Sven Elvestad

Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten


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Kutscher, rascher zu fahren, und der Mann, der zu verstehen schien, daß hier etwas Wichtiges im Werke war, knallte kräftig mit der Peitsche.

      Endlich blieb der Wagen vor dem Geschäft des Kaufmanns stehen, und Krag stieg aus.

      Er bat den Kutscher zu warten, trat in den Laden und traf sofort den Kaufmann.

      Der Detektiv nannte seinen Namen »Kustos Karlsen«. Er sagte, er käme wegen eines Teppichs, den Sekretär Ström vor einigen Tagen dem Kaufmann verkauft hatte.

      Dieser, ein älterer, spießbürgerlich aussehender Mann, fragte, ob vielleicht beim Kauf etwas nicht in Ordnung sei.

      »Nein, keineswegs,« erwiderte der »Kustos«. »Die Sache ist nur die, daß ich mir den Teppich gerne ansehen möchte.«

      »Er liegt oben in meinem Zimmer,« sagte der Kaufmann, indem er den angeblichen Kustos von oben bis unten mißtrauisch musterte. »Wenn Sie Interesse daran haben,« fuhr er fort, »können Sie ja mit hinaufkommen und ihn sich ansehen.«

      Die Privatwohnung des Kaufmanns lag im ersten Stock. Eine kleine, schmale Wendeltreppe führte aus dem Laden in die Wohnung.

      »Sehen Sie,« sagte der Kaufmann, als er mit dem Detektiv oben angelangt war, »hier liegt der Teppich. Wie Sie sehen, ist es ein sehr schönes Stück. Er ist sicher mehr wert, als was ich dafür gegeben habe. Für was für eine Art Teppich halten Sie ihn?«

      »Ein Perser,« erwiderte der »Kustos«.

      Er legte sich auf alle viere und betrachtete ihn näher, er untersuchte jeden Zentimeter mit der Hartnäckigkeit eines Spürhundes. Mitten auf dem Teppich entdeckte er einige dunkle Fleckchen, auf die sein Interesse sich besonders zu konzentrieren schien.

      Nun erhob er sich wieder.

      »Kennen Sie Ström?« fragte er.

      »Ich war mit seinem Vater befreundet,« erwiderte der Kaufmann; »ich –«

      Der »Kustos« unterbrach ihn:

      »Ich möchte Ihnen nur eines sagen. Sie haben diesen Teppich sehr preiswürdig erworben. Er hat zweifellos ganz bedeutenden Wert. Ich glaube bestimmt, daß unser Museum ihn kaufen würde. Würden Sie ihn eventuell verkaufen?«

      Der Kaufmann lächelte wohlgefällig.

      »Es kommt darauf an, was ich dafür bekomme,« sagte er.

      »Gut, darüber werden wir uns schon einigen. Aber bevor der Handel abgeschlossen wird, müssen wir die absolute Sicherheit haben, daß der Teppich echt ist. Kann ich ihn gleich mitnehmen und ihn untersuchen lassen? Sie werden unserem Museum einen großen Dienst erweisen, wenn wir ihn wirklich erwerben.«

      Aber der Mann, der offenbar etwas mißtrauisch veranlagt war, wollte zuerst nicht anbeißen. Endlich ging er darauf ein, den Teppich zu einer Untersuchung herzugeben, wenn er selbst dabei anwesend sein konnte.

      Er rollte den Teppich zusammen und ließ ihn in den Wagen bringen. Und nun fuhren die beiden, der schlaue Detektiv und der mißtrauische Kaufmann, über die Ackerstraße in das Pfeilgäßchen.

      Vor dem Laboratorium eines bekannten Chemikers ließ der Detektiv halten.

      Er nahm die Teppichrolle unter den Arm und ging zu ihm hinauf. Der Kaufmann folgte ihm getreulich auf dem Fuße.

      Der Detektiv konnte nicht umhin, über die gelungene Situation zu lächeln, in die er da geraten war.

      Es war ihm eine persönliche Genugtuung, daß ihn der berühmte Chemiker – trotz seines scharfen Blicks – nicht erkannte. Die Verkleidung war also ausgezeichnet.

       Der Kustos – alias Detektiv – breitete den Teppich auf dem Fußboden aus.

      Er wies auf die drei dunklen Flecken.

      »Die möchte ich gerne untersucht haben,« sagte er.

