Andrew Hathaway

Der Geisterjäger Staffel 2 – Gruselroman


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Mitarbeiter. Sie wirkten genauso mitgenommen wie Rick und Mervin.

      Eine drückende Stille lastete über allem. Rick fragte sich, woher sie wohl kam. Bei seiner Ankunft war die ganze Station von verschiedenen Geräuschen erfüllt gewesen, die nichts mit dem Alarm zu tun hatten. Generatoren summten. Die Neonröhren an der Decke gaben ein sirrendes Brummen von sich. Maschinen stampften.

      Nun aber war gar nichts zu hören. Vielleicht war das nur eine Nachwirkung der unerträglichen Schallwellen, denen sie ausgesetzt gewesen waren.

      Erst als auch Mervin den Kopf hob und eine Bemerkung über die Stille machte, wurde der Geisterdetektiv stutzig.

      »Wir müßten zumindest das Heulen des Sturms hören«, meinte auch Lilian Harper, die inzwischen zu ihnen gestoßen war. Die blonden Haare hingen ihr wirr in die Stirn. Ihre Augen wirkten müde.

      Rick lief auf die Schleuse zu, öffnete die innere Tür und trat an die äußere heran. Mervin rief ihm eine Warnung zu, er sollte sich einen Pelzmantel anziehen. Rick achtete nicht darauf, er wollte sich Gewißheit verschaffen.

      Red tauchte neben ihm auf, als er die Hände nach dem Verschluß der äußeren Tür ausstreckte.

      »Lassen Sie das!« rief der Geheimdienstmann. »Ohne meine ausdrückliche Erlaubnis darf niemand mehr die Station verlassen.«

      »Dann haben Sie soeben Ihre Erlaubnis gegeben!« rief Rick zurück und öffnete die Tür.

      Niemand sprach ein Wort. Alle starrten entgeistert ins Freie. Was sie sahen, war so unglaublich, daß sie nicht sofort begriffen, was sich vor ihren Augen abspielte.

      *

      Am auffallendsten war die Veränderung des Wetters. Strahlender Sonnenschein leuchtete ihnen entgegen, so daß sie die Augen zusammenkneifen mußten. Rick konnte fast nichts erkennen, weil der Schnee die Sonnenstrahlen reflektierte.

      Er griff hastig in seine Tasche und holte die Schneebrille hervor, die er vorsichtshalber bei sich trug. Als er sie aufsetzte, sah er, daß sie nicht mehr allein in der Eiswüste waren.

      Zwischen der Station und dem Meer lagerte eine Gruppe von Männern mit Schlitten und den zugehörigen Hunden. Das war aber noch nicht alles. Das Meer befand sich nicht an derselben Stelle wie bei seiner Ankunft. Es war weiter zurückgewichen. Auch die Küstenlinie verlief jetzt anders.

      Auf den sanften Wellen schaukelte ein Schiff. Rick sah es nur für einen kurzen Moment, da sich sofort undurchdringlicher Nebel über das Land legte. Dieser Augenblick genügte jedoch, um ihn ahnen zu lassen, was hier vor sich ging.

      Es war ein altes Dampfschiff. Aus den Schloten quollen dichte schwarze Rauchwolken.

      Danach sah er gar nichts mehr. Auch die lagernden Männer wurden von dem Nebel verschluckt.

      Ehe Rick sich nach den anderen umdrehte und sie nach ihrer Meinung fragte, erklang ein hohles Heulen. Diesmal unterschied es sich in nichts von dem Sturmheulen bei seiner Ankunft. Mit dem Dröhnen vorhin hatte es nichts zu tun.

      Es war klar. Ein schwerer Schneesturm zog auf. Trotzdem blieb Rick Masters in der geöffneten Schleusentür stehen.

      Er fror nicht. Er spürte nicht einmal die tiefen Temperaturen. Erst jetzt wurde er darauf aufmerksam und erkannte erstaunt, daß um ihn herum angenehme Wärme herrschte, als hätte er die Station gar nicht geöffnet.

      Er konnte nicht länger über dieses Phänomen nachdenken, weil der Sturm da war. Rick sah die gewaltigen Schneewolken, die er vor sich hertrieb. Schon wollte er zurückweichen, als der Schnee unmittelbar vor der Station zu einem unsichtbaren Hindernis abprallte. Nicht eine einzige Flocke erreichte den Geisterdetektiv.

      Die rätselhaften Vorfälle gingen noch weiter. Über dem Heulen und Pfeifen des Sturm hörte Rick Hundegebell und Schreie. Gleich darauf tauchten aus dem dichten Schneegestöber abenteuerliche Gestalten auf.

