CHINATOWN und hatte es mir sofort angetan. Was für eine Stimme. Ich liebe dunkle Frauenstimmen. Zarah Leander, Lale Andersen, Tanita Tikaram und eben Amanda Lear. In einer Mathestunde sang ich vor Langeweile so vor mich hin das Discolied der Amanda. Der Lehrer wurde aufmerksam und sagte: „Erik, willste raus?“ Er sah Erik ernst an und der schaute ernst erstaunt zurück und beschwerte sich, dass das Gebrumme nicht von ihm stammte. Dem Lehrer war es egal. „Ich habe dich im Auge!“, gab er seine Warnung raus. Ich konnte mir ein Lachen kaum verdrücken. Noch heute können Erik und ich darüber herzhaft lachen.
In Geschichte und Politik war ich immer gut. Aber dann geschah es. Meine erste 5 überhaupt handelte ich mir ein. Wir hatten den Warschauer Pakt und die Nato als Thema. Ich erdreistete mich in meiner Abhandlung den Beginn der Pakte nach dem Krieg zu beschreiben. Kurz zuvor hatten wir das Dritte Reich durchgenommen und ich war entsetzt von meinen Vorfahren. Dass sie solche grauenvollen Geschehnisse zugelassen hatten und sogar dabei mitgemacht hatten. Ich konnte es kaum fassen. Ich schrieb vom damaligen Führer und seinen Taten kurz und knapp und legte noch einen drauf: „Wenn wir nicht so ein Schwein wie Hitler in unserer Geschichte gehabt hätten, wäre alles anders verlaufen.“ Ich musste mir Luft machen.
Der Lehrer auch. Wir bekamen unsere Arbeiten zurück und ich staunte nicht schlecht. Eine 5. Zum ersten Mal in meinem Leben schlechter als 4. Das war wirklich neu für mich. Und welche Begründung gab es dafür?
Ich hätte alles am Dritten Reich festgemacht, dass überhaupt ein Warschauer Pakt und die Nato entstanden sind. Ja, klar. Ohne das Dritte Reich gäbe es die nächsten Jahrzehnte so nicht. Ich protestierte und brachte meinen Satz über das Schwein Hitler nochmals vor. „Es war nicht alles schlecht in jener Zeit.“
Das konnte er jetzt nicht gesagt haben. Nicht der Lehrer und schon gar nicht dieser Lehrer, ein ewiger Hippie-Verschnitt mit langen welligen Haaren aus den 1968gern. Das konnte nicht sein. Mir wurde klar: dieser Lehrer war alles andere als Hippie. Der war rechts, sehr weit rechts. Wie konnte man irgendetwas aus dem Dritten Reich gut finden? Und das in seinem Alter. Er war so um die 30 Jahre alt.
Mir war das völlig schleierhaft. Alles war doch auf Lug und Trug im Dritten Reich aufgebaut. Ja, einige der Nazibauten sind genial. Ein Herr Speer durfte dafür sogar weiterleben. Obwohl er alles genauestens wusste. Was wir erst heute nach Öffnung diverser Giftschränke wissen. Er hätte auch an den Galgen kommen müssen.
Na, gut, wenn das Arsch von Lehrer es so will. Meine anderen schriftlichen Arbeiten waren gut und mündlich auch. Dann gab es eben eine 3 auf dem Zeugnis anstatt einer 2.
Neu war das Wahlpflichtfach. Zwei gab es zur Auswahl. Man musste eines nehmen. Leider. Nichts als Möglichkeit, wäre schöner gewesen. Im ersten Jahr gab es eine Theater-AG, aber bei dem Herrn Lehrer fühlte ich mich im ersten Halbjahr nicht wohl und wechselte dann zum Tanzen. Erst gab es zwei Jungen, mich und einen Klaus, der aber schon bald die Schnauze voll hatte und lieber zum technischen Werken wechselte als sein Tanzbein zu schwingen. Er hatte wohl keins.
Ich war dann der Hahn im Korb. Allein unter Mädchen, die alle tanzen lernen wollten. Ich konnte schon Disco-Fox und Grundschritte der Standardtänze hatte ich gelernt von meinen zwei älteren Schwestern. Die nahmen mich schon frühzeitig mit in die Discos, weil ihre Stecher nicht gerne tanzten und die Herren dankten es mir, wenn ich meine Schwestern über das Parkett schleuderte. Dann hatten sie Ruhe und meine Schwestern hatten ihren Auslauf.
In der Schule hatte ich so einen Lehrauftrag: Disco-Fox unter die weiblichen Mitschüler zu bringen. In einigen Fällen war das ganz leicht, in anderen gar nicht umzusetzen. Es kommt eben auf das Rhythmusgefühl an und da gab es Mädchen, die einfach keines besaßen.
Nach 2 Jahren Tanzen im Wahlpflichtfach traf sich die Klasse wieder. Wir beschlossen nicht weiter zu tanzen, sondern das Wahlpflichtfach in eine Sport-AG umzuwandeln. Die meisten hatten die Schnauze voll von Tippelschritt und Cha-Cha-Cha. Wir landeten beim Volleyball-Spiel. Das bekamen natürlich die Jungen meiner Klasse mit. Sie wollten nicht tanzen, aber jeden anderen Sport lieber ausüben, als rumzuwerkeln. Also versuchten alle bei uns im Kurs unterzukommen, aber so einfach war die Wechselei nicht. Im laufenden Jahr konnten die Herren nicht und später hörten ihre Schuljahre an unserer Schule auf und sie gingen ab. Ätsch!
