trat ein, einen Stapel Akten im Arm. »Entschuldigen Sie. Die Akten müssen hier in die Regale.«
Katharina nickte und schaute weiter auf die Straße, während die Rechtsanwaltsgehilfin die Akten einsortierte.
Katharinas Blick wanderte zur Daldorf-Bank gegenüber. Die Tür öffnete sich, und zwei Personen traten auf die Freitreppe. Katharina stockte der Atem. Der Mann war eindeutig Philipp. Die Frau an seiner Seite eine rassige Schönheit etwa in seinem Alter. Jetzt umarmte sie ihn und küsste ihn.
»Ach, sind die jetzt wieder zusammen?« Frau Fischer hatte die Akten weggeräumt und war neben Katharina getreten.
»Wen meinen Sie?«, fragte Katharina. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, und ihre Stimme klang ihr fremd in den Ohren.
Frau Fischer schien davon nichts zu bemerken. »Den Fürsten von Hohenstein und Fiona Daldorf. Sie hatten vor zwei, drei Jahren eine Beziehung. Ich dachte, sie hätten sich getrennt.«
»Fiona Daldorf?«, sagte Katharina fragend.
Frau Fischer nickte. »Ihr gehört die Daldorf-Bank. Sie hat sie von ihrem Vater geerbt, als der vor vier oder fünf Jahren starb.«
»Und … und sie ist die Freundin des Fürsten?«
Frau Fischer zuckte die Schultern. »Jedenfalls waren die beiden früher ein Paar. Meine Freundin – sie arbeitet in der Bank – erwartete sogar, dass sie heiraten würden. Dann erzählte sie, dass die beiden sich getrennt hätten. Na ja, manchmal kommen Paare wieder zusammen, nicht? Und hübsch anzuschauen sind sie ja. Fiona ist sicherlich die schönste Frau hier in der Gegend. Und der Fürst muss sich ja auch nicht gerade verstecken, nicht?«
Frau Fischer verließ den Raum, ohne zu bemerken, welch verheerende Wirkung ihre Worte auf Katharina hatten. Katharina taumelte zu ihrem Stuhl. Vor ihren Augen stand noch immer die Szene, die sie gerade beobachtet hatte. Philipp und Fiona Daldorf! Sie hatte ihn umarmt, geküsst, wenn auch nur flüchtig. Sie war so vertraut mit ihm umgegangen. War Philipp mit dieser Frau zusammen? War das der Grund für seine Zurückhaltung? Katharina konnte sich das kaum vorstellen. Sie wollte nicht glauben, dass Philipp nur mit ihr gespielt hatte.
*
Katharina verbrachte einen unruhigen Nachmittag. Sie konnte sich einfach nicht auf die Arbeit konzentrieren. Um half fünf gab sie auf und klopfte bei ihrer Tante an die Bürotür.
»Ich mache für heute Feierabend.«
Irene sah von dem Schriftsatz auf, den sie gerade las. »Ja, geh nur. – Ist etwas? Du siehst blass aus, Katharina.«
»Nein, gar nichts«, log die Komtess hastig. »Alles bestens. Tschüs.« Sie verließ eilig das Büro. Ein Gespräch über ihre Gefühle war das letzte, was sie brauchte. Sie eilte die Treppe hinunter und auf die Straße. Sie wollte allein sein. Ohne auf ihre Umgebung zu achten, ging sie die Straße entlang.
Wie aus dem Nichts stand dort plötzlich Philipp vor ihr. »Hallo Katharina«, sagte er und zog sie zärtlich an sich.
Katharina wurde stocksteif in seiner Umarmung. Philipp ließ sie verwirrt los. »Ist etwas?«
Ja, was hast du mit dieser Daldorf zu schaffen?, dachte Katharina. Laut sagte sie jedoch … »Ich … ich war nur überrascht. Ich hatte dich nicht gesehen.«
Der Fürst sah sie forschend an, ließ ihre Aussage aber gelten. »Ich habe in dem Café dort auf dich gewartet. Komm, setzen wir uns.« Er nahm Katharina bei der Hand, und sie folgte ihm auf die Sonnenterrasse des Cafés. Die Kellnerin kam, und Katharina bestellte einen Eiskaffee.
»Wie war dein Tag?«, fragte Philipp, als die Kellnerin sich entfernt hatte.
Katharina fühlte sich völlig verwirrt. Philipp benahm sich wie immer. Wie konnte er sie so verliebt ansehen, wenn er nur ein paar Stunden zuvor Fiona Daldorf geküsst hatte?
»Viel Arbeit«, antwortete sie vage.
