sich sorglos außen auf dem beschneiten Wiesenplan an der Seite des Kavaliers. Diesmal kann er sich nicht über sie beklagen. Die Unerschrockene hat sich herausgewagt im Vertrauen auf sein fürstliches, im Angesichte des ganzen verbündeten Heeres gegebenes Wort, das er nicht durch eine Gewalttat brechen kann. Die Bewaffneten haben sich von der einen wie von der anderen Seite zurückgezogen, es ist ein beinahe friedliches Bild. Die Haltung beider ist von zeremoniöser lächelnder Verbindlichkeit, nicht anders würden sie sich in einem höfischen Prunksaal bewegen. »Dame Cathérine« hat noch einmal, aber ohne Schroffheit, die Übergabe abgelehnt. Der Herzog begleitet sie artig gegen die Rocca zurück. Caterina betritt die niedergelassene Brücke, ihre einladende Gebärde scheint noch ein letztes Wort des Gegners zu erwarten. Da fällt ihm ein junges Mädchen von seltsamer Schönheit in die Augen, das unter dem Tor zwischen zwei älteren Ehrendamen auf die Gebieterin wartet und ihm den Anlass zu einer letzten Warnung gibt.
Habt Ihr auch bedacht, welchem Schicksal Ihr Eure Frauen aussetzt, wenn Ihr uns zwingt zu stürmen –? will er noch fragen, und unüberlegt setzt er den Fuß auf die Zugbrücke. Ein Knirschen der Eisen, ein Zittern der Planken, er springt noch eben zurück, während mit Kettengerassel die Brücke hochgeht und was sich darauf befindet, Madama und die zwei aufgestellten Knechte mit hinüberreißt. Hölle und Teufel! Eine Falle! Sie wollte ihn fangen. Wahrlich eine gute Prise, der Sohn des Papstes, der künftige Herrscher Italiens! Eine Geisel, um die es sich lohnte! Aber nein, was Geisel? Es galt sein Leben. Sie hätte ihn über diese Brücke nicht lebend zurückgelassen. Töten wollte sie ihn, sein Haupt den Belagerern zuwerfen, wie sie es noch kürzlich mit den Geiseln von Imola getan, als diese Stadt sich seinen Waffen ergab. Ein abgefeimter Verrat, wie er selbst, der Sohn des Abgrunds, bisher noch keinen geübt hat, denn der Tag von Sinigaglia ruht noch im Schoße der Zukunft. An diesem Weibe hat er seinen Meister gefunden. Ohne seine flinken Tänzerfüße, was geschähe ihm in diesem Augenblick? Und wenn der Papst alle Blitze des Himmels losließe, er könnte ihm das Leben nicht wiedergeben. Sein Gesicht ist gelb wie eine Quitte und bekommt den ganzen Tag die natürliche Farbe nicht zurück. Aber er schweigt und schluckt seine zehrende Wut, bis die Feste sturmreif ist und die Rache beginnen kann.
Was ist das für eine verdächtige Gestalt, die aus dem Hintergrund an den Herzog heranschleicht? Ein Überläufer, der in der Nacht die Außenmauer überklettert und den Graben durchschwommen hat, wie es jetzt fast täglich welche gibt.
Allergnädigster Herr, gestattet ein Wort in Demut, das Euch nützen kann: es geht drinnen zu Ende, wie sehr auch Madama trotzt und pocht. Die Mannschaft gehorcht nicht mehr, sie fordern dringend die Übergabe. Nur Madama selbst zwingt sie noch mit vorgehaltener Waffe zum Kämpfen. Aber sie hat schon zum zweiten Mal den Kinderschrei gehört, da weiß sie, was die Glocke geschlagen hat.
Was hat das auf sich mit dem Kinderschrei? fragt der Herzog.
Hoher Herr, mischt sich Luffo Nummai, ein vornehmer Forlivese, in dessen Haus der Herzog abgestiegen ist, ein; als Madama, nach der Ermordung ihres ersten Gatten, des Grafen Riario, das furchtbare Blutbad unter den Verschworenen anstellte, ließ sie sogar die unschuldigen Kindlein in die Kellerschächte werfen, die von Spießen starren. Später, als sie aus dem Blutrausch wieder zu sich kam, bereute sie’s. Und immer wenn ihr ein Unglück bevorsteht, hört sie des Nachts aus dem Keller der Rocca das grässliche Schreien der Kinder.
