Elisabeth Bürstenbinder

Die beliebtesten Liebesromane & Geschichten von Elisabeth Bürstenbinder


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darum zu bekümmern.“

      Ein großer verwunderter Blick aus den Augen Benedict’s traf den Sprechenden, er erinnerte sich doch, daß der Graf stets Zeit gefunden, sich mit seiner Erziehung zu beschäftigen, daß er oft genug Proben davon erhalten hatte, und nun diese ganz offen eingestandene Vernachlässigung, dem eigenen Sohne und Erben gegenüber! Zum Glück bemerkte Rhaneck nicht sein stummes Befremden.

      „Ich hoffe viel von Deinem Einfluß auf Ottfried,“ fuhr er lebhaft fort, „ich habe ihn in Bezug auf die Ausübung seiner religiösen Pflichten an Dich gewiesen und –“

      „An mich!“ rief der junge Priester, heftig zurücktretend. „Herr Graf, ich bitte dringend, nehmen Sie diese Anordnung zurück. Graf Ottfried und ich, wir thun besser, uns einander nicht zu nähern!“

      „Ich wünsche es aber!“ Der Graf legte einigen Nachdruck auf das Wort. „Du wirst streng gegen ihn sein, ich sehe es an Deiner Entrüstung, aber gleichviel, er wird den Priester in Dir ehren und sich Deinem Spruche fügen, ich bürge Dir dafür. Und jetzt komm, Bruno, ehe mein Bruder Dich vermißt, mir scheint, er wird bald aufbrechen.“

      Er ergriff sanft den Arm Benedict’s und zog ihn mit sich fort, ohne ihm Zeit zur Erwiderung zu lassen, Seite an Seite mit seinem Schützlinge betrat er den Saal. Der Prälat hatte Recht, es lagen seltsame Widersprüche in dem Charakter seines Bruders, aber einer derselben wenigstens ward von der Gesellschaft im vollsten Maße getheilt. Auch Pater Benedict war bürgerlich, wie Günther, war jedenfalls von noch niedrigerer Herkunft als dieser, und doch fiel es Niemandem ein, seine Einführung in diesen exclusiven Kreis zu beanstanden. Das Priestergewand deckte Namen und Herkunft, es stand neben, ja über den Wappenschildern, unnahbar für jede weltliche Rücksicht, ein Gegenstand unbedingtester Ehrfurcht. Die grauen Häupter der vornehmsten unter den Herren neigten sich vor dem jungen, aus einer Unterthanenfamilie hervorgegangenen Geistlichen mit einer Achtung, die der gereifte, in allen Lagen des Lebens geprüfte Mann dort drüben, der an Stellung und Reichthum ihnen jetzt gleich war, sich nicht hatte erzwingen können. –

      „Darf ich fragen, wer der junge Benedictiner dort hinter dem Sessel des Herrn Prälaten ist?“ wandte sich Günther auf einmal an den Baron Brankow, als dieser zufällig in seine Nähe kam.

      „Sie meinen Pater Benedict? Einer der Geistlichen unseres Stiftes, ein junger, erst kürzlich geweihter Priester, auf den seine Oberen, so viel ich weiß, große Hoffnungen setzen.“

      „So?“ Günther’s Auge hing so fest an den Zügen des eben Genannten, als wolle er jede Linie darin studiren. „Er scheint sehr vertraut mit dem Grafen Rhaneck, steht er vielleicht in irgend einer verwandtschaftlichen Beziehung zu ihm?“

      „Nicht doch!“ sagte der Baron ruhig, „nicht im geringsten. Er stammt im Gegentheil von – mein Gott, der Name ist mir entfallen, die Rhanecks haben so zahlreiche Besitzungen – von einem der Güter des Grafen, der den talentvollen, aber gänzlich mittellosen Knaben erziehen ließ und für das Kloster bestimmte. Er hat ein gutes Werk an ihm gethan, weiter nichts.“

      „Gewiß, ein sehr gutes Werk!“

      Brankow blickte überrascht auf, es war ihm gewesen, als ob ein gewisser Hohn in der Bemerkung Günther’s läge, aber er mußte sich wohl geirrt haben. Günther’s Gesicht zeigte sich unbeweglich, während sein Blick noch immer nicht den Gegenstand des Gespräches verließ.

      „Sie scheinen sich für Pater Benedict zu interessiren,“ sagte der Baron artig, „wünschen Sie vielleicht näher mit ihm –“

      „Ich danke!“ fiel ihm Günther rasch in’s Wort. „Ich stehe in gar keiner Beziehung zu den Herren des Stiftes, wie Sie ja wissen. Mir fiel nur dieser interessante Kopf auf, und dann eine flüchtige Aehnlichkeit – bemühen Sie sich nicht, Herr Baron!“

      Er überließ Brankow einem so eben herantretenden Gaste und kehrte zu seiner Schwester zurück. „Also in’s Kloster haben sie den Knaben gesteckt!“ murmelte er bitter, „und dem Anschein nach einen vollständigen Fanatiker aus ihm gemacht. Ein meisterhafter Schluß des ganzen hochgräflichen Schurkenstreiches!“ –

      Der Prälat und Graf Rhaneck mit seiner Familie brachen jetzt gleichzeitig auf, was wie gewöhnlich mit ziemlichem Geräusch und Aufsehen vor sich ging. Als die Brüder zusammen durch das Vorzimmer schritten, konnte der Graf nicht umhin, seinem lang verhaltenen Aerger wenigstens in einigen Worten Luft zu machen.

