Maria Czigler Bianca

Fürstenkrone Staffel 8 – Adelsroman


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kam Katharina gleichermaßen wie eine Ewigkeit vor und als ob keine Sekunde verstrichen sei, als Philipp sich von ihr löste.

      Seine dunklen Haare klebten nass an seinem Kopf, und er strich sie mit einer Hand beiseite. Er schenkte Katharina ein schiefes Lächeln. »Den Regen hatte ich nicht eingeplant. Meine Vorstellung ging eher dahin, dich nach einem kleinen Spaziergang in ein Restaurant einzuladen.«

      Katharina zog unwillkürlich sein Jackett enger um die Schultern, um sich vor dem Regen zu schützen. »Netter Plan. Aber glaubst du, die lassen uns rein? Du siehst aus, als hätte man dich gerade aus der Trave gezogen, und ich sicher nicht besser.«

      Schalk blitzte in Philipps Augen auf. »Ich kenne ein Restaurant, da haben sie Holzstühle. Wenn wir die volltropfen, stört das wohl kaum.«

      Katharina ging auf seinen spaßhaften Ton ein: »Ich hoffe, der Wirt sieht das genauso.«

      Fürst Philipp legte ihr einen Arm um die Taille, und sie gingen eng aneinandergeschmiegt zu dem Restaurant, das wirklich kaum fünf Minuten entfernt lag.

      Den Wirt schienen seine tropfnassen Gäste nicht zu stören. Er erkannte den Fürsten und geleitete ihn und Katharina zu einer gemütlichen Nische. Das Restaurant war Jahrhunderte alt, sorgfältig restauriert und gepflegt. An den Wänden hingen Schiffsglocken, Sextanten und Seekarten und betonten die Tradition Lübecks als Hafen- und Hansestadt. Auf dem Tischtuch standen Gläser für Wein und Wasser und edles Besteck.

      Katharina und Philipp bestellten Fisch und Weißwein.

      Während sie auf das Essen warteten, hielten sie einander bei den Händen und redeten über Belanglosigkeiten.

      Katharina war selig. Obwohl sie nass bis auf die Haut war, wünschte sie, der Tag würde nie vergehen. So glücklich wie heute war sie in ihrem Leben noch nie gewesen. Nach ihrem Kuss an der Trave war Katharina sich absolut sicher, dass sie Philipp liebte. Sie wollte immer mit ihm zusammen sein, Freud und Leid teilen.

      Philipp zog Katharinas Hand an die Lippen und küsste ihre Finger. »Ich liebe dich, Katharina. Seitdem ich dich das erste Mal gesehen habe, gehst du mir nicht aus dem Kopf. Ich wünschte …« Er ließ den Satz unbeendet, und seine Miene verdüsterte sich.

      Katharina wollte nachfragen, doch in dem Augenblick kam der Kellner und servierte das Essen. Philipp ließ ihre Hand los.

      »Das sieht sehr gut aus«, erklärte er betont heiter.

      Katharina war verwirrt. Erst erklärte Philipp ihr seine Liebe, und nun sprach er über etwas derart Belangloses wie das Essen? Irgendetwas bedrückte ihn, da war sich Katharina sicher. Bisher hatte sie seine düsteren Stimmungen ignoriert. Doch jetzt konnte sie das nicht mehr. Er hatte gesagt, dass er sie liebe. Und sie, Katharina, liebte Philipp. Viel zu sehr, um ihn mit seinen Sorgen allein zu lassen. Daher nahm sie allen Mut zusammen und sagte: »Philipp, hast du etwas? Du siehst so düster aus. Kann ich dir helfen?«

      Philipp trank einen Schluck Wein und wich so ihrem Blick aus. Schließlich stellte er das Glas sorgfältig ab und meinte: »Ich wollte bloß sagen, dass ich möchte, dass du mich zu dem Ball bei der Daldorf-Bank am nächsten Samstag begleitest. Und von düsterer Stimmung weiß ich nichts.« Er sah sie wieder an. In seinen Augen stand ein bemühtes Lächeln.

      Katharina runzelte unwillkürlich die Stirn. Sollte sie sich so sehr geirrt haben? Oder gab es etwas, von dem Philipp nicht wollte, dass sie es erfuhr? Aber warum? Er hatte doch erklärt, er liebe sie. War es dann nicht natürlich, alle Nöte zu teilen? Komtess Katharina beschloss, die Sache zunächst auf sich beruhen zu lassen. So hatte ihre Mutter sie erzogen. Nicht drängen, mein Kind, pflegte sie immer zu sagen.

      Daher lächelte Katharina nur und sagte: »Ich begleite dich sehr gerne dorthin. Weißt du, wer sonst noch kommt? Kenne ich vielleicht jemanden?«

      Philipp schien erleichtert über den Themenwechsel und erzählte Katharina lebhaft von den Gästen des letzten Jahres. Doch bei Katharina blieb ein unruhiges Gefühl zurück.

