Carl Friedrich Benz

Lebensfahrt eines deutschen Erfinders


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nur verhältnismäßig geringe Verbreitung gefunden.

      Für den militärischen Gebrauch der M. handelt es sich hauptsächlich um den Meldedienst und den Lastentransport. Bei den beiden ermöglicht die Verwendung der M. eine ganz erhebliche Ersparnis an Zeit, Personal, körperlichen und geistigen Kräften der Beteiligten, Pferdematerial und vielleicht auch, wenn die Verwendung erst allgemeiner geworden sein wird, an Geld. Für den Meldedienst empfiehlt sich für kleinere Verhältnisse das Motorzweirad, während zur Verbindung zwischen den höchsten Kommandobehörden größere Wagen notwendig sind, die mehrere Personen gleichzeitig fortzuschaffen vermögen. In diesem Sinn erfolgt die Verwendung der M. bei den großen Manövern aller Armeen; dies soll auch im russisch-japanischen Krieg in umfassendem Maße der Fall gewesen sein. Die M. sind allerdings bei schlechtem Wetter und ungünstigen Boden- und Wegeverhältnissen oft zu sehr an die Kommunikationen gebunden. Dies, sowie der stete Wechsel in Auftrag und taktischer Lage, verhindert die zuverlässige Ermittlung einer Durchschnittsgeschwindigkeit. Bei Verwendung zum Lastentransport für militärische Zwecke dürfte den M. eine große Zukunft bevorstehen. Einesteils gestattet ihre gegenüber den mit Pferden etc. bewegten Fahrzeugen erheblich größere Ladefähigkeit, die Mitnahme von weit mehr Verpflegsmitteln und Munition sowie die schnellere Heranführung solcher Bedürfnisse auf größere Entfernungen, desgleichen einen schnelleren Abschub der Kranken, Verwundeten etc. vom Heere nach rückwärts. All das macht die höhere wie die niedere Truppenführung wesentlich freier in ihren Entschlüssen und deren Durchführung und erleichtert die Rücksichtnahme auf den erstrebten Hauptzweck, den Kampf. Die Ausstellung von militärischen Selbstfahrerparken für alle Kriegszwecke schon im Frieden ist nicht durchführbar, nicht bloß der Kosten wegen, sondern vor allem mit Rücksicht auf die große Schnelligkeit der technischen Fortschritte in Konstruktion und Verwendung der M. Deshalb begnügt sich die Militärverwaltung mit der Anschaffung solcher Fahrzeuge, die im Kriegsfall nicht schnell zu beschaffen sein würden, z. B. Telegraphenwagen, Reparaturwagen etc., stellt sonst nur eine beschränkte Zahl von M. selbst auf und sorgt für ausgiebige Erprobung aller neuen Konstruktionen, während die Sicherstellung der Hauptmasse der für Manöver und Krieg nötigen M. durch Freiwilligenkorps geschieht, die sich und ihre Fahrzeuge der Militärverwaltung unter gewissen Bedingungen zur Verfügung stellen. In Deutschland hat man in den Kaisermanövern mit Motorrädern und -Wagen vorzügliche Erfahrungen gemacht, auch bei Verwendung querfeldein; Proben mit Lastmotorwagen und Lokomobilen für den Lastentransport werden bei der Versuchsabteilung der Verkehrstruppen (mit Versuchskompanie) gemacht. Gepanzerte, mit Maschinengewehren montierte M. sind erprobt worden. In Österreich wurden 1905 Übungen im schnellen Erreichen entfernter Punkte durch Motorradkompanien unternommen, Aufgaben, die sich im Mobilmachungsfalle beim Besetzen wichtiger Punkte in kürzester Zeit oft ergeben werden. Einen gepanzerten M. mit einem leichten Schnellfeuergeschütz in Panzerkuppel konstruierten die Daimlerwerke. In Italien haben 1904 von Brescia aus unter der Annahme einer Mobilmachung durchgeführte Fahrten von 220 bis 560 km Länge und Überwindung großer Höhenunterschiede bedeutende Erfolge gezeitigt, wobei auch Automobilomnibusse zur Verwendung kamen, z. B. erreichte ein solcher mit 25 Bersaglieri eine Geschwindigkeit von durchschnittlich 25 km stündlich im Gebirge. Portugal hat für Zwecke des Festungskrieges (Verteidigung von Lissabon) von Schneider in Creusot eine Batterie von vier 15 cm-Haubitzen bestellt, die zusammen von einem M. gezogen werden. Dieser, 7000 kg schwer, transportiert selbst 5000 kg (Munition, Mannschaften etc.) und schleppt die vier zusammen 14,000 kg wiegenden Haubitzen bis 4,5° Steigung; bei stärkeren Steigungen werden die Geschütze einzeln geschleppt. Die Gesamtleistung kommt ungefähr einer Ersparnis von 100 Pferden gleich. In England und Frankreich hat man M. in noch weit ausgedehnterem Maß als in Deutschland bei den Manövern verwendet, England hat z. B. 2 Trainkompanien für den Motorwagendienst, ein Volunteers-Selbstfahrerkorps, einen Selbstfahrerzug bei den irischen Yeomanry, ferner wurden M. für Erkundungszwecke, mit Maximgeschützen armiert, erprobt etc. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika sind auch Spezialwagen für Telegraphen- etc. Zwecke ausgiebig probiert worden.

      Hygienisches.

