Sven Elvestad

Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten


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nicht mehr mit.«

      Asbjörn Krag fuhr fort:

      »Sie bemerkten doch eben, daß ich die Untersuchungen vorgenommen habe. Sie müssen also auch zugeben, daß ich eine ganz andere Kenntnis der Sachlage besitze, als Sie.«

      »Aber die Tatsachen sprechen.«

      »Gewiß. Die Tatsachen sprechen dafür, daß Agent Bruun nicht der Mörder ist. Hat man je einen Mörder seine Sache so schlecht führen sehen, wie diesen jungen Mann? Selbst wenn ich mich an gar nichts anderes zu halten hätte, müßte ich schon aus seinem Auftreten allein den bestimmten Eindruck gewinnen, daß er unschuldig ist.«

      Der Polizeichef begann sichtlich etwas unsicher zu werden.

      »Aber wer ist dann der Mörder?«

      »Das weiß ich noch nicht. Aber ich bin auf der Spur. Ich verlange eine Stunde zu meiner Verfügung, und wenn diese Zeit um ist, werde ich Ihnen sagen, wann das Verbrechen geschehen ist.«

      Krag verließ das Kontor.

      »Was glauben Sie?« fragte der Bankdirektor.

      Der Polizeichef erwiderte:

      »Dieser Mann hat immer Überraschungen für einen.«

       Der Konsul fragte:

      »Ist Hoffnung?«

      »Es sieht düster aus. Aber wenn mein tüchtigster Detektiv es sagt, muß doch wohl Hoffnung sein.«

      Er war unruhig und nervös geworden.

      Der Konsul fuhr fort:

      »Dann müssen wir ja dankbar sein, daß wir einen solchen Spürhund haben. Ich habe das Gefühl, daß hier ein schlimmer Mißgriff begangen worden ist.«

      Nach kurzer Zeit trennten sich die Herren. Sie hatten sich geeinigt, vorläufig alles streng geheimzuhalten. Der Konsul sollte in seinem Kontor den Bescheid über das Resultat von Asbjörn Krags Untersuchungen abwarten.

      Zur bestimmten Zeit kehrte der Detektiv zurück.

      »Ich bin sehr gespannt,« sagte der Polizeichef; »sollten wir uns geirrt haben, so wäre das schrecklich. Ich war eben bei dem Gefangenen. Er ist außerordentlich niedergedrückt, beinahe verzweifelt.«

      Krag nahm Platz.

      Einige Minuten saß er schweigend da.

      Plötzlich sagte er:

      »Das ist doch eine ganz eigentümliche Sache. Ich stehe erst noch am Anfang; ich ahne vieles; aber bis jetzt konnte ich nur einen einzigen, kleinen Strahl in das Geheimnis des Verbrechens werfen. Erinnern Sie sich an den Mann, nach dem wir annonciert haben?«

      »Ja.«

      »Sie erinnern sich, er erzählte, daß er am Zwölften bei Jaerven gewesen war, um ein Darlehen zu verlangen. Er wurde nicht eingelassen.«

       »Ganz richtig.«

      »Und schließlich guckte er durchs Schlüsselloch und sah Jaerven mit dem Rücken gegen die Türe stehen.«

      »Gewiß. Und was weiter?«

      »Als Jaerven merkte, daß er beobachtet wurde, retirierte er gegen die Tür und deckte das Schlüsselloch mit der Hand zu.«

      »Ja, ganz richtig.«

      »Finden Sie nichts Merkwürdiges daran?«

      »Es wäre nur, daß er rücklings ging.«

      Der Detektiv nickte und lächelte.

      »Was mir zuerst auffiel,« sagte er, »war, daß er überhaupt an diesem Tage niemand einlassen wollte. Absolut keinen Menschen, nicht einmal seine Hauswirtin. Dann kam mir sein Benehmen, das Schlüsselloch zuzudecken, recht verdächtig vor.«

      »Ja! Warum ging er denn nicht gerade vor?«

      »Natürlich deshalb,« erwiderte Krag, »damit der Mann, der vor der Tür stand, sein Gesicht nicht sehen sollte.«

      Der Polizeichef war aufgesprungen und begann im Zimmer hin und her zu gehen.