      Der Chemiker war sofort mit Lupe, Essenzen und allen den Hilfsmitteln zur Stelle, die diesem Zweige der Wissenschaft zur Verfügung stehen.

      Die Untersuchung währte eine halbe Stunde.

      Der Kaufmann stand interessiert aber ziemlich verständnislos daneben und sah zu.

      »Was ist es?« fragte Asbjörn Krag, »ist es Farbe, braune Tinte, Tusche oder so etwas?«

      Der berühmte Chemiker erhob sich und sagte:

      »Es ist Blut, mein Herr.«

      Und er fügte hinzu:

      »Es ist Menschenblut.«

      »Sind Sie ganz überzeugt, daß es Blut ist?« fragte der Detektiv mit Betonung.

      »Vollständig.«

      Krag nahm die Brille ab.

      Der berühmte Chemiker prallte einen Schritt zurück.

      »Sie sind es?« rief er. »Das ist doch unglaublich! Ich habe Sie nicht erkannt. Was führt Sie mit diesem Teppich zu mir?«

      »Ein Verbrechen. Eine Mordaffäre.«

      »Wirklich?«

      Der Kaufmann hatte dieses Gespräch mit wachsender Verblüffung angehört. Als er das Wort »Mord« hörte, erschrak er und verlangte eine nähere Erklärung. Krag wendete sich an den Chemiker:

       »Sie haben wohl von dem Verschwinden des Wucherers Jaerven gehört?«

      »Das will ich meinen! Die Zeitungen sind ja voll von dieser Geschichte. Man hat ja seine Leiche gefunden. Er ist doch erschlagen worden?«

      »Ganz richtig. Er ist auf diesem Teppich erschlagen worden.«

      Der Chemiker und der Kaufmann starrten mit tiefem Interesse den großen Teppich an, der ausgerollt auf dem Boden lag. In dem einströmenden Tageslicht sah man die drei braunen Flecken ganz deutlich.

      Der Kaufmann sprach jetzt gar nicht mehr davon, daß er Geld für den Teppich haben wollte. Es war ihm offenbar nur darum zu tun, ihn so rasch als möglich loszuwerden. Er glaubte, daß er irgendwie in die Mordgeschichte verwickelt werden würde und begann zu versichern, daß er an allem Vorgefallenen absolut unbeteiligt war.

      Krag beruhigte ihn mit der Versicherung, daß er, soweit als möglich, von der Sache ganz ferngehalten würde.

      Der Detektiv und der Chemiker einigten sich dahin, daß der wichtige Teppich vorläufig im Laboratorium des Chemikers aufbewahrt werden sollte.

      Dann trennten sich die Herren. Der Chemiker nahm nun eine noch gründlichere Untersuchung des Teppichs vor, der Kaufmann kehrte in seinen Laden zurück, und der Detektiv machte einen raschen Besuch im Polizeigebäude.

      Hier traf er den Polizeichef, der ihm erzählte, daß er seit dem frühen Morgen in lebhafter Spannung auf ihn warte. Selbst konnte er ja nichts tun. Überhaupt stand die gesamte Polizei dieser ganzen verwickelten Angelegenheit ganz untätig gegenüber. Nur ein Mann arbeitete – Asbjörn Krag.

      Der Detektiv berichtete, wie weit er in seinen Untersuchungen gediehen war, und der Polizeichef wollte sofort zur Verhaftung schreiten. Aber Krag hielt ihn davon ab.

      »Sie müssen bedenken, daß wir noch nichts Positives haben, woran wir uns halten können. Wir können keinen einzigen wirklichen Beweis vorlegen. Und einen solchen gilt es jetzt zu beschaffen. Eine vorzeitige Verhaftung könnte alles verderben.«

      Hiermit erklärte der Polizeichef sich einverstanden. Die Verhaftung sollte aufgeschoben werden, bis Krag seinen Besuch bei der Varietédame abgestattet hatte.

      Er trennte sich von seinem falschen Bart und der grauen Perücke.

      Er wurde wieder zu Asbjörn Krag, dem ersten Beamten der Detektivabteilung der Christianiaer Polizei.

      Bevor er ging, hatte er seinen Schrank geöffnet und etwas in die Tasche gesteckt.

      Es war der stahlblaue Damenhandschuh.

      Er schrieb etwas auf ein Stück Papier, das er sorgfältig zusammenfaltete