nicht viele Worte zwischen den beiden gewechselt.
Krag fragte:
»Die Leiche ist doch unberührt?«
»Ja,« erwiderte der Polizeichefs, »die ganze Ziegelei ist abgesperrt.«
In einer Stunde waren sie vor dem Ziegelwerk angelangt, das ein gutes Stück vor der Stadt lag.
Von einem der anwesenden Polizisten wurden sie in eines der Trockenhäuser der Ziegelei geleitet.
In einer Ecke neben einem hohen Ziegelhaufen lag ein Bündel.
Das war die Leiche des Wucherers Jaerven.
Der Detektiv sah sich einen Augenblick um.
»Hier ist er nicht getötet worden,« sagte er in entschiedenem Ton.
Er ging zur Leiche hin. Nun war er ganz ruhig.
Der Polizeichef trat ebenfalls näher.
»Wir sind auf der richtigen Spur,« sagte Asbjörn Krag, »sehen Sie, daß Jaervens Hut und sein grüner Rock fort sind?«
Der Detektiv entfernte ein Tuch, das über das Gesicht des Toten gebreitet war.
Der Polizeichef wich zurück, unwillkürlich.
Der ganze vordere Teil des Kopfes war durch einen fürchterlichen Schlag zertrümmert – vermutlich mit einer Axt. Das rote Haar des Ermordeten war gräßlich mit Blut verklebt.
»Er hat etwas in seiner linken Hand.«
»Ich sehe,« gab Krag zurück und entfernte einen Gegenstand, den der Wucherer vermutlich in den letzten Augenblicken seines Lebens krampfhaft umklammert hatte.
Der Detektiv hielt den Gegenstand gegen das Licht der Blendlaterne.
Es war ein stahlblauer Damenhandschuh.
Krag ersuchte, noch mehr Laternen zu bringen.
Einer der anwesenden Polizisten lief in das Kontor der Ziegelei und holte drei große Paraffinlaternen. Als sie angezündet waren, wurde es in dem Trockenraum sehr hell.
Krag begann sofort den Boden zu untersuchen, der aus hartgestampftem Lehm bestand. Er kroch aus allen vieren herum, das Gesicht dicht an die Erde gedrückt, und in dieser Stellung war er einem Spürhund nicht unähnlich.
Seine Untersuchung des Bodens nahm etwa eine Viertelstunde in Anspruch.
Dann begann er die Leiche zu untersuchen. Der tote Wucherer trug noch seine Uhr, die auf elf stehengeblieben war. Sein Portefeuille lag unberührt in der Tasche und in einem der Fächer lagen ein Hundertkronenschein und einige Fünfkronennoten. Ein Raubmord war also ausgeschlossen.
Der Polizeichef stand die ganze Zeit regungslos da und beobachtete mit gespanntem Interesse den Detektiv bei seinen Untersuchungen.
Als Asbjörn Krag fertig war, fragte er:
»Haben Sie etwas gefunden?«
Der Detektiv nickte.
»Sind Sie jetzt fertig?«
»Ja.«
»Können wir die Leiche fortschaffen?«
»Ja.«
Die zwei Polizeileute verließen den unheimlichen Ort. In der Nähe wartete der Wagen; sie stiegen ein und rollten der Stadt zu, die unter ihnen lag und mit ihren tausend kleinen Lichtpünktchen funkelte.
Unterwegs fragte der Polizeichef:
»Ist die Sache verwickelter geworden?«
»Nein, sie ist einfacher geworden.«
»Aber dieser Damenhandschuh! Wie erklären Sie sich den? Eine Dame kann doch den Wucherer nicht totgeschlagen haben?«
»Nein, es war ein Mann. Obendrein ein kräftiger Mann.«
Der Detektiv antwortete kurz. Er war offenbar intensiv mit seinen Gedanken beschäftigt.
Nach einiger Zeit fragte der Polizeichef:
»Es sind also ihrer zwei gewesen?«
»Ja,« erwiderte Asbjörn Krag, »es sieht so aus.«
»Eine Dame und ein Mann?«
»Wahrscheinlich.«
»Ahnen Sie, wer es sein kann?«
»Absolut nicht.«
»Aber das ist ja furchtbar. Wenn es nicht der Kommissionsagent ist, so muß es doch ein anderer von Jaervens Schuldnern gewesen sein. War da nicht ein Leutnant, der auch ein Papier hatte, das ungefähr am Elften fällig war?«
»Ja, aber der ist es nicht.«
»Wie können Sie das wissen?«
»Weil ich es untersucht habe,« erwiderte der Detektiv etwas spitz.
»Aber der ›kleine Blaue‹, den der Wucherer an diesem Abend mitbringen sollte, das muß doch ein Wechsel sein.«
»Ich war im Anfang geneigt, es zu glauben. Jetzt glaube ich es nicht mehr. Der mystische ›kleine Blaue‹ kann kein Wechsel sein.«
»Warum nicht?«
»Es ist unwahrscheinlich. Das Verbrechen ist von Leuten begangen worden, in deren Macht es stand, sich einige wenige Tausende in kurzer Frist zu verschaffen. Bedenken Sie doch, was sie bei diesem Mord riskiert haben.«
»Aber wie sollen wir ihnen auf die Spur kommen?«
Krag wies plötzlich den Weg hinunter.
»Sehen Sie das Licht dort unten?« fragte er.
»Jawohl. Es ist das Licht aus einem kleinen Häuschen.«
»Ganz richtig. Bleiben wir dort stehen, dann kommen wir vielleicht der Spur näher.«
Sie ließen den Wagen halten und stiegen aus.
In dem Häuschen fanden sie einen alten Mann in Hemdärmeln, der an einem Tisch saß und las. Er war nicht wenig erstaunt, als er die Uniform des Polizeichefs erblickte.
»Wir möchten gerne einige Auskünfte von Ihnen haben,« sagte Krag; »es handelt sich um ein Verbrechen, das begangen worden ist.«
Der Mann bat die Herren, Platz zu nehmen.
Krag fuhr fort:
»Ihr Häuschen liegt recht isoliert hier am Wege. Fahren oft Wagen vorbei?«
»Ach ja,« erwiderte der Mann, »es fahren schon viele vorbei. Namentlich tagsüber.«
»Aber wohl meist Lastwagen?«
»Kommt es nicht vor, daß der eine oder andere Herrschaftswagen vorbeifährt?«
»Ach nein, das passiert in dieser Gegend selten,« erwiderte der Mann mit einem Lächeln, »es sind fast immer die Wagen von der Ziegelei.«
»Aber an einem Abend, vor etwa vierzehn Tagen, ist doch ein Herrschaftswagen hier vorbeigefahren,« sagte der Detektiv. »Können Sie sich nicht daran erinnern? Ein junger Kutscher hat ihn kutschiert.«
»Ja,« erwiderte der Mann, sichtlich nicht begreifend, was das mit dem Verbrechen zu tun haben konnte; »aber es saß auch eine Dame im Wagen.«
Der Polizeichef zuckte zusammen.
»Ganz richtig,« sagte der Detektiv, »es saß auch eine Dame darin. Sind Sie vielleicht mit ihnen ins Gespräch gekommen?«
»Ja. Der Wagen blieb hier draußen stehen, und eine Männerstimme rief nach mir. Als ich herauskam, sah ich deutlich, daß zwei im Wagen saßen, aber es war zu dunkel, um zu sehen, wie sie angezogen waren. Es kam mir vor, daß der Mann einen Vollbart hatte.«
»Was für ein Wagen war es denn?«
»Ein kleines Korbwägelchen.«
»Und was wollte der Herr von Ihnen?«