      »Ich verstehe noch nicht so recht, wo Sie hinaus wollen.«

      Krag umging die Frage.

      »Am Elften«, sagte er, »erhielt Jaerven die Aufforderung, mit dem ›kleinen Blauen‹ in die Höhle zu kommen. Und er ging hin.«

      Einen Augenblick herrschte Schweigen.

      Krag fuhr fort, indem er jedes Wort betonte:

      »Am Elften abends ist Jaerven getötet worden.«

       Der Polizeichef zuckte zusammen.

      »Aber er begab sich doch von seinem Besuch in der Höhle um zwölf Uhr nach Hause. Schlief nachts in seinem Zimmer, brachte den ganzen folgenden Tag da zu und ging abends wieder fort. Die Wirtin hat ihn doch gehört und gesehen.«

      »Ich halte daran fest, daß Jaerven am Elften getötet worden ist.«

      »Aber wer war dann der Mann, der sich die ganze Nacht und den Zwölften tagsüber in Jaervens Wohnung aufhielt?«

      Der Detektiv lächelte:

      »Das ist doch ganz klar,« sagte er, »das war natürlich der Mörder.«

      V.

       Das Korpus delikti

       Inhaltsverzeichnis

      Als der Polizeichef die Sache noch einmal in allen Einzelheiten überdacht hatte, wurde es ihm ganz klar, daß der arretierte Kommissionsagent nicht der Mörder Jaervens sein konnte. Er begab sich zu ihm in die Zelle und erklärte, daß neue Umstände an den Tag gekommen seien, aus denen seine Unschuld hervorzugehen scheine.

      Während Asbjörn Krag zuhörte, gab nun der junge Mann eine längere Erklärung, wo er sich am Elften ausgehalten hatte. Er sagte Dinge, die er das vorige Mal in Gegenwart des Onkels weder mitteilen konnte noch wollte.

      Als er zu Ende gesprochen hatte, sagte Krag:

      »Das stimmt alles.«

      »Woher können Sie das wissen?« fragte der Polizeichef.

      »Weil ich es schon früher untersucht habe. Ich war eine Zeitlang auch geneigt, den Agenten Bruun zu verdächtigen, aber ich bin wieder davon abgekommen.«

      Der Polizeichef hatte nun nichts anderes zu tun, als den Kommissionsagenten freizugeben. Der Konsul wurde davon benachrichtigt.

       Als dies erledigt war, sagte der Chef:

      »Jetzt stehen wir also auf grundlosem Boden.«

      »Kann schon sein.«

      »Wie wollen Sie nun den Schuldigen fassen?«

      »Vorerst ist etwas anderes wichtiger.«

      »Und das wäre?«

      »Zu beweisen, daß der Mord am Elften und nicht am Zwölften verübt worden ist. Glauben Sie, irgendeine Jury in Norwegen würde es auf die Indizien hin, die wir jetzt haben, wagen, jemanden zu verurteilen?«

      »Da haben Sie recht.«

      »Vorläufig ist es von Wichtigkeit, daß niemand ahnt, daß wir uns auf der richtigen Fährte befinden. Der Mörder hat das Ganze so verblüffend klar und raffiniert ausgeklügelt, und es ist ihm so gut gelungen, daß er sich ganz sicher fühlt. Lassen wir ihn in diesem Glauben!«

      »Wissen Sie, wer der Mörder ist?«

      »Nein, aber ich ahne es.«

      »Sie wissen sicherlich mehr, als Sie verraten wollen?«

      »So ist es immer bei mir,« sagte Asbjörn Krag liebenswürdig.

      »Was wollen Sie jetzt tun?«

      Er