      Auf den ersten Blick wirkten sie wie Eisbären. Erst auf den zweiten Blick erkannte der Geisterdetektiv, daß es die Mitglieder einer Expedition waren, die sich verzweifelt durch dieses Unwetter vorankämpften.

      Er rührte sich nicht von der Stelle. Diesen Leuten konnte er nicht helfen, brauchte es auch nicht zu tun. Sie existierten nicht wirklich, genausowenig wie vorhin der Sonnenschein, das Dampfschiff oder dieser Schneesturm. Alles war nur Blendwerk von Geistern und Dämonen, magische Vorspiegelungen, deren Sinn er nicht durchschaute.

      Zuerst sah es aus, als würden die erschöpft wankenden Gestalten in die Schleuse kommen. Sobald sie jedoch die unsichtbare Barriere erreichten, lösten sie sich auf, zerfaserten zu formlosen, nebelhaften Gebilden und wurden vom Wind weggerissen.

      Das geschah mit den Männern ebenso wie mit den Hunden und den Schlitten.

      Noch einmal wechselte das Bild. Schneesturm und Schneegestöber hörten auf, als sähe Rick einen Film, in dem ein abrupter Szenenwechsel stattgefunden hatte. Im selben Moment wurde es dunkel. Nur ein fahler Lichtschein lag auf der Landschaft.

      Im Schnee erkannte er kleine Hügel, aus denen dunkle Gegenstände ragten. Er kniff die Augen zusammen. Es gelang ihm vorerst nicht zu erkennen, was das war, bis er einen charakteristisch geformten Schneehügel entdeckte.

      Er hatte die Gestalt eines liegenden Mannes, und tatsächlich ragte das Bein eines Menschen aus dem eisigen Grab.

      Da draußen lagen Tote. Menschen, Hunde und Schlitten waren unter Schnee begraben. Rick sah einen riesigen Friedhof vor sich.

      Ein eisiger Windstoß warf ihn zurück und ließ ihn taumeln. Er bekam kaum Luft, als sich ein Schwall kalter Luft auf sein Gesicht legte und Schneeflocken in seinen Mund und seine Nase trieben.

      Mit aller Kraft stemmte er sich gegen die Schleusentür und schlug sie zu. Sobald er sie verriegelt hatte, lehnte er sich aufatmend dagegen.

      Die grausige Vision war zu Ende. Die Wirklichkeit war an ihre Stelle getreten.

      *

      Der Geisterdetektiv wandte sich um und musterte die Mannschaft. Alle hatten sich versammelt. Er zählte durch und fand, daß kein einziges Mitglied der Besatzung fehlte.

      Niemand sprach ein Wort. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet, als erwarteten die Leute von ihm eine Erklärung. Er dachte jedoch nicht daran, über das Phänomen zu sprechen.

      »Es soll sich jeder seinen Reim darauf machen«, sagte er leise. »Die einem, die meine Erklärungen glauben würden, wissen ohnedies, was das war. Die anderen, die nur über mich die Nase rümpfen, werden auch hinterher nicht überzeugt sein.«

      Er wandte sich ab und verließ die Schlese. In der Zentrale stießen Mervin Sanders und Lilian Harper zu ihm. Sie sahen mitgenommen aus, diesmal nicht nur von den magischen Schallwellen, sondern auch von der Vision selbst.

      »Uns kannst du schon sagen, was wir davon halten sollen«, forderte ihn sein Freund auf. »Ich muß ehrlich gestehen, ich zweifle an meinem Verstand.«

      »Warum?« Rick sah sich nervös um. Er fühlte sich in der Station gefangen. »Einunddreißig Personen haben dasselbe gesehen. Einunddreißig Personen können bezeugen, was sich da draußen abgespielt hat. Weshalb also zweifelst du an deinem Verstand?«

      Mervin Sanders suchte vergeblich nach Worten. Seine Stellvertreterin kam ihm zu Hilfe.

      »Es war alles so unwirklich, Mr. Masters. Wir stammen aus einer hochtechnisierten Welt. Da haben Erscheinungen wie die von vorhin nichts zu suchen.«

      »Sie hat aber stattgefunden.« Rick entschloß sich, seine Gedanken auszusprechen. »Wir haben soeben die Ursache für die rätselhaften Vorfälle gesehen. Aus welcher Zeit stammte das Dampfschiff?«

      Mervin Sanders zögerte nicht mit der Antwort. »Hundert Jahre alt, mindestens«, antwortete er prompt. »Ich wüßte jetzt nicht, welche Expedition damals in dieser Gegend gelandet ist, aber es wirkte alles sehr echt.«

      »Richtig«, bestätigte der Geisterdetektiv. »Wir haben gesehen, was sich vor etwa hundert Jahren in dieser Gegend abgespielt hat. Damals verlief die Küstenlinie