Hören auch andere das Schreien? fragt der Herzog den Knecht.
Herr, niemand außer ihr. Sie erwacht daran, springt aus dem Bett, hält sich die Ohren zu und wirft sich auf die Knie, indem sie die Kinder bei Namen ruft und sie mit tausend Versprechungen anfleht, stille zu sein. Es soll grausig sein, niemand kann es mit ansehen.
Seit sie zum ersten Mal den Schrei hörte, fügt Luffo hinzu, wagt sie nicht mehr allein zu schlafen.
Als ob sie je allein geschlafen hätte, grinst der Herzog.
Die beiden anderen beeilen sich, verständnisvoll mitzugrinsen.
Ihr Kastellan, Herr Johann von Casale, der jetzt die Ehre hat, kann etwas davon erzählen, dienert Luffo beflissen weiter.
Arme Madama, denkt bei sich der Knecht, als er die Miene des Herzogs sieht. Jetzt kommt der oberste der Teufel über dich. Zwar hat er selbst sie auch verraten, wie in den nächsten Stunden noch mancher sie verraten wird. Aber sie erbarmt ihn doch, denn sie ist ihren Freunden hold und nur den Feinden tödlich, den Borgia aber haben die einen wie die anderen zu fürchten, und alle wissen es.
Der Unheimliche brütet seinen stummen satanischen Hass. Was hat ihn angewandelt, dass er ihr auf die Brücke folgte? Vielleicht jenes Gaukelspiel von spanischer Ritterlichkeit, worin er sich zuweilen den Damen gegenüber gefällt? – Lasst mich Eure Vorschläge noch überlegen, war ihr letztes Wort gewesen. Er traut ihren Überlegungen so wenig wie sie seinen Vorschlägen, und doch hat er seinen Fuß auf die Brücke gesetzt? Jenes unbegreiflich schöne Gesicht hat ihn seine Vorsicht vergessen lassen. Er zweifelt nicht, dass das Gesicht als Lockvogel aufgestellt war, vielleicht unwissend, um ihn in das höllische Garn zu ziehen und darin zu erdrosseln wie eine Schnepfe. Das sollte ihm die Teufelin bezahlen, wenn er sie in Händen hatte. Jede Schmach und Pein, die er ersinnen konnte, wollte er ihr antun und oh, er wollte erfinderisch sein. Entwürdigen, beschimpfen wollte er sie, wie nie ein Weib entwürdigt worden, ihren Ruhm zerbrechen und sie zu einem Spottlied machen für ganz Italien. Dabei vergisst er auch die junge Schönheit nicht, die ihr Einsatz war beim Spiel.
Wer ist das junge Mädchen unter den Damen der Gräfin, das bei der Brücke stand? fragt er den Knecht.
Euer Gnaden zu dienen, es ist ein griechisches Mädchen, Patenkind der Herrschaft, die sie aus der Taufe gehoben hat, da sie zum katholischen Glauben übertrat. Madama liebt sie aus der Maßen. Man sagt, sie könne sich keinen Tag von ihr trennen. Ione heißt sie.
Ione? – Er ist nicht ungelehrt, der Fürchterliche, er versteht die Sprache der Griechen, und es scheint seiner überfeinerten Sinnlichkeit, als verbreite sich bei diesem Namen der Duft eines ganzen Veilchenbeets. Was er sich hinter seinen gerunzelten Brauen zusammendenkt, ist nicht zu erraten, aber er kann nichts denken, was er nicht mit seinen Gedanken beschmutzt.
Sie liebt also das Mädchen ganz ausnehmend?
Ja, Herr, mehr als alle ihre Ehrenfräulein zusammen. Mehr als die eigenen Kinder, heißt es. Die Griechin ist eigentlich das einzige, was Madama liebt. Aber sie verdient es, Herr. Sie ist ein gutes Mädchen, freundlich gegen den Geringsten. Jeder Mann der Besatzung ließe sich für sie in Stücke hauen.
Komm hernach in meine