Einfluß emporgearbeitet hatten. Die