Verknüpfung, sei sie gut oder böse, an zwei entlegenen Enden gleichzeitig in Angriff nimmt, dass ein wohlgesinnter Nachbarfürst, beiden kriegführenden Häusern befreundet aber keinem pflichtig, bei einem Besuch in Rimini ganz absichtslos der herrlichen Tochter des Polenta gedachte. Gianciotto horchte hoch auf; er war unbeweibt und hatte gedacht, es zu bleiben. Denn er traute keiner Frau zu, einem Krüppel wie ihm das Ehegelübde zu halten, und die bloße Vorstellung, einmal einen unerwünschten Kopfschmuck tragen zu müssen, brachte sein Blut ins Sieden, dass er zum Weiberhasser wurde, bevor er noch Gelegenheit hatte, die gefürchtete Erfahrung zu machen. Als er einen so reifen und erfahrenen Menschenkenner die Tochter des Todfeindes als das Wunder ihres Geschlechtes preisen hörte, stockte ihm mit Eins der Atem, er verfärbte sich und musste das Wams lockern, damit nicht das plötzlich aufgestürmte Blut seine verwachsene Brust sprenge. Denn mit unwiderstehlicher Gewalt durchflutete ihn das Verlangen, dieses Juwel der Polenta sein zu nennen, wobei er der selbstbetrügerischen Einflüsterung unterlag, gerade ein so stolzes und hochsinniges Mädchen wie diese Francesca würde eher als das alltägliche Weibergezücht imstande sein, Mannhaftigkeit und Ruhm des Gatten über vergängliche körperliche Vorzüge zu stellen. Die Gedanken des alten Malatesta gingen bei den Reden des Gastes gleichfalls in der Richtung einer Heirat, wobei für ihn freilich nur der politische Vorteil in Frage kam. Als er an ein paar hastigen und ungeschickten Fragen des Sohnes erkannte, dass der ungewollte Pfeilschuss getroffen habe, zog er den Gast ins Vertrauen und beauftragte ihn, sich an den Alten in Ravenna heranzupirschen und dessen Gesinnung zu erforschen. Der Gast war zuerst bestürzt, denn er hätte dem edlen Mädchen ein besseres Glück gegönnt, aber auch er stellte die öffentliche Wohlfahrt über die Rechte des Herzens und übernahm den Auftrag, dem der alte Polenta nur zu willig entgegenkam. Die ersten Verhandlungen gingen ganz in der Stille hin und her, da sagte ein vertrauter Ratgeber Messer Guidos, der ihm schon öfter gute Dienste geleistet hatte, besonders in Fällen, wo der gerade Weg nicht zum Ziele führte, er solle in dieser Sache vorsichtig gehen, wenn er seinen Zweck erreichen wolle. Er kenne doch seine Tochter und ihren kühnen, hochfliegenden Geist. Wenn sie den lahmen Gianni sehe, bevor die Ehe geschlossen sei, würde keine Macht der Welt sie dahin bringen, ihn zum Gatten zu nehmen, sollten auch Ravenna und Rimini darüber in Stücke gehen.
Aber schickt mich an den alten Malatesta, sagte er, und lasst mich die Heirat einleiten, ich stehe Euch dafür, wenn Ihr nur irgend den Anordnungen, die ich zu treffen denke, entgegenkommt, so wird Madonna Francesca willigen Herzens die Hochzeitsreise antreten, vorausgesetzt, dass ihr der Krüppel nicht vorzeitig vor Augen kommt, denn sie darf nicht wissen, wen sie freit.
Der Polenta schüttelte zweifelnd den Kopf, denn er sah noch nicht, wo der andere hinauswollte. Als dieser aber auf Messer Paolo hinwies, den er als Blendwerk vorzuschieben gedachte, da ging ihm ein Licht auf. Der schöne Paolo, mit dem die Weiber närrisch waren! Ja, wenn der eine Rolle in dem Stück übernahm, dann konnte das Spiel gelingen.
Und nun karteten die beiden Grauköpfe einen Plan miteinander ab, der in Rimini mit Eifer aufgegriffen wurde und von dessen teuflischer Verworfenheit keine der beiden vertragschließenden Parteien sich Rechenschaft gab.
