einer der reichsten Männer der Stadt.
Er würdigte seinen Neffen keines Blickes, sondern ging gelassen auf den Polizeichef zu.
»Um was handelt es sich?«
Der Chef, der sich erhoben und höflich verbeugt hatte, erwiderte, indem er dem Konsul den Wechsel reichte:
»Wir möchten gerne feststellen, ob Ihre Unterschrift auf diesem Wechsel echt ist.«
Der Konsul warf einen verdutzten Blick auf den Wechsel und sah dann seinen Neffen an.
Dieser war ebenfalls aufgestanden.
»Denke dir nur, Onkel,« sagte er, »man bezichtigt mich, deinen Namen gefälscht zu haben. Denke dir nur, welche Anschuldigung – Schmach und Schande über meine geachtete und im ganzen Lande bekannte Familie zu bringen!«
Der Konsul machte einen Schritt vorwärts, alles an ihm bebte vor Erregung.
»Sind noch mehr da? Andere, außer diesem?« fragte er.
»Nein, Onkel.«
»Gut, meine Herren, der Wechsel ist nicht gefälscht.«
Er warf das Papier auf den Tisch und machte sich zum Gehen bereit.
Aber der Polizeichef bat ihn zu warten.
»Noch eins! Ich möchte Ihren Neffen noch gern etwas fragen. Jaerven verschwand am Elften abends; wahrscheinlich ist er an diesem Tage ermordet worden. Können Sie, Herr Agent Brunn, mir ausführlich erzählen, was Sie an diesem Tage von acht Uhr abends an unternommen haben? Sie sind sich klar darüber, welchen Tag ich meine –?«
»Ja.«
»Schön, können Sie uns etwas darüber erzählen?«
Der junge Mann war plötzlich totenblaß geworden.
Einige Sekunden herrschte Schweigen.
»Nein,« sagte er, »das kann ich nicht!«
Der Bankdirektor sprang von seinem Sessel auf.
Der Konsul starrte seinen Neffen mit weitgeöffneten, entsetzten Augen an.
Der Polizeichef näherte sich dem jungen Mann.
»Dann muß ich Sie, als des Mordes verdächtig, verhaften,« sagte er teilnehmend, aber zugleich mit furchtbarem Ernst.
Doch ganz drüben an der Türe stand Asbjörn Krag, der berühmte Detektiv. Ein eigentümliches Lächeln spielte um seine Lippen. Man hätte ihn murmeln hören können:
»Ach, wie blind sie doch sind!«
»Mord,« murmelte der Konsul entsetzt, »das kann doch nicht möglich sein.«
Der Polizeichef, der stark bewegt schien, erwiderte:
»Alles spricht gegen Ihren Neffen.
Wir verstehen sehr wohl, Herr Konsul, daß der Wechsel, obwohl Sie es selbst in Abrede stellen, falsch ist. Sie wollen Ihren geachteten Familiennamen nicht durch einen solchen Skandal beflecken und bezahlen deshalb die 3000 Kronen, anstatt zu gestehen, daß Ihr Neffe Ihren Namen gefälscht hat.«
Der alte, weißhaarige Herr sah starr vor sich hin.
Der Polizeichef fuhr fort:
»Das ist nun eine Sache für sich. Ihr Neffe wird vermutlich nicht der Fälschung angeklagt werden. Nun hören Sie aber, worauf wir unsere Anklage des Mordes basieren.
Wir setzen voraus, daß der Wechsel falsch ist.
Der Wechsel ist am Elften fällig.
