Sven Elvestad

Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten


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erwiderte der Polizeichef.

      Der Sekretär lachte laut auf.

      »Wirklich! Und wen soll ich getötet haben?«

      »Den Wucherer Jaerven.«

      »Den, der am Zwölften verschwunden ist?«

      »Ganz richtig.«

      »Aber am Zwölften war ich auf einer Amtsreise in Gotenburg. Ich kann mein Alibi nachweisen.«

      Der Polizeichef sah zu Krag hinüber, der dastand und ironisch lächelte.

      »Das habe ich mir gedacht,« sagte er ganz ruhig, »ein pfiffiger Plan.«

      Und an den Sekretär gewendet, fragte er:

      »Darf ich fragen, wann Sie nach Gotenburg fuhren?«

      »Am Elften abends.«

      »Direkt nach Gotenburg?«

      »Nein, ich stieg in Fredrikshald aus, um den Geburtstag eines dortigen Freundes zu feiern. Ich war den ganzen Zwölften bis spät in die Nacht bei ihm und fuhr erst am nächsten Morgen nach Gotenburg.

      Ich war also vom Elften bis zum Achtzehnten nachmittags von der Stadt abwesend. Jaerven verschwand doch am Zwölften abends, nicht wahr? Ich habe in den Zeitungen gelesen, daß er da fortging und seither nicht gesehen wurde. Bedarf es noch weiterer Beweise für diesen ganz unglaublichen Mißgriff der Polizei?

      Kann vielleicht diese widerliche Komödie jetzt ein Ende haben?«

      Der Polizeichef wurde von dem festen, ruhigen Auftreten des Sekretärs ein wenig unsicher.

      Er begann ein flüsterndes Gespräch mit Krag.

      »Glauben Sie, daß das, was er sagt, richtig ist?« fragte er.

      »Zweifellos,« erwiderte der Detektiv.

      »Sie behaupten ja, daß der Mord am Elften abends begangen worden ist, und da kann der Sekretär ja doch der Mörder sein.«

      »Der Mord ist am Elften begangen worden.«

      »Aber es wird schwer für uns sein, das zu beweisen.«

      »Durchaus nicht.«

      »Die Leute haben doch Jaerven am Zwölften in seinem Zimmer gesehen. Die Witwe sah ihn hinausgehen. Einer seiner Kunden sah ihn durchs Schlüsselloch.«

      »Das war er nicht.«

      »Selbstverständlich nicht. Aber wir können das Gegenteil nicht beweisen.«

       »Ich kann es beweisen. Aber ich brauche eine halbe Stunde.«

      »Bewilligt! Glückauf!«

      Krag nahm seinen Hut und ging.

      Der Polizeichef sagte:

      »Bis Asbjörn Krag zurückkommt, kann das Verhör nicht fortgesetzt werden. Wollen Sie inzwischen Platz nehmen!«

      Sehr unwillig setzte sich der Sekretär.

      Der Polizeichef sorgte dafür, daß er der Varietédame nicht so nahe kam, daß sie miteinander plaudern konnten.

      Es vergingen zehn Minuten über eine halbe Stunde, bis Krag zurückkehrte.

      Der Polizeichef sah ihm sofort am Gesicht an, daß etwas sich ereignet hatte.

      Der Sekretär erhob sich, er schien etwas von seiner zuversichtlichen Sicherheit eingebüßt zu haben.

      Krag ging auf ihn zu und sah ihm ins Gesicht.

      »Sie sind mit Ihren Schachfiguren gut gezogen, Mörder,« sagte er, »aber ich werde Sie doch matt machen.«

      Dann wendete er sich an den Polizeichef und reichte ihm ein längliches Kuvert, das anscheinend Dokumente enthielt.

      »Wissen Sie, was das ist?« fragte der Detektiv.

      »Nein.«

      »Das ist der ›kleine Blaue‹.«

      Ein Schrei ertönte. Es war die schöne Bella. Sie war leichenblaß geworden.

      Der Sekretär taumelte einige Schritte zurück.

      IX.

