aber, der sie unehrerbietig berührt, werde ich zu treffen wissen. Ihr kennt mich. Geht.
Siehe da, auf dem nächsten Teppich hat man das Innere der Rocca vor Augen, das einen gänzlich unerwarteten Anblick bietet. Im Kreise ihrer Frauen sitzt die Dame von Forli, als gäbe es keine Belagerungsmaschinen, keine Kanonen und keinen Valentino auf der Welt. So tut sie immer, wenn ihre Kommandantenpflicht ihr eine kurze Atempause vergönnt. Die anderen sitzen nach dem Brauch der Zeit am Boden, die Gebieterin nur wenig über sie erhöht. Sie hält eine kleine Waage in der Hand, womit sie Körner oder Pülverchen zu wägen scheint, während ihre Frauen beschäftigt sind, unverkennbare Dinge in Mörsern zu zerstampfen. Was machen sie nur? Mischen sie Gifte nach der Methode des Borgia, um sie unter die Belagerer zu feuern? Nein, ihre Beschäftigung ist die allerunschuldigste, sie bereiten Wundbalsam und die berühmten Geheimmittel zur Schönheitspflege nach Caterinas eigenen Rezepten, womit die eiserne Kriegerin ihrer zarten Haut den Jugendschmelz, ihrer Haarfülle den seidigen Glanz erhält. Denn auch unter den Schrecken und Nöten des Krieges behauptet die Weiblichkeit ihr Recht. Und die Soldaten lachen, wenn sie in den Pausen des Geschützfeuers das gewohnte Mörsergeräusch vernehmen. Sie sagen sich nicht: Die schönste Frau der Zeit will auch im Sterben noch schön sein. Sie sagen: Madama versteht mehr vom Krieg als der feige weichliche Spanier. Stünde es schlecht um uns, so würde sie nicht Salben reiben. Das gleiche denken ihre Frauen und bleiben guten Mutes, statt ihr durch vorzeitiges Jammern und Heulen den Kopf zu verwirren, der für das Ganze denkt.
Zu ihren Füßen am Boden sitzt das schöne Wesen, das dem Borgia auf der Zugbrücke erschien, und schmiegt sich enge an die Gewandfalten der Herrin. Die Geschichte weiß nichts von ihr, keine Chronik dieser wundersamen Begebenheiten gedenkt ihrer. Darum ist sie nicht minder wahr. Sie musste sein, deshalb ward sie an dieser Stelle. Und Ione heißt sie.
Sie hat dunkle Haare, aber ihre Augen unter den schattenden Wimpern sind tiefblau, wie die griechischen Veilchen, von denen sie den Namen trägt. Ihr Vater ist der Dichter Marullo aus Byzanz, der unter den Soldaten Caterinas ficht, nicht der Löhnung wegen, wie seine Armut vorgibt, sondern aus Liebe, aus heißer, unbändiger Liebe zu der Kriegsherrin, einer Liebe, die nicht ohne geheime Hoffnung ist, weiß man doch, dass sie schon mehr als einen Niedriggeborenen, wenn er schön und tapfer war, zu ihrem Buhlen erhöht hat. Der Marullo ist nicht schön, aber tapfer ist er, und statt eigener Schönheit dient ihm die Schönheit seiner Verse. Nur leider weiß die Amazone mit den Versen nichts anzufangen, denn Caterina Sforza, die von Jugend auf nichts Höheres kannte, als im Sattel zu sitzen und einen Soldatentrupp zu führen, unterscheidet sich von allen Fürstinnen ihrer Zeit durch ihre nahezu barbarische Gleichgültigkeit gegen alles was Dichtung heißt. Wenn er des Abends von der Kanone abgelöst wird, legt er ihr ein feingeschmiedetes Sonett, woran er Nacht und Tag im stillen gewerkelt hat, edler als der edelste Schmuck, zu Füßen. Die Frau, die von den Mühen solcher Schmiedekunst nicht die leiseste Ahnung hat, liest sie ohne Dank, wie irgendeinen anderen Zettel, und steckt sie achtlos ins Kaminfeuer. Er weiß es, aber gleichwohl wird er treuer bei ihr aushalten als Herr Johann von Casale, der Kastellan, der ihre Frauengunst genießt und doch im Augenblick der Entscheidung nur an sich selber denken wird.
