Patricia Vandenberg

Dr. Norden Jubiläumsbox 7 – Arztroman


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junge Frau saß auf dem Boden. Sie lehnte mit dem Rücken an der Wand und war auf den ersten Blick kalkweiß im Gesicht. Erst auf den zweiten Blick bemerkte Danny, dass es sich um weiße, angeschwollene Flecken handelte, die ihre Haut auch an Händen und Armen bedeckten. Tatjana atmete schwer, fast verzweifelt sog sie die Luft ein. Mit ein paar großen Schritten war Danny bei ihr.

      »Um Gottes willen, Jana, was ist los mit dir?« Er kniete neben ihr nieder. Um ihr das Atmen zu erleichtern, öffnete er die oberen Knöpfe ihrer Bluse.

      Feine Schweißperlen standen auf Tatjanas Stirn.

      »Ich … ich krieg keine Luft«, keuchte sie und riss Mund und Augen auf.

      Die Luft in der Backstube war heiß und stickig. Danny überlegte nicht lange. Er packte seine Freundin und hob sie mit einem entschiedenen Ruck hoch. Das war nicht weiter schwer, denn Tatjana war ohnehin ein Fliegengewicht. Dennoch gestaltete sich der Transport nach draußen schwieriger als gedacht. Und Dorothee dachte gar nicht daran zu helfen. Mit verschränkten Armen stand sie an die Tür gelehnt da und sah Danny dabei zu, wie er Tatjana durch die Backstube und zur Hintertür hinaus an die frische Luft zerrte. Dort angekommen, überstreckte er ihren Kopf, sodass die Luftröhre frei lag. Als Tatjana etwas leichter atmen konnte, zog er das Mobiltelefon aus der Tasche und wählte die Nummer der Behnisch-Klinik.

      »Bitte einen Wagen zur Bäckerei Bärwald«, sagte er erstaunlich ruhig in den Apparat und gab die Adresse durch. »Schnell!«, wies er die Kollegen noch an, als er bemerkte, wie Tatjana in seinen Armen zusammensackte. Obwohl er alle Maßnahmen ergriffen hatte, die in der Kürze der Zeit möglich gewesen waren, war sie ohnmächtig geworden.

      *

      »Wo bin ich?« Sichtlich verwirrt versuchte Tatjana Bohde, sich wenig später ein klares Bild von dem zu machen, was um sie herum passierte.

      Sie war gerade in dem Moment wieder erwacht, als sie in die Notaufnahme der Behnisch-Klinik geschoben wurde und es herrschte ein für sie kaum entwirrbares Durcheinander an Ärzten und Schwestern. Nur eine Stimme konnte sie klar identifizieren.

      »Wir sind in der Behnisch-Klinik«, erklärte Danny sanft und drückte erleichtert ihre Hand. »Wie geht es dir?« Er lief neben der Liege her, die in aller Eile in einen Behandlungsraum geschoben wurde.

      Tatjana antwortete nicht sofort auf diese Frage. Sie schloss die Augen und horchte in sich hinein.

      »Ich bekomm schlecht Luft. Außerdem ist mir schlecht und schwindlig. Mein Bauch tut mir weh.«

      Sie hatte kaum ausgesprochen, als eine andere, bekannte Stimme an ihr Ohr drang.

      »Mensch, Danny, was macht ihr denn hier?« Manchmal wählte Dr. Mario Cornelius den Weg über die Notaufnahme, um an seinen Arbeitsplatz zu gelangen. An diesem noch jungen Morgen hielt diese Entscheidung allerdings eine Überraschung für ihn bereit und er betrachtete seinen Neffen samt Freundin irritiert. »Was fehlt Tatjana?« Sein besorgter Blick ruhte auf der jungen Frau, mit der er schon manch lustigen Abend im Kreise der Familie Norden verbracht hatte.

      Danny stand neben Tatjanas Liege und beobachtete die Kollegen, die sich um seine Freundin bemühten.

      »Sieht nach einer allergischen Reaktion aus.« Es war der diensthabende Arzt Dr. Mathias Weigand, der die Frage des Kollegen beantwortete. »Das würde auch die Verengung der Atemwege erklären. Bevor wir mit der Untersuchung fortfahren, verabreichen wir ein Antihistaminikum.«

      Lernschwester Carina nickte und verschwand, um das Arzneimittel zu besorgen.

      »Nehmen Sie sonst irgendwelche Medikamente?«, erkundigte sich Dr. Weigand inzwischen bei seiner Patientin.

      »Nein, nichts«, verneinte Tatjana nach Luft ringend.

      »Du bist Allergikerin?« Nicht nur Danny, auch Mario Cornelius war sichtlich überrascht. »Hast du so was schon mal gehabt?«

      Tatjana zögerte. Dann schüttelte sie den Kopf.