Am selben Tage bekommt der Wucherer einen Brief mit der Aufforderung, sich an einem näher bezeichneten Ort einzufinden und den ›kleinen Blauen‹ mitzubringen. Mit dem ›kleinen Blauen‹ ist natürlich der Wechsel gemeint. Nun gut, der Wucherer findet sich an dem Orte ein und hat den Wechsel mit. Er trifft Ihren Neffen, der um Aufschub bittet, möglicherweise will er eine Teilzahlung leisten. Darauf geht der Wucherer nicht ein. Schließlich erlangt er Aufschub bis zum folgenden Tag. Da trifft er Ihren Neffen an demselben Ort. Aber Ihr Neffe hat noch immer kein Geld. Es kommt zu einer Szene. Ihr Neffe sieht im Geist den Skandal hereinbrechen. Ein Wort gibt das andere. Der Wucherer ist unbarmherzig, grausam, und –«
Der Konsul, der sehr bleich geworden ist, unterbricht:
»Aber wenn nun mein Neffe sein Alibi nachweisen, Ihnen von Minute zu Minute erzählen kann, wo er an diesem Abend gewesen ist?«
Der Polizeichef sieht den jungen Kommissionsagenten an, der in hoffnungslose, verwirrte Gedanken versunken zu sein scheint.
»Ja, wenn er das kann,« sagte er, »nichts könnte mir lieber sein. Ich habe das aufrichtigste Mitleid mit ihm. Und mit Ihnen.«
Der junge Mann erhebt sich.
»Nein,« sagte er nur.
»Sie können uns also nicht erzählen, wo Sie gewesen sind?«
»Ich kann, aber ich will nicht.«
»Und Sie gestehen den Mord?«
»Welchen Mord?«
»Den Mord an dem Wucherer Jaerven.«
»Nein. Ich weiß nichts davon.«
»Ihre Sache steht sehr schlecht.«
»Zweifellos.«
Der junge Mann sprach ruhig und gefaßt.
»Sie sind also verhaftet.«
»Sehr wohl.«
»Das ist doch furchtbar!« rief der Konsul. »Ich kann es nicht glauben.«
Da geht der junge Mann auf seinen Onkel zu.
»Es ist nicht wahr,« sagte er; »ich habe ihn nicht getötet. Ich begreife nicht, daß man mir etwas Derartiges zutrauen kann.«
Der Konsul sah ratlos von einem zum anderen.
Sein Blick blieb an Asbjörn Krag hängen.
»Das ist der Mann, der mit der Untersuchung der Sache betraut war,« bemerkte der Polizeichef.
»So, Sie sind es also, der dieses Netz um meinen Neffen gesponnen hat?«
Der Detektiv trat einen Schritt näher.
»Nein,« sagte er, »Ihr Neffe ist durch ein unglückliches Spiel des Zufalls in all dies verstrickt worden, das sich für den Augenblick dicht um ihn zusammenzuschnüren scheint.«
Der Konsul wurde plötzlich eifrig.
»Glauben Sie an seine Schuld?«
Krag lächelte.
»Er ist ja verhaftet. Er kann sich nicht ausweisen. Alles spricht dafür, daß er der Verbrecher ist. Wie der Herr Polizeichef eben sagte: Seine Sache steht sehr schlecht. Ich sehe keinen anderen Ausweg, als ihn in den Arrest zu bringen – vorläufig.«
»Gut,« sagte der Polizeichef, »es bleibt nichts anderes übrig.«
Ein Bediensteter kam herein, und der junge Mann ließ sich bereitwillig in das Gefängnis führen. Er war furchtbar ernst. Der Konsul setzte sich auf eine der Bänke und vergrub das Gesicht in den Händen.
Es war ein sehr bewegter Augenblick. Selbst die ernsten Polizeileute fühlten sich stark ergriffen.
Da sagte Asbjörn Krag:
»Ich wollte den jungen Mann nicht hören lassen, was ich vorzubringen habe. Er ist unschuldig.«
Der Polizeichef fuhr zusammen. Der kalte, ernste Bankdirektor drehte sich halb zu dem Detektiv um und starrte ihn an.
»Glauben Sie?« fragte er.
»Ich glaube es nicht nur, ich bin davon überzeugt.«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen?« warf der Polizeichef halb unwillig ein. »Der Mann kann doch nicht Bescheid geben, wo er am Zwölften