In Ione ist die Liebe des Marullo Fleisch und Bein geworden, sie betet die schöne Herrin an, von deren grausen Taten und bescholtenem Leben sie nichts weiß; – und möchte sie nie davon erfahren! Sie ist in dem zarten und schwärmerischen Alter, wo das der Mannesliebe noch unkundige Mädchenherz gerne einem hohen Frauenbild Altäre baut, um ihr durch feurige Hingabe zu dienen und an ihr zu wachsen. Solange sie in Caterinas Nähe sein darf, kennt sie keine Gefahr. Unter dem schon gewohnten Donner der Geschütze träumt sie mit leisen Griffen in ihr Saitenspiel und summt ein griechisches Liedlein dazu. Aber ihres Vaters Dichtergeist tritt auf ihre Lippen, wenn sie zu derjenigen spricht, die ihr alles in einem ist: Mutter, Gebieterin, Göttin. Dann sind ihre Worte ein einziger Liebesgesang, der mit ungesuchtem Rhythmus aus dem Herzen des Kindes bricht. Du bist schön, meine Herrin, sagt sie ihr, was sollen dir Salben und Schönheitswasser? Aus dir selber kommt ja alle Schönheit, sie hat Anfang und Ende in dir. Wenn du des Morgens ins Frauengemach trittst, sei der Tag noch so trübe, so ist es, als bräche die Sonne durch. Dein kleines Veilchen harrt dir entgegen und wünscht sich nichts anderes, als nur immer in deinem Lichte zu leben. Schön bist du, Herrin, wen du anblickst, der ist für den ganzen Tag gesegnet.
Solcher Anbetung ist die gewaltige Frau von ihren eigenen Kindern nicht gewohnt. Diese kennen nur die Furcht und den widerwilligen Gehorsam. Aber Ione liebt. Und ihre vergötternde Liebe hat das Wunder vollbracht, das eiserne Herz der Kriegerin zu schmelzen. Caterina Sforza liebt wieder. In dem schönen Griechenkind erfährt sie zum ersten Mal den Zauber jungfräulicher Unberührtheit und Unschuld, der ihrer eigenen Jugend gefehlt hat, weil man sie noch im Kindesalter einem lasterhaften Wüstling zur Ehe gab, der ihre Weiblichkeit, noch ehe sie gereift war, entweihte und alle Scham und Scheu aus ihrer Seele riss. In Ione hat sie ihr volles Widerspiel gefunden, ein lebendiges Heiligtum, dessen Gegenwart in dem waffenstarrenden Kastell mit mystischer Macht auch auf die rauen Kriegsgesellen wirkt. Wie wenn sie aus dem Eisenschlund ihrer Geschütze eine schlanke weiße Blume von überirdischer Schönheit aufblühen sähen, die alles mit Duft erfüllt, so ist es den Verteidigern der Rocca zumute, wenn Ione vorübergeht. Sind es auch nur käufliche Söldner, die um der Löhnung willen ihre grobe Haut zu Markte tragen –, dass sie dieses himmlische Wunder, das gar nichts von sich selber weiß, mitverteidigen, das stärkt den Besseren unter ihnen Mut und Treue. Doch die Tigerin ist selbstisch und grausam, auch wo sie liebt. Statt, wie sie es versprochen, das Patenkind mit einem schönen und edlen Jüngling zu verbinden, den sie mit dieser Hoffnung auf einem unerwünschten Schreiberposten festhält, und dann die Vermählten zu entfernen, wie sie ihre eigenen Kinder entfernte, bevor sich der Eisengürtel um die Rocca zwängte, hat sie Ione für sich behalten und lässt den Bewerber nicht in ihre Nähe. Eine seltsame Eifersucht hat sie dazu gezwungen. Sie kann sich Ione nicht in den Armen eines Mannes denken, auch nicht in denen des edelsten Gatten. So wie sie ist, duftend von Jugend und Unschuld, möchte sie sie immer um sich haben. Sie hält sie in strenger Aufsicht, dass keine Zudringlichkeit den Weg zu ihr finde und kein freches, schlüpfriges Wort ihre knospenhafte Seele entweihe. Und sie genießt es auch, sich in Iones Augen so schön zu sehen, wenn sie gleich weiß, dass das Bild mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Es steht ja bei ihr, für Ione in Wahrheit das zu sein, was das zarte Kind in ihr verehrt! So hat sie aus Selbstsucht die Frist der Entsendung verpasst. Und schlimmer, sie hat mit falscher Berechnung das holde Geschöpf dem Valentino in