Die unglücklichen Forlivesen, zwischen zwei Feuer geraten, beten für den Sieg des Borgia, denn wehe ihnen, wenn er unverrichteter Sache abzöge. Ihm ist Forli nichts nütze, solange er die Rocca nicht hat, die Verderben in Stadt und Lager speit. Er ist wütend über den Widerstand, der seinen schnellen Siegeslauf aufhält, doppelt wütend, dass es ein Weib ist, das ihm angesichts der französischen Herren diese Schmach antut. Denn sie empfängt seine Unterhändler mit Hohn und schreibt im Übermut Spottworte auf die Kanonenkugeln, die sie in sein Lager sendet. Wie sie allmorgendlich auf dem Hauptturm erscheint, die weithin abgeholzte, im ersten Schnee liegende Ebene mit der Zeltstadt des Feindes zu überschauen, richten sich sogleich alle Feuerschlünde auf sie, und es ist ein Wunder, dass sie noch immer heil geblieben. Scharfsinnig wandert ihr Auge über die neugetroffenen Anstalten der Belagerer. Unerschüttert sieht sie ihre eigenen Bauern, wie sie auf Befehl des Borgia dabei sind, Lasten von Reisigbüscheln heranzuschleppen und vor der Feste aufzuschütten, um den Wassergraben durchquerbar zu machen. Dann verschwindet sie unterm Krachen der Geschütze und dem Prasseln der Steine, und gleich darauf geht sie rastlos wie zuvor von einem Befestigungswerk zum anderen, besichtigt das Arsenal, den Pulverturm, die Batterien, spricht mit jedem ihrer Hauptleute und stärkt durch ihre Unermüdlichkeit die sinkende Zuversicht der Besatzung, dass ihre Leute spöttische Reden über die Mauer rufen. Die Soldaten des Valentino antworteten mit rohen Beschimpfungen und verlangen zu stürmen, aufgerafftes Gesindel, das nicht schnell genug ans Plündern kommen kann. Den Franzosen dagegen gefällt die stolze Frau, sie nennen sie »Dame Cathérine« oder die »Dame von Forli« und erzählen sich mit heimlicher Bewunderung ihre Bravourstücke. Das hindert aber nicht, dass auch sie ebenso wie die Päpstlichen und die Schweizer auf sie zielen, so oft die hohe schlanke Gestalt auf dem Turm erscheint. Sie behaupten, die Dame von Forli sei stich- und kugelfest. Aber das Geheimnis ihrer Unverwundbarkeit ist der feingeschmiedete Stahlpanzer, den sie auf dem Leibe trägt.
Der Borgia seinerseits ist kein Eisenfresser. Er geht lieber dem offenen Kampf aus dem Wege, der auch Opfer kostet, solange er hoffen kann, den Gegner durch falsches Paktieren und trügliche Verheißungen ins Garn zu locken. Mit seinen zwei Trompetern ist er bis hart vor den Graben geritten und hat die erlauchte Gräfin von Forli und Imola zur Unterhandlung gerufen. Der lautlose Schall der gelben Trompeten geht dem Beschauer durch Mark und Bein: die Gerufene ist erschienen. Jetzt – sei es die Magie des Mondlichts, sei es Spiel der überreizten Fantasie – jetzt sind die Gestalten kein Werk der Webkunst mehr, keine flachen farbigen Schatten, sie werden körperlich, sie bewegen sich, leben! Das gespannte Ohr vernimmt, wenn nicht den Stimmklang, doch den Sinn ihrer Rede.
Madonna, ruft der Reiter hinauf, wie lange wollt Ihr das gefährliche Spiel noch spielen? Von Tag zu Tag mehren sich Eure Verluste –
Die Euren auch, ruft es von oben herab.
Madonna, lasst Euch erweichen, ich bitte, ich beschwöre Euch, hört auf die Stimme eines Mannes, der nur gezwungen Euer Gegner ist, der Euch bewundert und alles daran setzen möchte, Euch zu retten. Meine Leute dringen auf den Sturm, der Euer Untergang werden muss, die Franzosen, die Schweizer verlangen das gleiche, aber Eure Person ist mir heilig – ich würde mich für den unseligsten aller Menschen halten, wenn ich eine Handlung befehlen müsste, die Eure Sicherheit gefährdet.