Ich war natürlich sehr begehrt bei den Volley-Damen. Wenn Gruppen gebildet wurden, wurde ich immer als Erster in eine Gruppe gewählt und dann wurde gespielt. Auf Biegen und Brechen, auf was-haste-was-kannste und drauf. So ungefähr stemmte ich mich dann beim Volleyballspiel rein. Meine Aufschläge waren berüchtigt. Ich gab dem Ball immer einen gewissen Dreh mit und schon landete er auf dem Boden. 1 Punkt für meine Mannschaft. Und dann passierte es natürlich. Bei einem harten Aufschlag prellte ich mein rechtes Handgelenk. 2 Wochen Gips. Nicht schreiben, kein Sport, kein Schwimmunterricht. Später hatte ich jahrelang eine Sehnenscheidenentzündung und trug einen Leder-Stütz-Riemen um das Handgelenk. Das Gelenk musste geschont werden.
Kotzen 3:
Kotzen, nicht weil es mir schlecht war, sondern von einem Vorfall, der eine angemessene Übelkeit wegen Ungerechtigkeiten hervorrief.
Das Ganze spielte sich ab im 10ten Schuljahr. Mein bester Freund war da nicht mehr dabei. Erik hatte seine Lehrstelle schon angetreten. Ich freundete mich mit Heike C. an. Die Ärmste! Ich muss sie schon ziemlich genervt haben. Wäre sie nicht an meiner Seite gewesen, ich weiß nicht ob ich noch überhaupt bereit gewesen wäre etwas zu lernen.
Aber von Anfang an. Mitten im 9ten Schuljahr gab es einen Lehrerwechsel im Fach Englisch. Die gute Englisch-Lehrerin bekam ein Baby und blieb dann zuhause. Eine Frau Schulle übernahm den Unterricht. Das bekam meiner Note überhaupt nicht. Ich schwankte im Englischunterricht immer von Gut bis Befriedigend, also irgendwas zwischen 2 und 3. Ich sprach gerne englisch. Aber dann kam Frau Schulle. Nach meiner ersten Frage: „Ich verstehe das nicht. Könnten Sie bitte nochmals...“, wurde ich prompt unterbrochen. „We talking english, please!!, antwortete Frau Schulle. Ich wieder: „Ich möchte nur wissen...“ Wieder unterbrach mich diese Frau Schulle. „We talking english, please.“ Wollte sie nicht oder hatte sie mich auch beim zweiten Mal nicht verstanden? Ich wollte doch nur… Sie blieb dabei. Ich sollte versuchen alles in English wiederzugeben. Ich versuchte ein drittes Mal sie zu einer deutschen Antwort zu überreden. Aber es kam immer nur der gleiche Satz. Wenn ich so in die Ecke gedrängt werde, mache ich dicht. Alles klar, dicke Frau Schulle, red du nur englisch, wenn Du magst und machte völlig zu. Den Unterricht bekam ich nur noch am Rande mit und ich wollte auch nicht mehr dieser Dicken etwas beweisen. Dann eben nicht, du alte Kröte.
Ich hatte meine gute Freundin Heike. Sie war es, die mir in Englisch Nachhilfe gab. Sie ließ mich bei Klassenarbeiten abschreiben, so dass ich wenigstens einigermaßen mitkam. Im ersten Halbjahreszeugnis dann der Schock: ein Zensurensprung. Ich war außer mir. Das durfte es so doch gar nicht geben. Ich latschte zu der Dicken und versuchte ein Gespräch. „Du musst dich mehr beteiligen am Unterricht. Du musst dich schon anstrengen.“
Was wollte die Olle? Wenn Frau Schulle mich im Unterricht auf Englisch was fragte, antwortete ich in Deutsch. Ich dachte, sie kapiert irgendwann, dass ich eine Erklärung auf Deutsch verlangte. Aber sie blieb beim Englischen und ich beim Deutschen.
Es kam der Tag der Abrechnung, der Elternsprechtag. Ich wollte vor meinen Eltern diese Lehrerin zu dem Zensurensprung zur Rede stellen. Aber was machte die alte Schachtel?
„Ihr Sohn ist immer so abgelenkt im Unterricht, seit er neben der Heike sitzt. Ich glaube, da ist mehr im Spiel, als wir ahnen.“
Was sollte das denn, du blöde Kuh? Klar, war da mehr. Ohne Heike hätte ich überhaupt nix mehr in Englisch mitgekriegt. Sie half, wo sie nur konnte. Kleine Spickzettel für Dietmar rübergeschoben und die nächste 4 konnte ich einheimsen. Sonst wäre das noch übler ausgegangen. Ich danke noch heute, für die Hilfe Heike C.!
Meine Eltern waren sprachlos und wollten mit mir am Abend reden. So verließen wir den Elternsprechtag. Meine Eltern waren völlig überrascht, wie auch ich, von den Ausführungen der Dicken.
„Wäre es besser euch auseinanderzusetzen?“, fragte tatsächlich meine Mutter. Nein, das war es nicht, wie ich lautstark entgegnete und erzählte, dass mir die Heike sehr hilft. Mit dieser Erklärung