grausam dafür geschlagen. Du weißt, wie er dann zu König Heinrich II. nach Frankreich zog, um Kriegsruhm zu erwerben, und mich als eine im Leid Vergehende zurückließ. Wie er nie eine Zeile schrieb, auf keine Bitten, keine Klagen Antwort gab. Wie ich in flehenden Sonetten seinen Bruder Vinciguerra anrief, dass er mir sein Erbarmen zuwende, und wie auch die Fürbitte des Edlen für die arme Anassilla vergeblich blieb. Wie er endlich zurückkam und nach einer kurzen, launenhaften Wiederannäherung mich auf immer verließ. Du weißt es, denn es ist der Inhalt meiner Lieder. O, es sei nicht davon die Rede, um ihn anzuklagen, denn ich habe dir schon gesagt, er ist mein Herr für immer.
Und doch sagen sie, du habest ein zweitesmal und ebenso feurig geliebt, deine Strophen selber gestehen es. Belehre mich, wie auf eine solche Liebe eine zweite folgen kann. Hat nicht die erste dein ganzes Herz zur Schlacke gebrannt? Und wenn es so war, dass du noch einmal liebtest, so sage mir, wenn das zu fragen erlaubt ist, welche Liebe stärker war, die erste oder die zweite.
Diesmal, mein lieber Wanderer, zielt deine Frage nicht ins Schwarze. Es gibt keine erste und zweite Liebe, denn alle Liebe ist uranfänglich und eine. Wenn das Werben eines andern die verglimmenden Kohlen meines Lebens und meiner Lieder wieder anblies, dass sie neu auf flammten, so war es doch ein und derselbe Brand. In Bartholomeo Zen fuhr ich fort Collaltino di Collalto zu lieben. Meine zweite Liebe hielt die erste noch als Leiche im Arm und hörte nicht auf sie mit Tränen zu begießen. Immer wieder stieg mir die Gestalt des Collaltino als Phönix aus der Asche und füllte aufs neue meine Dichtung. Welcher neue Werber hätte das ertragen! Ich konnte ja nicht unwahr sein, meine Dichtung konnte es nicht, denn die Dichtung ist von der Wahrheit unzertrennlich. So zerrann mir auch die zweite Liebe wie ein Schemen im Arm. Ich blieb bis zum Ende allein, und ich starb in der Blüte mit dem Namen des Collaltino auf den Lippen.
Arme Gaspara. Aber von dem Nachspiel schweigst du, dem rührenden, niedagewesenen? Ich meine die späte Sühne, die dir aus dem Hause Collalto selber kam.
Wovon sprichst du?
Von der unerhörten Fügung, dass dir in einem Ururenkel des ungetreuen Collaltino ein neuer edlerer Liebender geboren wurde, der gleichfalls den Namen eines Grafen Collalto trug. Zweihundert Jahre waren über dein Grab gegangen, das keiner mehr kannte. Dein Name war fast verweht, deine Lieder verschollen. Das Heft deiner Sonette – du hattest sie dem Fühllosen als Ganzes nachgesandt, weil ihn die einzelnen Tropfen deines Herzbluts nicht rührten, ob vielleicht der volle Strom sein Herz noch erreiche und dir gütig stimme, – dieses Heft lag vergessen und vergilbt in dem gräflichen Archiv. Da fand es Graf Rambaldo und trug Sorge, dass die Sonette erneut in würdiger Gestalt vor die Öffentlichkeit träten. Er pflanzte dich im Herzen deines Volkes wieder an. Aber das war nicht alles. Der Funke, der aus deinem unlöschbaren Vulkan auf ihn übersprang, entzündete auch in ihm die Flamme der Dichtung, dass er, nur mit schwächerer Kunst, von Gaspara Stampa singen musste wie du von Collaltin. Als Hirt Udasco feierte er die Hirtin Anassilla. Alles war ihm heilig und teuer, was von dir zeugte. Er suchte weit umher nach einem Bildnis von dir. Die Nymphen der Piave, die sich noch erinnern mussten, fragte er nach der Schönheit deiner leiblichen Gestalt. Er fragte die hohen Schatten, wie sie drunten die Dichterin empfangen hätten. Er klagte das Schicksal an, dass es zwei Jahrhunderte zwischen dich und ihn geschoben, denn er, nicht sein kaltherziger Vorfahr hätte müssen der dir zugedachte Collalto sein. Nicht um seinen Waffenruhm noch um die höfischen Ehren, die jener sich erworben, beneidete ihn der Enkel, sondern einzig um die Lieder der Anassilla. Und er stellte sich ritterlich vor dich, um den Schmutz posthumer Verlästerung von dir abzuwehren.
