Wetter?«, wiederholte Daniel staunend.
»Ja, an der Insel gehen wohl alle Stürme vorbei.« Fee lachte leise. »Dennoch kommt Paps morgen mit Anne. Ich habe ihn gewarnt, aber sie wollen es sich nicht entgehen lassen, ihren zweiten Enkel in der ersten Lebensstunde zu sehen.«
»Dann wird er sich aber ranhalten müssen«, sagte Daniel viel forscher, als ihm innerlich zumute war.
»Er wird schon pünktlich sein«, lächelte Fee.
»Dass du so gelassen bist«, stellte er kopfschüttelnd fest.
Ihr Lächeln vertiefte sich. »Es ist ja nicht das erste Mal, mein Schatz. Du wirst hoffentlich nicht enttäuscht sein, wenn es wieder ein Junge wird.«
Er beugte sich zu ihr und küsste sie. »Ich hätte wirklich lieber eine kleine Fee«, sagte er zärtlich.
»Die kann ja immer noch kommen. – Was hat sich denn heute getan?«, lenkte Fee ab.
Sie wollte an allem teilnehmen, was ihn tagsüber bewegte, und sie merkte auch sofort, dass er ihr etwas verschweigen wollte.
»Was ist passiert?«, fragte sie direkt, als er nach Ausflüchten suchte.
Er sprach von Martina, aber Fee winkte ab. »Das weiß ich alles. Ich habe vorhin mit Jenny telefoniert. Sie wollte wissen, ob Martina nach der Mandeloperation auf die Insel gebracht werden könnte.«
»Sonst hat sie nichts gesagt?«, fragte Daniel etwas skeptisch.
»Nein, sonst nichts. Aber das wirst du mir sagen. Ich spüre doch, dass dich etwas beschäftigt.«
Daniel seufzte tief. »Du kannst in mich hineinschauen«, sagte er.
»Das wird auch gut sein.«
Und so erfuhr sie es dann doch, was geschehen war, wenn auch ganz undramatisch. »Es hätte gar nichts Ernstliches passieren können«, sagte Daniel. »Man musste ja so langsam fahren.«
Fee blickte ihn nachdenklich an. »Aber nun hast du mal wieder ein
Problem«, meinte sie. »Du überlegst, wie dem Jungen geholfen werden könnte.«
»Dir brauche ich gar nichts zu sagen. Du weißt sowieso alles.« Er nahm ihre Hand und drückte seine Lippen in ihre Handfläche.
»Natürlich muss ihm geholfen werden«, sagte sie. »Genauso wie der kleinen Martina. Aber wir werden uns schon etwas einfallen lassen. Ich habe ja nächste Woche viel Zeit zum Nachdenken.«
Daniel legte einen Arm um sie und vergrub die Lippen in ihrem Haar. »Wann denkst du mal an dich, Feelein?«, fragte er.
»Liebe Güte, warum sollte ich das, wenn es so viel anderes zu denken gibt?«, fragte sie zurück. »Wenn es erst mal so weit ist, dass ich über mich nachdenke …«
»Du sollst an dich denken«, fiel er ihr ins Wort.
»Das ist doch fast das Gleiche. Wenn’s mal so weit ist, stelle ich nur fest, dass ich älter und älter werde, und wie schnell die Zeit vergeht. Und
das will ich nicht. Ich würde mich womöglich im Spiegel betrachten und meine Falten zählen und die grauen Haare, die sich mehr und mehr bemerkbar machen, und dann würden die Sorgen kommen, ob ich dir auch noch gefalle.«
»Dummerchen«, sagte er zärtlich.
Sie lachte ihn an. »Und ein Dummerchen möchte ich schon gar nicht sein, Daniel. Wir werden bald Eltern von zwei Kindern sein«, fuhr sie ernsthaft fort. »Wir können nur aus den Fehlern anderer lernen. Unsere Kinder sollen uns immer als ihre besten Freunde betrachten und immer Vertrauen zu uns haben.« Nachdenklich schwieg sie eine Weile. »Ich meine, dass ein Mann wie Dr. Hartwig seinem Beruf nicht gerecht wird. Ein Pädagoge muss Verständnis für die Jugend haben. Ich hatte Lehrer, die ich sehr mochte und andere, die mir zuwider waren.«
»Ich auch, Feelein.«
»Und es war doch so, dass wir die besten Leistungen brachten, wenn wir einen Lehrer mochten«, stellte sie fest.