      Das Fahren im M. bewirkt wie jede mechanische Gymnastik eine regere Tätigkeit des gesamten Organismus, besitzt aber den sonstigen gymnastischen Methoden gegenüber bemerkenswerte Vorzüge. Der Zimmergymnastik gegenüber kommt insbes. der frische Luftstrom in Betracht, der in angenehmer Weise Haut- und Lungentätigkeit anregt und damit eine höchst vorteilhafte Entlastung der inneren, mit Blut vielfach übersättigten Organe herbeiführt. Das Reiten erscheint vielen Leuten zu scharf, das Fahren im gewöhnlichen Wagen ohne Luftreifen als zu hart; demgegenüber besteht das Fahren im M. in einem sanften und leichten Dahinschweben, das sich in gleich angenehmer Weise fühlbar macht, wie etwa das Kahnfahren auf stillem Wasser. Die harten Stöße der Straße werden bei der tiefen Schwerpunktlage des Fahrzeuges durch die Pneumatiks und Federn fast vollständig aufgenommen, so dass sich nach einer langen Fahrt nicht etwa wie beim Ausstieg aus einer gewöhnlichen Droschke oder einem Eisenbahnwagen das Gefühl der Ungelenkigkeit und Steifigkeit einstellt, sondern das einer angenehmen Ermüdung, wie sie sich etwa nach einer lustigen Klettertour durch gesteigertes Schlaf- und Hungergefühl bemerkbar macht. Mit der wohltuenden Ausspannung durch die landschaftliche Szenerie und der Entlastung der inneren Organe geht Hand in Hand eine höchst vorteilhafte Einwirkung auf die Nerven; allerdings sind hierbei einige Vorbedingungen zu erfüllen: nicht langsam dahinbummeln, aber auch nicht rasen, sondern ein Mitteltempo, und zwar systematisch morgens und mittags, im Sommer und Winter bei jedem Wetter, wenn nötig mit Brille, Lederhandschuhen, Pelz etc. ausgerüstet. Infolge der wohltuenden Wirkung auf die Nerven finden wir gerade unter den Gehirnarbeitern enthusiastische Anhänger des Motorwagens.

      Geschichtliches.

      Im 15., 16. und 17. Jahrh. finden wir in China, England, Holland und auch Deutschland Wagen ohne Pferde, bewegt von Menschen, die sich im Innern des Wagens befanden; diese Wagen waren meist mit elegantem Schnitzwerk versehen. Den ersten, wenn auch nicht lange brauchbaren M., einen Dampfwagen, konstruierte Cugnot 1769. Um 1785 baute der Assistent Watts, William Murdock, einen Dampfwagen, ebenso William Symington, Francis Moore, Robert Fourneß, James Ashworth, desgleichen der Amerikaner Evans seinen Amphibium-Dampfwagen, der »zu Wasser und zu Lande« fahren sollte; auch Trevithick ließ 1801 einen großen Dampfwagen laufen. Zu Anfang des 19. Jahrh. beschäftigte sich Blenkinsop, Brunton, Nasmyth, Gurney, Hancock, namentlich aber Gordon mit dem Dampfwagenbau; letzterer baute einen Wagen, der mit Krücken versehen war, die den Gang der Pferdefüße nachahmten. 1827 erschien die Stephensonsche Lokomotive, in der zwar das Prinzip des Selbstfahrers verwirklicht war, die aber doch nur eine halbe Lösung des Verkehrsproblems bedeutete, denn ihr Betrieb war an eine festgelegte Organisation, Zeit und Ort gebunden. Die Bestrebungen, Selbstfahrer zu bauen, die im Gegensatz zur Eisenbahn eine individuelle Benutzung gestatten, hörten deshalb mit der Erfindung der Eisenbahn nicht auf; ja, es trat sogar mit der Erfindung der Lokomotive ein ungeahnter Aufschwung des Dampfwagenbaues ein; so sollen um 1833 in London über 20 Dampfwagen im Gebrauch gewesen sein. Das Jahr 1865 brachte ein Gesetz, das die Geschwindigkeit der Wagen für offene Strecken auf 4 engl. Meilen und für Ortschaften auf 2 engl. Meilen pro Stunde vorschrieb, was den völligen Ruin der englischen Automobilindustrie bedeutete. England trat seine Rolle an Frankreich ab, woselbst Bollée seit 1873 mehrere Wagen baute, desgleichen Graf de Dion in Verbindung mit Bouton und schließlich Serpollet.

      Einen neuen Impuls erfuhr der Bau von M. durch die beiden deutschen Techniker Daimler und Benz, die, unabhängig voneinander, um die Mitte der 1880er Jahre den Explosionsmotor so ausbildeten, dass er den automobilen Bedingungen in fast idealer Weise genügte. Wie aber jede große Erfindung nicht als Folge eines einzigen technischen Fortschritts aufgefasst werden kann, so darf auch die Bedeutung des »leichten Explosionsmotors« für den modernen Automobilbau nicht überschätzt werden; auch das Automobil ist als das Produkt des organischen Zusammenwirkens der technischen Gesamtentwickelung aufzufassen, und man kann beispielsweise nicht sagen, welche Erfindung für den modernen Automobilbau die wichtigste ist, die Erfindung des leichten Motors, oder des Pneumatiks, oder sonst eines Automobilbestandteils; keine dieser Erfindungen hätte zum Ziele geführt, wäre sie nicht begleitet gewesen von den übrigen technischen Errungenschaften; deshalb gilt auch nicht das Jahr 1880 als Geburtsjahr des modernen Automobilismus, sondern das Jahr 1895, denn um diese Zeit war die Ausbildung des modernen Automobils in allen seinen Teilen bereits so weit gediehen, dass die