       Gefaßt

       Inhaltsverzeichnis

      Asbjörn Krags Auftreten hatte die beiden Mitschuldigen vollständig überrumpelt.

      Der Sekretär war sich auch sofort bewußt, daß er sich verraten hatte; aber er nahm sich gleich darauf wieder zusammen.

      »Der ›kleine Blaue‹,« sagte er, »ich verstehe nicht, was Sie damit meinen?«

      »Ich meine das Papier, das Sie für eine gewisse Summe bei dem Wucherer Jaerven verpfändet haben.«

      Der Detektiv öffnete das Kuvert und nahm ein blaues Dokument heraus, das mit zwei imponierenden, roten Siegeln versehen war. Er zeigte es dem Polizeichef. Dieser sah das Dokument durch und sagte dann:

      »Jawohl, jetzt verstehe ich den Zusammenhang. Das ist ein sehr wichtiges Staatsdokument von außerordentlich großem Wert.«

      »Ganz richtig,« sagte der Detektiv, »und dieses Dokument war Sekretär Ström zu einem speziellen Zweck anvertraut – natürlich unter der Voraussetzung, daß er sehr gut darauf aufpaßte und es nicht aus der Hand gab. Aber der Sekretär war vor einiger Zeit in einer peinlichen Geldverlegenheit. Nach dem, was ich in Erfahrung gebracht habe, ist die Dame hier nicht ohne Schuld daran.«

      Der Detektiv deutete auf die Varietédame.

      Der Sekretär sprang auf.

      »Das ist nicht wahr,« rief er, »Sie stehen da und lügen mir ins Gesicht. Ich bekam das Dokument allerdings zur Verwahrung, aber sofort, nachdem ich es verwendet hatte, sandte ich es wieder zurück.«

      »Wann sandten Sie es wieder zurück?«

      »Am Abend des Elften, unmittelbar bevor ich nach Gotenburg fuhr.«

      Krag sah den Mann an.

      »Unmittelbar nachdem Sie Jaerven totgeschlagen hatten,« sagte er.

      »Eine infame, lächerliche Beschuldigung!«

      Der Polizeichef unterbrach diesen peinlichen Dialog, indem er den Detektiv fragte:

      »Haben Sie irgendwelche Beweise für Ihre Behauptung?«

      »Vollständige Beweise,« erwiderte er, und an Sekretär Ström gewendet: »Aber zuerst möchte ich mir erlauben, den Verbrecher zu überführen. Ich werde von Anfang bis Ende erzählen, wie das Verbrechen sich zugetragen hat.«

      Er fuhr fort:

      »Am Vierundzwanzigsten des vorigen Monats wurde Sekretär Ström dieses wichtige Staatsdokument anvertraut. Wir wollen es so benennen, wie der Sekretär selbst es genannt hat: den ›kleinen Blauen‹. Ich weiß das Datum so bestimmt, weil ich mit dem Chef des öffentlichen Amtes, in dem Herr Ström angestellt ist, konferiert habe. Am Tage darauf, am Fünfundzwanzigsten, hat der Wucherer Jaerven einen großen Betrag, 10 000 Kronen, aus der Bank entnommen. Seine Papiere zeigen jedoch, daß er an diesem Tage keine größere Zahlung zu leisten gehabt hat. Also sind es die 10 000 Kronen, die er Ström gegeben hat, und als Sicherheit für diesen Betrag hat der Sekretär den ›kleinen Blauen‹ deponiert, dessen Wert für den norwegischen Staat, wie Sie, Herr Polizeichef, ja wissen werden, diesen Betrag bei weitem übersteigt. Der schlaue Wucherer war über diese Tatsache sofort im klaren und hat bei dem Geschäft nicht die geringsten Bedenken gehabt. Er kannte ja Ihre angesehene Familie, Herr Ström, außerdem bekam er vermutlich sehr hohe Zinsen. Wie hohe, Herr Sekretär?«

      Der Sekretär zuckte höhnisch die Achseln, aber er konnte doch die fieberhafte Spannung, mit der er der Darstellung des Detektivs folgte, nicht ganz verbergen.

      Asbjörn