Isolde Kurz

Gesammelte Werke


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Jede Un­tat der Ihren, die sie nicht hin­dern konn­te, fiel auf ihr ah­nungs­schwe­res Herz zu­rück. So war sie auch die ein­zi­ge ge­we­sen, die sich dem an der Toch­ter des Po­len­ta be­gan­ge­nen Ver­rat wi­der­setz­te im Vor­ge­fühl des kom­men­den Straf­ge­richts. Aber wie im­mer war der Wil­le der Män­ner über ihr rich­ti­ge­res Ge­fühl hin­ge­gan­gen wie der Strom über die Bin­sen sei­nes Bet­tes, die er nie­mals sich auf­rich­ten lässt. Dass auch ihr Lieb­ling, ihr Pao­lo, aus des­sen zar­te­rer Sin­nes­art sie sonst ih­ren Trost schöpf­te, eine Rol­le, und die wich­tigs­te, bei der Meu­chel­tat über­nom­men hat­te, das brach ihr von Leid und Al­ter schon brü­chi­ges Le­ben. Sie öff­ne­te fort­an den Mund nicht mehr bis zu ih­rer letz­ten Stun­de. Nur in ih­ren schrecker­starr­ten Mie­nen hat­te Pao­lo sein Ur­teil ge­le­sen. Ihr stum­mer Vor­wurf ge­sell­te sich der Angst, die ihn jag­te, dass er den kal­ten Atem der Fu­ri­en im Na­cken zu spü­ren glaub­te. Es war ein jäh­lings ent­fes­sel­ter Sturm­wind, der hin­ter ihm her­blies, ihn mit Wol­ken Stau­bes um­hül­lend, die jun­gen Bäu­me am Stra­ßen­rand ent­wur­zelnd, die al­ten zer­kni­ckend. Plötz­lich er­hell­te ein Blitz die Dun­kel­heit, an­de­re folg­ten so schnell auf­ein­an­der, dass ihr Schein in eine ste­hen­de Lohe über­ging, und der Don­ner brüll­te in un­un­ter­bro­che­ner Fol­ge, als soll­ten Him­mel und Erde zer­bers­ten. Pao­los Pferd brach aus; wie toll und blind ge­wor­den, ge­horch­te es dem Zü­gel nicht mehr und riss den halb be­täub­ten Rei­ter mit sich, bis es in einen Gra­ben stürz­te und im Fal­len sei­nen Herrn be­deck­te. –

      Das glei­che Don­ner­kra­chen er­schüt­ter­te auch das Schloss von Ri­mi­ni, und die glei­chen Blit­ze, die Pao­los Pferd zum Los­ra­sen und jä­hen Sturz brach­ten, um­lo­der­ten wie Got­tes Zorn auch das Hoch­zeits­ge­mach, das den fei­gen Be­trug deck­te.

      Die Neu­ver­mähl­te, über die der Schlaf­trunk noch Macht hat­te, lag un­ter furcht­ba­rem Alp­druck. Durch einen Spalt ih­res Be­wusst­seins nahm sie die Blit­ze wahr, die ihr aus dem Maul ei­nes zi­schen­den Dra­chen zu kom­men schie­nen. Aber sie konn­te sich we­der re­gen noch einen Laut von sich ge­ben. Erst als die Ta­ges­hel­le durch Fens­ter- und Tür­rit­zen drang, ließ der Bann von ihr ab, da sah sie er­wa­chend eine schreck­haf­te Ge­stalt, die sich von ih­rer Sei­te er­hob, und der Ge­lieb­te, ne­ben dem sie ge­ruht zu ha­ben glaub­te, war ver­schwun­den. Sie tat einen gräss­li­chen Schrei, der Un­hold bog sich über sie, um sie zu be­schwich­ti­gen, sie glaub­te, weil er so ab­sto­ßend aus­sah, dass er sie er­mor­den wol­le, und schnell be­son­nen er­griff sie einen Dolch, der auf dem Bet­pult bei dem Bet­te lag. Es war Gian­ciot­tos ei­ge­ner, der ihn ohne Scheu vor dem Hei­li­gen da ab­ge­legt hat­te, als er das La­ger be­stieg, denn da er sich von Un­ter­ta­nen und Hof­ge­sin­de ge­hasst wuss­te, ging er auch im ei­ge­nen Schlos­se nie­mals un­be­wehrt.

      Weg von mir, du scheuß­li­ches Ge­würm! schrie sie, den Dolch nach ihm zückend.

      Ihre Wor­te ver­wun­de­ten tiefer, als es eine Waf­fe ge­konnt hät­te.

      Fran­ces­ca, ich bin dein Gat­te, sag­te er.

      Ein Mör­der bist du, schrie sie au­ßer sich, der mei­nen Gat­ten er­dolcht hat. In der Nacht war er noch hier, wo hast du ihn hin­ge­bracht, du Fürch­ter­li­cher?

      Und sie be­gann aus Lei­bes­kräf­ten zu ru­fen: Wo bist du, Pao­lo? Ret­te mich, schüt­ze mich, wenn du noch lebst.