Ja, so war es, antwortete das Bild. Das alles tat der edle Rambaldo für mich. Ich danke dir, Wanderer, dass du mich erinnert hast. Er war es, der mein Angesicht in Kupfer stechen, in Seide wirken ließ, auch was du vor dir siehst, entsprang einem Auftrag seiner großmütigen Güte. Aber glaube du nicht, dieses rundliche Jugendantlitz sei das der Märtyrerin der Liebe. Sie sah anders aus, als ihr unter dem frühen Lorbeer die Dornen wuchsen, die ihre Schläfen zerfleischten.
Vernimm noch eins, Gaspara oder Anassilla, wie du genannt sein willst. Aber lieber nenne ich dich Gaspara, denn dein Tändelname will sich mir zu dem tödlichen Ernst deines Liebens nicht schicken: Noch einmal und ein halbes Mal drehte das Jahrhundert seine Speichen, da kam über die Alpen ein deutscher Dichter. Auch ihn ergriff dein Lodern, er verstand dich, wie du verbrennend lebtest und nichts wolltest als brennen, er fühlte in dir die südliche Schwester unsres nordischen Werters. Er nahm deine Lieder an sein großes Herz und machte deinen Namen hell bei einem andern Volk, indem er dich als Sinnbild aufstellte unter den großen Liebenden aller Zeiten.
Hab nochmals Dank, gütiger Wanderer. Du nanntest mich die Unglücklichste aller Liebenden und aller Dichterinnen. Gestehe jetzt, dass ich die Glücklichste bin.
Ich glaube, Gaspara, dass du recht hast.
Es wurde stille im Raum. Gleich darauf schlug der Hund des Gärtners ganz leise an, aber er blieb schwanzwedelnd liegen, als eine gewandte, sehnige Gestalt vorsichtig an der Außenmauer der Villa herabglitt und sich rasch über die niedrige Steinbrüstung schwang, die den Park nach der steil abfallenden Talseite abschloss.
Beim hellen Morgenschein wunderte sich der Gärtner, dass sein Gast, in dem er einen von den Frühen erwartet hatte, noch nicht erschienen war. Er klopfte an die Tür des Teppichsaals, um sich zu erkundigen, wie er geschlafen habe. Aber er traute seinen Augen nicht, als er den Raum leer und nirgends mehr eine Spur des Fremden fand. Nur auf dem Tischchen zwischen den zwei geleerten Karaffen lag ein Silberstück, dessen Beträchtlichkeit in dem alten Mann die Vorstellung erweckte, der geheimnisvolle Geber müsse trotz seines bescheidenen Auftretens doch so etwas wie ein verkappt reisender Fürst oder gar eine Art von Zauberer gewesen sein.
1 Was ich will, ist nichts als daß es brenne <<<
Erstes Kapitel – Sternenstunde
Aus freundlichen Leserkreisen bin ich wieder und wieder gefragt worden, warum ich meine Jugenderinnerungen, die mit der Übersiedlung unserer Familie nach Italien abschließen, nicht später wieder aufgenommen und fortgeführt habe. Man wollte die zahlreichen Sonderdarstellungen, die den einzelnen Gliedern meines Hauses sowie den Menschen meiner späteren Umwelt gewidmet sind, nicht für einen vollwertigen Ersatz nehmen, weil man in dem absichtlichen Zurückstellen der eigenen Person eine Art Ausweichen zu sehen