      »Noch nie.«

      »Seltsam. Wie ist das passiert?«

      »Es … es ist plötzlich gekommen.« Das Sprechen fiel ihr sichtlich schwer. Aber dass sie sich trotzdem Mühe gab, seine Fragen zu beantworten, rechnete Mario ihr hoch an.

      Nachdenklich hatte Danny zugehört. Dabei war ihm ein Gedanke in den Sinn gekommen.

      »Als ich in die Bäckerei gekommen bin, hast du schon irgendwie anders ausgesehen.« Plötzlich stand das Bild überdeutlich vor seinen Augen, und er ärgerte sich über sich selbst. Warum hatte er seine Freundin nicht darauf angesprochen?

      »Ich weiß nicht. Das hab ich nicht gemerkt«, nuschelte Tatjana und wich dem fragenden Blick ihres Freundes aus. Stattdessen konzentrierte sie sich auf Schwester Carina, die zurückgekehrt war und ihr unter Marios wohlwollenden Blicken das Medikament verabreichte. »Es ging los, als ich die Ofentür aufgemacht hab. Da hab ich plötzlich keine Luft mehr bekommen.« Sie atmete ein paar Mal tief durch, und Danny und Mario warteten geduldig, bis sie weitersprechen konnte. »Mir ist schwindlig und dann schwarz vor den Augen geworden. Das war’s. Mehr weiß ich nicht.«

      Dr. Weigand hatte die körperliche Untersuchung beendet und nickte aufmunternd.

      »Wir haben das Blut ins Labor geschickt. Alle anderen Untersuchungen müssen wir noch auswerten. Wenn es aber das ist, wonach es aussieht, sollte es mit den Medikamenten schnell besser werden«, versprach er optimistisch. »In ein paar Stunden wissen wir mehr.«

      Über die Maßen erleichtert atmete Danny tief durch. Mit einer Allergie war zwar nicht zu spaßen. Wenn man aber den Auslöser kannte und entsprechende Vorsicht walten ließ, bestand kein Grund zur Aufregung.

      »Wenn sich der Allergie-Verdacht bestätigt, wie lange muss Tatjana dann hier bleiben?«, erkundigte sich Danny.

      Mathias wiegte nachdenklich den Kopf.

      »Drei Tage würde ich auf jeden Fall empfehlen.« Sein mitfühlender Blick ruhte auf seiner Patientin. »Frau Bohde sieht danach aus, als ob ihr ein bisschen Erholung nicht schaden könnte.«

      Mit dieser Aussage war Danny zufrieden. Er beugte sich zu seiner Freundin hinab und lächelte befreit.

      »Jetzt musst du dich mal ein bisschen ausruhen. Ruhe auf Rezept sozusagen«, versuchte er, sie aufzumuntern.

      Doch dieser Versuch misslang gründlich.

      »Ausruhen?« Tatjana lachte bitter. »Das hat mir gerade noch gefehlt. Jetzt sorgt Dorothee bestimmt dafür, dass ich meine Ausbildung und meinen Job los bin. Die wartet doch nur drauf, sich die Bäckerei unter den Nagel zu reißen.« Selbst in dieser Situation dachte sie offenbar nicht an ihre Gesundheit.

      Allmählich wurde Danny ernsthaft böse mit ihr.

      »Kannst du wenigstens ein Mal diese blöde Bäckerei vergessen?«, fragte er aufgebracht und machte einen Schritt zur Seite, damit die Lernschwester ans Bett treten und die Bremse lösen konnte.

      »Wir bringen Frau Bohde jetzt auf Station«, gab sie dem Paar keine Gelegenheit zu streiten. »Wollen Sie mitkommen?«

      Ein kurzer Blick auf die Uhr beantwortete diese Frage.

      »In zwanzig Minuten beginnt meine Sprechstunde«, erwiderte Danny und sah Mario bittend an, der geduldig neben dem Bett gewartet hatte.

      Der Kinderarzt verstand auch ohne Worte.

      »Mach dir keine Sorgen. Ich hab im Augenblick keine Termine und kümmere mich um Tatjana«, versprach er, ehe er sich an die junge Frau selbst wandte. »Natürlich nur, wenn du nichts dagegen hast.«

      Stumm schüttelte Tatjana den Kopf. Ihr war die Lust am Reden vergangen und sie starrte demonstrativ an ihrem Freund vorbei, als Carina das Bett aus dem Behandlungszimmer schob.

      »Ich komm in der Mittagspause wieder«, rief Danny ihr nach. Doch auch darauf bekam er keine Antwort.

      *

      »Da bist du ja!« Sichtlich ungeduldig begrüßte Janine