Patricia Vandenberg

Dr. Norden Jubiläumsbox 7 – Arztroman


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Tatjana den Atem. Sie fühlte sich schäbig und elend. Und sie wusste, dass er recht hatte.

      »Ich habe es kaum ertragen, dich täglich zu belügen«, flüsterte sie. Eine Träne tropfte auf den Teller und zerplatzte dort. »Der Verrat steht schon so lange zwischen uns. Dabei will ich dich doch nicht verlieren.« Tatjana griff nach der Serviette und trocknete sich das Gesicht.

      Danny atmete ein paar Mal tief ein und aus, um sein wild schlagendes Herz zu beruhigen. Dabei blickte er ratlos auf seine Freundin hinab. Ihr Anblick zerriss ihm das Herz, und seine Wut verrauchte so schnell, wie sie gekommen war.

      Tatjanas Augen hingen unverwandt an seinem Gesicht. Sie wartete darauf, dass er etwas sagte.

      »Auf der einen Seite verstehe ich dich ja«, gestand Danny schließlich schweren Herzens. »Andererseits … wenn du mich wirklich so liebst, wie du sagst … wie konntest du mir so was antun? Du hast mir keine Chance gegeben, mich zu entscheiden für ein Leben mit Kindern oder ohne«, gab er zu bedenken.

      »Ich weiß«, räumte Tatjana bereitwillig ein. »Aber ich hatte einen Grund. Ein Leben mit eigenen Kindern wäre eine Entscheidung gegen mich gewesen. Diesen Gedanken habe ich nicht ertragen. Verstehst du das denn nicht?«, fragte sie leidenschaftlich.

      Darauf antwortete Danny nicht sofort. Statt dessen stand er da und dachte an den Tag, als Tatjana zum ersten Mal in der Praxis aufgetaucht war. Fast sofort hatte sie ihn gefangen genommen mit ihrem magischen Blick aus diesen riesigen blauen Augen; mit dem leicht spöttischen Lächeln; mit ihrer Souveränität, mit der sie ihre Verletzung hingenommen hatte; und nicht zuletzt mit ihrer Schlagfertigkeit. Sein Herz ging auf, als er sich an diese magischen Momente erinnerte.

      »Und ich dachte immer, dass du so stark bist«, murmelte er, gefangen in den Erinnerungen.

      »Das dachte ich doch auch«, gestand Tatjana offen. »Aber ich musste auch erkennen, dass jeder einen verletzlichen Kern hat, oder?«

      Danny nickte langsam. Tatjana hatte seinen wunden Punkt zielsicher getroffen, und er wusste nicht, wie es weitergehen sollte.

      »Ich weiß einfach nicht, wie ich jetzt weitermachen soll. Was kann ich dir noch glauben? Kann ich dir je wieder vertrauen?« Er starrte auf Tatjana hinab, in ihre dunkelblauen Augen, denen man ihre Versehrtheit nicht ansah.

      Und dann spürte er es. Spürte, wie er immer noch magisch angezogen wurde von dieser Frau und ihrer enormen Energie. Auch wenn Tatjana fremd wirkte, fast wie ein unbekanntes Wesen, übte sie noch immer eine Faszination auf ihn aus wie keine andere Frau vor ihr. In diesem Moment wusste Danny, dass es keine Rolle spielte, ob er mit ihr eigene Kinder haben würde oder nicht. Er wollte sie nicht verlieren. Das war das einzige, was zählte.

      »Was ist?«, fragte sie bangen Herzens in seine Gedanken hinein. »Warum starrst du mich so an?«

      Langsam streckte Danny die Arme aus und zog seine Freundin zu sich hoch. Ohne sie aus den Augen zu lassen, hielt er sie an den Schultern fest. Tatjana schluckte, brachte aber vor Aufregung kein Wort heraus.

      »Welche Geheimnisse hast du noch vor mir?«, fragte er nach einer gefühlten Ewigkeit mit rauer Stimme. »Du hast jetzt die einmalige Chance, mir alles zu sagen.«

      In diesem Moment begriff Tatjana, dass das Wunder Wirklichkeit geworden war. Vor Erleichterung und Glück hätte sie am liebsten die ganze Welt umarmt. Da das aber nicht möglich war, begnügte sie sich damit, die Arme um ihren Freund zu schlingen, als wollte sie ihn nie mehr wieder loslassen.

      »Ich habe keine Geheimnisse«, raunte sie ihm ins Ohr, und ihr Lachen klang schon wieder verdächtig übermütig. »Höchstens unveröffentlichtes Bonusmaterial. Aber das ist harmlos. Versprochen.«

      »Wenn du es sagst!«

      Auf einmal wurde Tatjana ernst.

      »Ich schwöre es.« Zum Beweis hob sie die rechte Hand und streckte drei Finger die Luft.