»Genau. Und die schlechtesten Noten bekamen wie von denen, die wir nicht mochten.«
»An wem liegt es denn dann am meisten, wenn Kinder in der Schule versagen?«
»Schlimm, ja, am schlimmsten ist es, wenn der Vater ein schlechter Pädagoge ist. Aber wir wollen nicht wegreden, dass auch oft die Eltern schuld sind.«
»Wir wollen aber auch einräumen, dass Kinder manchmal ganz aus der Art schlagen können, was wir von unseren ja nicht erwarten wollen.«
»Bei der Mutter bestimmt nicht.«
»Bei dem Vater auch nicht«, sagte Fee innig.
Dann zuckte sie plötzlich zusammen, und gleich war Daniel ganz gegenwärtig und besorgt. »Ist es doch schon so weit?«, fragte er heiser.
»I wo, er strampelt nur so ungestüm«, erwiderte Fee beruhigend. »Er ist noch lebhafter als Danny. Da können wir uns auf was gefasst machen.«
»Sollten wir doch nicht besser in die Klinik fahren?«, erkundigte sich Daniel besorgt.
»Kommt gar nicht infrage. Ich möchte so lange wie möglich in meinem Bett schlafen.«
Und sie schlief in seinem Arm, an seiner Schulter ganz ruhig, während er auf jeden Atemzug lauschte und darüber nachdachte, was sein Leben ohne Fee ihm bedeuten würde.
Genauso wie Schorsch wäre es ihm wohl ergangen. Eine andere Frau hätte ihm nie das geben können, was Fee ihm gab. Es waren kaum Erinnerungen geblieben an jene Frauen, die seinen Weg gekreuzt hatten. Isabel war ihm eine gute Freundin gewesen, daran gab es nichts zu deuteln, aber das war sie auch heute noch als Frau von Jürgen Schoeller. Es war eine sehr distanzierte Freundschaft gewesen zwischen zwei Menschen, die miteinander reden konnten und sich nichts vorzuwerfen hatten. Aber die anderen flüchtigen Affären – du lieber Himmel, was bedeuteten die schon. Mit Liebe hatte dies doch alles nichts zu tun. Seine ganze unverbrauchte Liebe gehörte Fee. Nur ihr.
Mein Liebstes, mein Allerliebstes, dachte er, als ihm die Augen zufielen. Seine Lippen lagen an ihrer Stirn, und so müde er auch war, wurde ihm doch bewusst, dass er zwei Leben in seinem Arm hielt.
*
Geweckt wurden sie von Danny, bevor der Wecker läutete. Der Kleine kam hereingetrippelt und kletterte zu ihnen ins Bett.
»Auslafen«, verkündete er laut.
Fee war auf der Stelle munter, doch ein bisschen verwirrt blickte sie auf die Uhr.
Es war noch nicht mal sechs Uhr. »Du bist aber früh dran«, sagte sie leise. »Lass Papi schlafen.«
»Warum denn?«, fragte Danny.
Manche Worte konnte er schon ganz deutlich sagen, manche weniger.
Daniel gähnte. »Wie spät ist es?«, fragte er.
»Spät is es?«, wiederholte Danny.
»Jetzt ist es genau sechs Uhr«, erwiderte Fee.
»Warum bist du schon munter, Sohn?«, fragte Daniel.
»Warum munter?«, fragte Danny. »Hat kracht.«
»Was hat gekracht?«, fragte Daniel und richtete sich auf. Fee hatte das Licht angeknipst.
»Was hat kracht? Weiß nicht«, sagte Danny.
»Ich habe nichts gehört«, murmelte Fee, »aber ich schaue gleich mal nach.«
»Nichts da, du bleibst liegen. Ich schaue nach«, sagte Daniel.
»Betti hat kracht«, sagte Danny.
Wenig später konnte sich Daniel überzeugen, dass Dannys Bett sich als nicht sehr widerstandsfähig erwiesen hatte. Die Matratze hing schräg.
»Bein hat auch wehtan«, sagte Danny.
Sein Vater raufte sich die Haare. »Das ist doch das Letzte«, sagte