      *

      Philipp ging seinen Geschwistern am nächsten Tag so weit wie möglich aus dem Weg. Er wollte allein sein, um nachzudenken. Seine Gedanken kreisten um Katharina, Fiona und die Hypothek, die sein Vater auf die Güter der Hohensteins aufgenommen hatte.

      Er war so glücklich gewesen, gestern mit Katharina. Sie konnte in strömenden Regen lachen. Als ihre Kleidung tropfnass an ihr hing, machte sie sich nur Sorgen um das Mobiliar des Restaurants und nicht um ihr Aussehen. Wie anders war sie als Fiona. Fiona hätte bei dem Gewitter gestern Zustände bekommen und darüber geklagt, das ihr Mascara verlief.

      Philipp wünschte, er könnte immer mit Katharina zusammen sein. Gestern war dieser Wunsch so übermächtig geworden, dass er ihr fast einen Heiratsantrag gemacht hätte. Es versetzte ihm noch immer einen Stich, dass er sie angelogen hatte. Aber er konnte ihr nicht von seinen Problemen erzählen, davon, dass das gesamte Familienvermögen verpfändet war. Wenn es ihm und Herrn Rehmann am Dienstag nicht gelang, mit Fiona eine Stundung auszuhandeln, stand er vor dem Ruin. Unter den Bedingungen wäre er ein Schuft, hätte er Katharina einen Antrag gemacht. Erst musste er die Finanzen der Familie in Ordnung bringen, dann konnte er Katharina fragen, ob sie seine Frau werden wollte. Philipp sehnte den Dienstag herbei, damit er endlich Klarheit bekäme.

      Dann war der Tag herangekommen, und er saß gemeinsam mit Herrn Rehmann Fiona in ihrem übergroßen Arbeitszimmer gegenüber. Es war ein in hellem Kirschholz getäfelter Raum. Ein imposanter Schreibtisch, den noch Fionas Vater gekauft hatte, dominierte die eine Seite des Zimmers. Auf der anderen stand ein auf Hochglanz polierter Konferenztisch mit sechs Stühlen.

      »Lassen Sie mich die Angelegenheit zusammenfassen«, sagte Fiona. Sie trug heute ein figurbetontes Kostüm in Dunkelblau. Ihre Haare hatte sie hochgesteckt, was sie kühl und unnahbar erscheinen ließ. Die perfekte Geschäftsfrau. »Die Rehman-Pharma hat ein Medikament entwickelt, und die Daldorf-Bank hat das finanziert. Das Medikament verkauft sich grundsätzlich gut. Allerdings fallen fast alle Chargen bei der Qualitätskontrolle durch und können nicht verkauft werden. Als Ergebnis haben Sie keine Einnahmen und zahlen ihre Kreditraten nicht zurück.«

      »Ich bin sicher, dass wir das Problem zügig lösen werden, Frau Daldorf«, versicherte Herr Rehmann. Obwohl der Raum klimatisiert war, wischte er sich mit seinem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.

      »Das versichern Sie mir seit zwei Monaten, Herr Rehmann. Dennoch erkenne ich keinen Fortschritt.« Fiona faltete die Hände vor sich auf dem Tisch, und der Brillantring an ihrem Finger funkelte. »Sehen Sie, ich muss auch an meine Bank denken. Wir kalkulieren mit dem Geld.«

      »Das verstehe ich durchaus, Frau Daldorf. Es geht mir ja auch nur um einen Aufschub«, versicherte Herr Rehmann eifrig.

      Fiona atmete tief durch, als ringe sie mit sich. Doch Philipp kannte sie besser. Er war sicher, dass sie schon vor Beginn des Gesprächs jedes Detail geplant hatte.

      »Nun gut. Für einen Monat kann ich sicherlich noch eine Stundung gewähren. Aber ich fürchte, meine Herren, danach ist Schluss. Auch eine Bank hat Geld nicht einfach herumliegen.«

      Herr Rehmann wischte sich erneut den Schweiß ab. »Ich werde alles daran setzen, dass Qualitätsproblem bis dahin zu lösen und Ihnen die ausstehenden Raten zurückzuzahlen.«

      Fiona schenkte Rehmann ein falsches Lächeln. »Da bin ich sicher, Herr Rehmann. Damit haben wir also eine vorläufige Einigung erzielt.«

      »Wunderbar«, sagte Herr Rehmann und erhob sich. »Dann darf ich mich entschuldigen. Ich habe eine Verabredung mit Herrn Hagen, dem Chef unserer Qualitätskontrolle.«

      Fiona wandte sich an Fürst Philipp. »Du bleibst aber noch, nicht wahr? Schließlich sollten wir noch einen Schluck auf die Einigung trinken.«

      »Natürlich gern, Fiona.«

      Philipp bemühte sich um einen freundlichen Tonfall. Sein gesamtes Vermögen war ihrer Bank verpfändet und er auf ihren guten Willen angewiesen. Er verabscheute die Situation, in die die Handlung seines Vaters ihn gebracht hatte. Es kostete dem jungen Fürsten die ganze Beherrschung, zu der er erzogen