      Doch es war der Ausdruck in ihren unergründlichen Augen, der Danny auch noch den letzten Zweifel über Bord werfen ließ. Während er sich über sie beugte, fragte er sich, wie er je an Tatjana, an ihrer und an seiner Liebe hatte zweifeln können. Und als sich ihre Lippen berührten wie beim allerersten Mal, schwiegen alle Fragen still. Die Krise war überstanden und der Beweis erbracht, dass sie alles meistern konnten, wenn sie nur fest daran glaubten und zusammenhielten.

      *

      An diesem Morgen stand Dr. Daniel Norden noch am Tresen und plauderte mit seinen beiden Assistentinnen, als sich die Tür öffnete und ein Blumenbote in die Praxis kam.

      »Schönen guten Morgen!«, grüßte der junge Mann freundlich in die Runde. »Ich hab hier einen Strauß für Norden.« Er trat an den Tresen und reichte Daniel die Blumen. Mit einem kurzen Gruß war er auch schon wieder verschwunden.

      »Rosen?«, fragte der Arzt verdutzt, als er den Strauß vom Papier befreit hatte.

      Augenblicklich strahlten Janines Augen auf.

      »Ihre Frau schickt Ihnen rote Rosen! Wie romantisch!«

      Daniel wusste zwar, dass Fee immer für eine Überraschung gut war. Aber dass sie ihm kurz nach ihrem eiligen Aufbruch in die Klinik mit einem solchen Präsent bedenken würde, hielt er doch eher für unwahrscheinlich.

      »Da ist eine Karte«, bemerkte er und zog den kleinen Umschlag aus den Blüten. »Danny Norden. Da haben wir’s ja!«

      In diesem Moment öffnete sich die Praxistür ein weiteres Mal und Danny kam herein.

      »Einen wunderschönen guten Morgen, die Herrschaften!«, grüßte er strahlend und legte eine prall gefüllte Papiertüte mit Gebäck auf den Tresen. »Leider fällt die beste Bäckerin Münchens heute aus, deshalb musste ich auf die Backstube nebenan ausweichen. Dafür habe ich das Gebäck mit viel Liebe ausgesucht. Ich hoffe, das macht eventuelle Qualitätsschwankungen wieder wett«, plauderte er, während ihm seine Mitarbeiter mit offenen Mündern dabei zusahen, wie er seine Jacke an die Garderobe hängte.

      Er schlüpfte in einen frisch gewaschenen Kittel, der wie jeden Morgen schon auf ihn wartete, und drehte sich zu Wendy, Janine und seinem Vater um. Erst jetzt registrierte er die staunenden Gesichter.

      »Was ist? Warum starrt ihr mich so an? Stimmt was nicht?« Irritiert fuhr er sich durchs Haar.

      »Keine Angst, du siehst gut aus wie immer«, versicherte Daniel Norden schmunzelnd. »Außerdem hast du auffallend gute Laune. Könnte das daran liegen, dass du dich wieder mit Tatjana versöhnt hast?«

      »Versöhnen ist gut«, platzte Janine vorlaut heraus. »Ich finde, sie legt sich ganz schön ins Zeug.« Sie deutete auf den großen Strauß, den Daniel immer noch in der Hand hielt. »Dabei ist sie doch eigentlich diejenige, die einen Strauß verdient hätte.«

      An dieser Stelle wurde Danny blass. Seiner Freundin Blumen zu bringen hatte er über seiner Enttäuschung völlig vergessen.

      »Stimmt!«, gab er zu und betrachtete beschämt den wunderschönen Strauß. »Ich hab noch nie Blumen bekommen.«

      »Wenn sie Ihnen nicht gefallen, nehme ich sie gern«, bot Wendy großzügig an.

      Lachend lehnte Danny ab und nahm den geschlossenen Umschlag, den sein Vater ihm hinhielt. Während er die Karte herausnahm und aufklappte, kümmerte sich Janine darum, dass die Rosen Wasser bekamen.

      Unvermittelt wurde Danny ernst. Sein Vater bemerkte es als Erster.

      »Was ist? Schlechte Nachrichten?«, erkundigte er sich besorgt.

      »Wie man es nimmt.« Danny zögerte kurz, dann gab er Daniel die Karte zu lesen.

      »Oh, das ist aber ein sehr eindeutiges Angebot«, entfuhr es ihm, und er schickte Danny über den Rand der Karte hinweg einen forschenden Blick. »Darf ich fragen, wie Frau Beer dazu kommt, dir so was zu schreiben?«

      »Das werde ich sie gleich selbst fragen«, erwiderte Danny ärgerlich und sah seinen Vater fragend an. »Kannst du meinen ersten Patienten übernehmen? Ich hab was zu erledigen.«