Philipp runzelte die Stirn. »Ist etwas passiert? Du wirkst so unruhig.«
Katharina bemühte sich um einen leichten Tonfall. »Das ist wohl nur Nervosität. Ich soll nächste Woche zum ersten Mal einen Fall vor Gericht vertreten.«
Philipp legte beruhigend seine Hand auf ihre.
»Du schaffst das schon. Da bin ich ganz sicher.«
Die Kellnerin brachte den Eiskaffee. Katharina trank einen Schluck.
»Wie hast du den Tag verbracht?«, fragte sie harmlos. Würde Philipp zugeben, dass er sich mit Fiona Daldorf getroffen hatte?
Die braunen Augen des Fürsten verdüsterten sich. Er rührte gedankenverloren in seinem Kaffee. »Ein paar geschäftliche Schwierigkeiten. Aber damit will ich dich nicht behelligen.«
»Waren sie der Grund, warum du heute in der Bank warst?«, bohrte Katharina nach. Sie brauchte Gewissheit!
Philipp sah Katharina überrascht an. »Woher weißt du das?«
»Ich habe dich vor der Bank mit Frau Daldorf gesehen. In inniger Umarmung.« Die Worte waren Katharina entschlüpft, bevor sie darüber nachgedacht hatte.
»Ach, darum bist du so zurückhaltend«, sagte Philipp. »Du denkst, Fiona und ich wären ein Paar?«
»Unsere Frau Fischer behauptet, ihr wäret eins gewesen«, verteidigte Katharina sich.
»Vor zwei Jahren«, räumte Philipp ein, und er setzte eindringlich hinzu: »Katharina, da ist nichts mehr.«
Katharina war noch nicht bereit, die Sache fallen zu lassen. »Das sah aber anders aus. Du hast sie geküsst.«
»Sie hat mich geküsst, nicht ich sie«, stellte der Fürst richtig. Ein bitterer Ausdruck flog über sein markantes Gesicht. »Fiona ist recht besitzergreifend. Sonst ist da nichts.« Er fasste nach Katharinas Hand. »Bitte, du musst mir glauben. Ich liebe dich, Katharina.«
Als sie den flehenden Blick seiner Augen sah, nickte sie. Sie zog seine Hand an ihre Lippen und küsste sie. »Ich liebe dich auch.«
*
Komtess Katharina legte die Perlenkette an, die ihre Eltern ihr zum achtzehnten Geburtstag geschenkt hatten, und befestigte die dazu passenden Ohrringe. Sie trat einen Schritt zurück, um die Wirkung zu begutachten. Die Kette hob die zarte Bräune ihrer Haut hervor. Katharina lächelte und griff zum Lippenstift. Gleich darauf lief sie leichtfüßig die Treppe hinunter und betrat das Wohnzimmer. Irene sah von dem Krimi auf, den sie gerade las. Katharina drehte sich überschwänglich einmal um die eigene Achse. Das elegante lange Kleid aus Seidentaft knisterte leicht.
»Du bist wunderschön, Katharina. Himmelblau steht dir ausgezeichnet. Ich wette, nach dir werden sich alle Männer den Hals verdrehen.«
Katharinas Hochgefühl bekam einen deutlichen Dämpfer durch diese Worte. »Nie im Leben«, sagte sie. »Dafür ist Frau Daldorf viel zu schön. Die Männer werden ihr hinterherschauen.«
Kurz zuckte der Gedanke in ihr auf, Philipp könnte wieder ein Interesse an Fiona entwickeln. Nein. Niemals. Er hatte ihr gesagt, dass die Beziehung zwischen ihm und Fiona vorbei sei. Endgültig. Katharina glaubte ihm, und sie war fest entschlossen, nie Zweifel aufkommen zu lassen.
Ein Auto hupte, und Katharina öffnete die Tür. Fürst Philipp stand vor ihr. Er trug mit nachlässiger Eleganz einen Smoking, der seine gute Figur unterstrich. Philipps braune Augen leuchteten warm, als er sich formvollendet über die Hand der Komtess beugte. »Du siehst zauberhaft aus, Katharina. Wollen wir?«
Der Sommerball der Daldorf-Bank fand in der Villa der Daldorfs außerhalb von Bad Segeberg statt. Als Philipp und Katharina eintrafen, standen schon viele elegante und teure Autos auf dem weiten Platz vor der Villa. Philipp half Katharina beim Aussteigen und bot ihr dann galant den Arm. Sie hatten gerade ein paar Schritte auf den Eingang zu gemacht, als ein weiteres Auto auf den Parkplatz bog.
»Wartet«, rief eine Stimme.
Als sie sich umdrehten, erkannte Katharina Prinzessin Laura, die aus dem