      „Nun, Dein Schützling ist ja heut, Dank Deiner Auszeichnung und Deinem Beispiel, nichts mehr und nichts weniger gewesen, als der Held des Abends! Hast Du denn wirklich aus diesen plumpen, nichtssagenden Zügen irgend eine Gefährlichkeit herausgelesen?“

      „Ja!“ sagte der Prälat kalt. „Der Mann ist gefährlich, ist es um so mehr, weil er unbedeutend erscheinen will. Er wird uns noch zu schaffen machen, verlaß Dich darauf!“

      Die Gräfin, welche nur halb hingehört und nicht viel mehr verstanden hatte, als daß es sich um Günther handelte, verzog die schmalen Lippen.

      „Mein Gott, es ist und bleibt doch ein entsetzlicher horreur, daß dieser Mensch, wie man sagt der Sohn eines Unterförsters, in unseren Kreisen erscheinen durfte!“

      Der Prälat verneigte sich Abschied nehmend vor seiner Schwägerin, ohne ihr eine Antwort zu geben. Zu Gründen und Erklärungen ließ er sich ihr gegenüber nie herab, die Gräfin war in seinen Augen eine eben solche Null, wie in denen ihres Gemahls, eine Null, die man allerdings respectiren mußte, weil auch sie den Namen Rhaneck trug und ihm durch ihren Reichthum einen noch größeren Glanz verlieh. Auch hier mußte die äußere Form der Achtung alles ersetzen.

      Kurz nach der Entfernung der gräflichen Familie verabschiedete sich auch Günther mit seiner Schwester. Die Fahrt nach Dobra ward meist schweigend zurückgelegt, Bernhard schien nicht zum Reden gestimmt, und Lucie, die sonst immer etwas zu fragen und zu plaudern hatte, war heut ausnahmsweise mit dieser Schweigsamkeit einverstanden. Tief in die Ecke des Wagens geschmiegt, zerdrückte sie achtlos den Flor und die Blumen ihres Anzuges, und fuhr verwundert empor, als sie in den Hof von Dobra einrollten, die Fahrt hatte ihr so kurz geschienen.

      Zu Haus angelangt wollte das junge Mädchen dem Bruder gute Nacht sagen, als dieser sie mit einem kurzen „Ich habe mit Dir zu sprechen, Lucie!“ zurückhielt. Er nahm dem alten Diener, der ihnen folgte, das Licht aus der Hand und gab ihm einen Wink sich zu entfernen. Lucie stand erstaunt und befremdet da, aber sie sollte nicht lange in Zweifel bleiben, um was es sich handelte.

      Bernhard trat an den Tisch, zog sie zu sich heran und wendete ihr Gesicht dem Lichte zu, so daß dessen voller Schein darauf fiel.

      „Was ist zwischen Dir und dem Grafen Rhaneck vorgefallen?“ fragte er plötzlich.

      Luciens Antlitz glühte wieder dunkel auf, wie vorhin im Ballsaal, als der Bruder ihr entgegentrat, und diesmal ergoß sich die heiße Röthe tief herab bis über Hals und Schultern; sie sah, daß sie dem gefürchteten Examen doch nicht mehr entrinnen konnte. Sie hob daher keck den Lockenkopf empor, setzte ihr Füßchen energisch um einen Schritt vorwärts und erklärte sehr determinirt:

      „Er hat mir gesagt, daß er mich anbete!“

      „Nach zweistündiger Bekanntschaft? Was man doch nicht alles wagt, einem sechszehnjährigen Mädchen gegenüber! Darf ich fragen, wo er Dir diese interessante Eröffnung gemacht hat?“

      Das junge Mädchen zögerte.

      „Du wirst antworten, Lucie! Du wirst mir auch nicht eine Sylbe von dem verschweigen, was zwischen dem Grafen und Dir gesprochen worden ist, hörst Du?“

      Lucie sah aus, als wolle sie anfangen zu weinen; es war aber auch zu viel verlangt, daß sie ihr romantisches Geheimniß so auf Commando preisgeben sollte, noch dazu dem rücksichtslosen Bruder preisgeben, der sicher nicht das mindeste Verständniß dafür besaß. Aber Bernhard duldete keine Weigerung, das wußte sie, und so ließ sie sich denn zögernd zu einem Geständniß herbei, als dessen Resultat schließlich eine vollständige Liebeserklärung des Grafen Ottfried herauskam.

      Der Graf hatte ihr, schon als er das erste Mal mit ihr