dass es Zeit sei. Er weiß meinen Befehl, er bringt dich in Sicherheit. Eile!
O meine Herrin, wohin soll ich ohne dich?
Der Cremona wird es dir sagen. Geh rasch, mein Kind, es ist not.
Ione gehorcht. Da hört sie hinter sich die Herrin tief aufstöhnen. Im Laufen kehrt das treue Kind noch einmal um, wirft sich vor Caterina nieder, umklammert ihre Knie, küsst ihre Hände:
Herrin, liebe Herrin, was wird aus dir?
Sorge nicht, mein Kind. Ruf deinen Schutzgeist an und eile dich.
Sie presst noch einmal die zarte, erst keimende Brust des Kindes an ihre eigene eisenumschnürte und treibt sie von sich in ihr Schicksal.
Aufs neue ruft es von unten mit der Stimme des Borgia. Caterina tritt ans Fenster, da legt sich ein schwerer Eisenhandschuh auf ihren Arm:
Madama, ich nehme Euch gefangen.
An der Aussprache erkannte sie den Franzosen.
Wem dienst du, mein Freund?
Dem Seigneur Yves d’Allègre, des Allerchristlichsten Königs oberstem Feldhauptmann.
Auch in diesem furchtbaren Augenblick ist Caterinas Geist völlig wach und gegenwärtig. Sie war gefasst, zu sterben. Nun sieht sie unerwartet einen Weg, der in die Freiheit führt.
Gut, mein Freund. Ich ergebe mich dem Seigneur d’Allègre und seinem Allerchristlichsten Oberherrn, dem König von Frankreich.
Da ist auch schon der Valentino in Begleitung der französischen Herren durch den vom Geschützfeuer beschädigten Eingang heraufgedrungen.
Madama, Ihr seid meine Gefangene.
Nicht die Eurige. Hier dieser wackere französische Kriegsmann hat mich gefangengenommen. Seinem Allerchristlichsten König hab ich mich ergeben. Mein Herr d’Allègre, ist es wahr, dass nach französischem Gesetz keine Frau Kriegsgefangene sein kann?
Blitz! Das ist so wahr wie meine Ehre.
So empfehle ich mich Eurer Ehre und dem französischen Kriegsgesetz und Eurem Allerchristlichsten König, dessen Ritterlichkeit mir die Freiheit verbürgt.
Madama, Ihr seid frei. Befehlt, wohin Ihr gebracht sein wollt, ich werde mir’s zur Ehre schätzen, Euch zu geleiten.
Der Valentino lächelt tückisch.
Verzeihung, mein Herr d’Allègre, wenn ich Euch erinnere, dass Eure Zeit für Frauendienst zu kostbar ist. Ein heute eingetroffener Befehl der Allerchristlichsten Majestät heißt Euch augenblicklich weitermarschieren, sobald die Rocca genommen ist. Hier die edle Gefangene nehme ich selbst in Obhut und werde ihr an Eurer Stelle alle die Ehren erweisen, an die sie Anspruch hat.
Die Gefangene schreit auf:
Herr d’Allègre –
Ein furchtbarer Knall zerreißt ihr das Wort im Munde. Die Erde bebt und die Mauern wanken von der Gewalt des Sprengschlags, der die ganze Rocca in undurchdringliche, nicht zu atmende Rauchschwaden hüllt. Der Pulverturm ist aufgeflogen. Wenn der Rauch sich verzieht, wird man Freund und Feind zu Hunderten in Stücke zerrissen am Boden sehen. Als wenn der Schlag sie selber getroffen hätte, ist die Heldin von Forli getaumelt und wäre zum Erstaunen der Herren zu Boden geschlagen wie irgendein schwaches Weib, hätte nicht Herr Yves d’Allègre sie aufgefangen.
Ione, Geliebte, du bist gerettet, denkt ihre Verzweiflung. Wäre auch ich’s!
So endete die Verteidigung der Rocca von Forli, die den Namen Caterina Sforza unsterblich gemacht hat.
Auf dem Teppichfeld, das den ruhmreichen Fall der Feste darstellt, zeigt die untere ausgesparte Ecke den letzten Vorgang im Kleinen: die Rocca in Flammen und die Dame von Forli, wie sie über Trümmerbrocken und angelegte Notleitern, halb ohnmächtig, von dem französischen Feldhauptmann und dem Valentino mehr getragen als gestützt, ihren Auszug aus den brechenden Mauern hält.
Und Ione? Niemand hat sie wiedergesehen. Die alles durchschnüffelnde Meute des Borgia kommt um ihren Lohn, und ein edler Jüngling hat auf der Suche nach ihr, die nichts von ihm wusste, unter der entfesselten Soldateska den Tod gefunden. Nur die Herrin von Forli und der Kommandant, der sich gerettet hat, wissen um ihr Ende. Und ihr Schutzgeist weiß es, der sie beim ersten Feuerschein des Sprengschlags auf seinen Armen emportrug, dahin wo keines Valentino Macht sie erreichen kann.
Was nach ihrer Gefangennahme mit der Gräfin von Forli geschah, davon schweigen die Teppichbilder. Aber die Geschichte redet – und hier die aufgestörten Geister, die noch nicht zur Ruhe sind; ihr zorniger Widerstreit erfüllt lautlos aber spürbar den Raum. Der Borgia hat das Wort gebrochen, das er dem Herrn d’Allègre gab, die hohe Frau in ehrenvoller Haft zu halten, bis der König von Frankreich ihr Geschick entschieden habe. Um so mehr denkt er den vor sich selbst getanen Schwur zu halten und seine Rache an der Gefangenen grenzenlos zu kühlen. Er hat sie nach dem Abmarsch ihres Beschützers mit roher Gewalt von ihren Frauen losreißen und in sein eigenes Schlafgemach schleppen lassen, wo er sie Tag und Nacht verschlossen hält. Vergebens erheben die anderen Führer Einspruch und mahnen an das gegebene Wort.
Eine Männin, die Festungen kommandiert und den Harnisch auf dem Leibe trägt, ist keine Frau im Sinne des französischen Kriegsrechts, antwortet der Valentino.
Aus ist es mit dem Blendwerk der Ritterlichkeit, die Brutalität des Siegers zeigt ihre Teufelsfratze. Ihre Schönheit und Hilflosigkeit reizt die Gehässigkeit seiner verderbten Sinne, sie zu peinigen und mit Schmach zu besudeln. Nicht mehr die Heldin von Forli soll sie heißen, sondern die Sklavin, die Metze des Borgia. Sie speit ihm ins Gesicht, aber der Unhold, der den Stier in der Arena fällt, ist der Stärkere. Immer wieder fragt er:
Wo habt Ihr das griechische Mädchen versteckt?
Sie antwortet: Ich hab es dir zehnmal gesagt, sie ist da, wo du Gottvergessener niemals sein wirst.
Selbst der Luffo Nummai, in dessen Haus diese Greuel geschehen, wagt die verblümte Mahnung, dass es den Sieger ziere, den besiegten tapferen Feldherrn zu ehren.
Ich ehre sie ja, ist die diabolische Antwort: Noch immer war es die Ehre des gefangenen Feldherrn, das Zelt des Siegers zu teilen. So will es die Rittersitte. Verhüte Gott, dass ich sie breche.
Der Herzog sagt es in warnendem Ton, sein Aug wirft böse Strahlen. Niemand wagt noch eine Erwiderung. Beim Aufbruch setzt er die Gefangene aufs Pferd und führt sie durch die Straßen von Forli, damit ihre ehemaligen Untertanen sich an ihrer