Nur wenige Wochen später zog Paolo Malatesta mit einer Schar ansehnlicher Jünglinge, alle köstlich gekleidet und wohl beritten, er selbst als der Glänzendste unter ihnen, im Schloss von Ravenna ein. Der Ruf, dass er als Freier um Francescas Hand komme, war ihm schon vorangeeilt. Diese spielte eben auf ihrer Laute, als eines der jungen Ehrenfräulein hereintrat und sie an einen Spalt des Fensters rief:
Madonna, seht her – der ist es, der Euer Gatte sein soll, – denn sie kannte Herrn Paolo, der ihr einmal bei einem Turnier gezeigt worden war, von Ansehen.
Der Ankömmling hatte schon die erste Zugbrücke hinter sich und wollte über die zweite in den Innenhof reiten, als sein schönes Tier plötzlich stutzte und nicht weiter wollte. Da war es ein ungemein gewinnendes Bild, den schönen jungen Reiter zu sehen, wie er lächelnd und sicher auf dem erregten Tier saß, als ob sie beide ein Leib wären, und ohne die Sporen anzulegen oder irgendeine andere Gewalt zu brauchen, nur mit der Überlegenheit des menschlichen Willens die Unvernunft des Tieres überwand, dass es zwar noch bebend aber besiegt die gescheute Brücke überschritt und in anmutigster Gangart den Hofraum durchtänzelte, wo ein lauter Beifallsruf den gewandten Reiter empfing. Aber ach, Paolo hatte mit dem Widerstand seines Tieres mehr überwunden als ihm gut war, er ahnte nicht, dass an dieser Stelle sein Schutzgeist ihm noch einmal abgewinkt hatte, bevor er den ersten Schritt in sein Verhängnis tat.
Francesca stand an ihrem Guckloch – es wäre für die Geworbene nicht ziemlich gewesen, sich am Fenster zu zeigen – und nahm jede Bewegung des Reiters wahr; in ihren entzückten Sinnen sollte dieses Bild für immer haften. Ihr Herz ging in Sprüngen. Da war kein Blutstropfen in ihr, der nicht aufwallte im Glück und Stolz, einen so schönen und edlen Gatten ihr eigen zu nennen.
Madonna Gualanda teilte ihren Jubel. Sie gehörte zu jener Gattung von Müttern, die sich in den Freier der Tochter mitverlieben. Das Verdienst, das sie sich selber im stillen am Zustandekommen der Werbung beimaß, ließ ihr den vermeintlichen Schwiegersohn noch hinreißender erscheinen; sie fand kein Ende, zu Francesca von seiner Schönheit und seinem adligen Anstand zu sprechen, obgleich er auch ihr nur flüchtig vorgestellt worden war, denn Heiratsverhandlungen waren Sache der Männer. Es wurde ein in hinterhältigen Worten abgefasster Ehevertrag unterschrieben, woraus zwar deutlich die Höhe der von den Polenta zu zahlenden Mitgift auf der einen Seite, auf der anderen der Umfang der auf die Malatesta treffenden Verpflichtungen angegeben war, die Persönlichkeit des Bräutigams aber so wenig hervortrat, dass bei undeutlichem Vorlesen des Schriftstücks weder die liebeselige Braut noch die im gleichen Blendwerk versponnene Mutter den geringsten Verdacht schöpfte. So kam der Tag, wo Francesca im Kreis ihrer Angehörigen, von den Vornehmsten der zwei Höfe umstanden, herrlich geschmückt und blendend schön, den Ring aus Paolos Hand empfing und der Priester den Bund segnete, wobei die lateinische Trauformel als ein unverstandener Schall an Francescas verzauberten Ohren vorüberging. Was kümmerte sie’s, dass statt der anmutigen Jugendschar, die zuerst Herrn Paolo auf seinem Werberitt gefolgt war, jetzt das ernstere Geleite des Bräutigams fast durchweg einen Höcker am Leibe trug, wenn dieser selbst schlank und schön wie der ritterliche Erzengel neben ihr stand. Ihr Herz und ihre Sinne taten einen so tiefen Zug aus dem Taumelkelch