      Hier war nie­mand bei dir als ich, dein Gat­te, der dazu das Recht hat, sag­te Gian­ciot­to so sanft, als es sei­ne Er­schüt­te­rung zuließ. Aber sie hör­te ihn gar nicht an und fuhr fort nach Pao­lo zu ru­fen, wäh­rend sie den Dolch auf Gian­ciot­to ge­zückt hielt.

      Die­ser war auf einen Sturm ge­fasst ge­we­sen, aber nicht auf einen so wil­den. Es be­gann ihm selbst vor dem Ge­sche­he­nen zu grau­sen, aber er lieb­te sie nun schon bis zur Ra­se­rei und fühl­te, dass er nie­mals wür­de auf­hö­ren kön­nen, sie zu lie­ben und zu be­geh­ren.

      Komm zu dir, Fran­ces­ca, fleh­te er. Lege das grau­sa­me Spiel­zeug weg, es taugt dir nicht. Sieh, ich könn­te ja dei­ne Hand zer­bre­chen durch den blo­ßen Druck der mei­ni­gen. Aber sie ist so zart und fein, nie­mals wäre ich im­stand, ihr weh zu tun.

      Wo ist Pao­lo, du Miss­ge­burt? schrie sie. Zeig ihn mir, wenn er noch lebt.

      Pao­lo lebt. Er ist ges­tern weg­ge­rit­ten, wir wis­sen nicht wo­hin. Aber ich habe Be­fehl ge­ge­ben, ihn zu su­chen, und wer­de ihn vor dich brin­gen, da­mit du aus sei­nem Mun­de hörst, wer dein Gat­te ist.

      Er wird nie­mals wie­der­kom­men, denn du hast ihn ge­tö­tet.

      Er wird. Rei­ze mich nicht wei­ter. Ich könn­te sonst ver­ges­sen, dass ich dich mehr lie­be als mich selbst und dass ich mir ge­schwo­ren habe, dich auf mei­nen Hän­den durchs Le­ben zu tra­gen, um dir zu ver­gü­ten, was zum Bes­ten al­ler an dir ge­sche­hen muss­te.

      Was muss­te ge­sche­hen, du Schreck­li­cher?

      Dass du mein Weib wur­dest, ohne mich zu ken­nen.

      Dein Weib?

      Ja, für mich hat dich Pao­lo ge­wor­ben, denn ich bin der künf­ti­ge Herr­scher von Ri­mi­ni. Mein ist der Ring, den er dir gab, mir hat dein Va­ter dich zu­ge­schickt –, in mei­nen Ar­men hast du ge­schla­fen.

      Die Un­glück­li­che blieb eine Wei­le wie er­starrt. Wenn das mehr ist als eine höl­li­sche Lüge, sag­te sie be­bend, so möge mich die Son­ne nicht mehr le­bend be­schei­nen.

      Blitz­schnell ent­riss er ihr den Dolch, ehe sie ihn ge­gen sich sel­ber keh­ren konn­te. Aber Fran­ces­ca sah ihn höh­nisch an:

      Wer ster­ben will, für den gibt es hun­dert Wege.

      Die Knech­te ka­men von der Su­che zu­rück.

      Habt ihr ihn ge­fun­den? frag­te der Ge­bie­ter.

      Wir ha­ben ihn ge­fun­den, Herr. In der Wald­schmie­de hat er das Ge­wit­ter über­stan­den.

      Und er woll­te euch nicht fol­gen?

      Nein, Herr. Er er­klär­te, dass er nie zu­rück­keh­ren wol­le.

      Ich wuss­te es, sagt Fran­ces­ca. Er lebt nicht mehr.

      Nichts weißt du, tö­rich­tes Weib. Ich wer­de sel­ber ge­hen und ihn ho­len.

      Gian­ciot­to warf sich aufs Pferd und spreng­te nach der Wald­schmie­de. Dort fand er sei­nen Bru­der, der schon ge­sat­telt hat­te, um wei­ter zu rei­ten, denn der heil­kun­di­ge Schmied, vor des­sen Tür er sich hin­kend und re­gen­trie­fend in der Nacht ge­schleppt, hat­te den Scha­den sei­nes Pfer­des und sei­nen ei­ge­nen schon be­ho­ben.

      Was du von mir willst, ist un­mög­lich, ant­wor­te­te der Flücht­ling sei­nem Bru­der, der ihn zum Mit­kom­men dräng­te. Ich kann Fran­ces­ca nicht in die Au­gen se­hen, ich bin ein Ver­wor­fe­ner. Ihr habt mich zu der Un­tat ge­drängt, de­ren Fol­gen ich nicht ab­sah, ich will sie fern von ihr und Euch bü­ßen.

      Du warst wil­lig zu dem Un­ter­neh­men, sag­te der Äl­te­re, du hast es an­ge­fan­gen, du musst es zu Ende füh­ren. Nie­mand als du kann für mich spre­chen. Ich müss­te dich has­sen, denn du hast einen Zau­ber auf sie ge­legt, dass sie nichts denkt als dich, be­nüt­ze ihn we­nigs­tens zu mei­nen Guns­ten.

      Bru­der, wenn Ihr das Schwert zieht, um die­ses ver­haß­te Le­ben von mir zu neh­men, so wer­de ich mich nicht weh­ren, denn ich kann mit dem Ge­fühl mei­nes Ver­rats nicht mehr le­ben.

      Lass