Vom Turm kommt eine helle Lache.
Madonna, fährt der Herzog fort, Ihr habt den Ruhm, eine große Kriegerin und eine Kennerin des Kriegswesens zu sein. Als eine solche müsst Ihr einsehen, dass Eure Sache verzweifelt steht. Nicht weil Ihr ein Weib seid und gegen Männer kämpft – o nein, wir wissen es, dass Ihr an Tapferkeit und Kriegskunst keinem Manne nachsteht. Aber Ihr seid allein gegen drei Heere. Eure Bundesgenossen haben Euch verlassen, Eure Untertanen sind von Euch abgefallen –
Die Elenden! Meine Vergeltung wird sie zu treffen wissen, ruft es zurück.
Der Herzog von Mailand, Euer Oheim, von dem Ihr Entsatz hofftet, ist landflüchtig –
Aber meine Schwester sitzt neben dem edlen Maximilian auf dem Kaiserthron, ist die triumphierende Antwort.
Erlauchte Frau, gestattet mir zu bemerken, dass ich fürchte, Seine kaiserliche Majestät habe zur Zeit größere Sorgen als die um Ew. Herrlichkeit Wohlergehen.
Kommt zum Schluss, Herr Herzog, ich habe keine Zeit für müßiges Geplauder.
Ich komme zum Schluss und biete Euch ehrenvollen Abzug mit Eurer ganzen Besatzung und Eurem Hofstaat, mit allen Euren Waffen und Euren Juwelen. Seine Heiligkeit löst Euch vom Bann und verstattet Euch zu wohnen und Hof zu halten, wo es Euch beliebt. Eine jährliche Rente wird Euch ausgeworfen, die nicht im Verhältnis zu unserer Armut, nur zu Euren Ansprüchen steht.
Versprechungen des Hauses Borgia, höhnt es von oben.
Madonna, ich unterdrücke das Gefühl gerechten Schmerzes über Euer Misstrauen und stelle Euch Bürgen meines Wortes, die edelsten, die Ihr verlangen könnt. Es sind die besten Paladine Seiner Majestät des Allerchristlichsten Königs: hier der Herzog von Vendôme, mein sehr erlauchter Freund –
Ein vornehmer Reiter lässt sein Pferd um drei Schritte vorwärtsgehen und verbeugt sich tief mit abgezogenem Federhut, als wären sie bei Hofe, was von der Dame mit königlicher Anmut erwidert wird.
Und hier der Führer dieser tapferen Schar, Monseigneur d’Allègre, dessen ins Buch der Geschichte eingeschriebener Name Euch bekannt sein muss –
Auch der Haudegen macht seine Verbeugung, nachdem er zuerst den Schnauzbart aufgezwirbelt hat, und empfängt gebührenden Gegengruß.
Und hier, fährt der Herzog fort, mein ehrenwerter Freund, der Bailli von Dijon, dem die wackeren Schweizer untergeben sind – (die nämliche Zeremonie).
Sie alle sind Bürgen für die ehrenvollen Bedingungen, die Euch Seine Heiligkeit Alexander VI. durch meinen Mund bietet.
Wieder erschallt ein Lachen vom Turme.
Herr Herzog, der Löwe kann für den Fuchs nicht Bürge sein, denn er kennt seine Schliche nicht. Lassen wir die Flausen. Ich halte diese Burg als Vormünderin meines Sohnes, des Grafen Ottaviano Riario, Herrn von Forli und Imola, zu dessen Erbteil sie gehört, sie kann mir nur mit meinem Leben entrissen werden.
Hohe Frau, Euer Tun ist Wahnsinn, es gibt keine Herren mehr in diesem Land außer Eurem unterwürfigsten Diener, der zu Euch spricht. Seine Heiligkeit will, dass fortan die ganze Romagna einem Zepter