Fedor Jagor

Singapore, Malacca, Java. - Reiseskizzen von F. Jagor


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ihre gelbe Farbe. Es dauert 9 bis 10 Jahre, bevor die aus Samen gezogenen Bäume Früchte tragen. Ein grosser Uebelstand ist, dass die männlichen und weiblichen Blüthen auf verschiedenen Bäumen sitzen, so dass später ein Theil der unfruchtbaren männlichen Bäume umgehauen und durch neue weibliche ersetzt werden muss. Gewöhnlich lässt man auf 10 weibliche Bäume einen männlichen stehen. Während die Pflanze in Banda ohne alle Pflege wuchert, fordert sie hier unausgesetzt die grösste Sorgfalt. Der Uebelstand, dass sie erst nach so langen Jahren den vollen Ertrag giebt, tritt um so mehr hervor, wenn man berücksichtigt, dass der hier übliche Zinsfuss 12% beträgt. Trotzdem erlangte der Anbau dieses Gewürzes doch schnell eine grosse Ausdehnung. Einerseits ist sowohl der Boden als das Klima von Singapore für die Erzeugung der meisten andern Kolonial-Produkte nicht geeignet. Zucker, Kaffee, Baumwolle, Cacao, Arrow-root zu ziehen ist versucht worden, jedoch ohne rechten Erfolg. Andererseits konnten die Muskatgärten bequem vom Besitzer übersehen werden, da sie keine grosse Ausdehnung haben und unmittelbar sein Haus umgeben. Auch der Umstand, dass die Pflanze in anderen tropischen Ländern, wo man ihren Anbau versucht hatte, nicht hinreichend gedieh, um ihr Produkt zum Handelsartikel zu machen, war nicht übersehen worden; man hoffte dem indischen Archipel das Monopol zu bewahren. Die Erwartungen der Pflanzer sind aber gänzlich zu Schanden geworden. Schon bei meiner letzten Anwesenheit, 1859, begannen viele Bäume zu kränkeln und trotz aller Bemühungen der Gärtner abzusterben. In fast allen Stufen seiner Entwickelung wurde der Baum von verschiedenen Insekten angegriffen. Das Uebel verbreitete sich so schnell, dass jetzt, 1864, fast alle Pflanzungen sowohl in Pinang, als in Singapore völlig zerstört sind. Der Verlust an Kapital wurde schon 1862 auf mehr als 500,000 Dollars angeschlagen. Durch das Aussterben der Muskatbäume haben alle ländlichen Grundstücke eine bedeutende Entwerthung und die Hypothekengläubiger entsprechende Verluste erlitten. Nach einer Privatmittheilung hatte beispielsweise ein reicher Chinese 4000 Dollars auf eine Pflanzung geliehen, die nach dem Absterben der Bäume nicht für 300 zu verkaufen war. Wäre aber das Unglück auch nicht eingetreten, so würden doch die hochgespannten Erwartungen der Pflanzer nicht in Erfüllung gegangen sein, da der Verbrauch und mithin auch der Preis aller Gewürze, mit Ausnahme des Pfeffers, fortwährend abnimmt.[8]

      Von der Veranda des schönen Landhauses übersah man einen grossen Theil der Insel. Zunächst um den Fuss des Hügels und im Thal zwischen den nächsten Anhöhen liegen in hübschen Gruppen die kleinen Häuschen der Eingebornen, unter Bambusbüschen und Obstbäumen, von Arecapalmen überragt, die auf langem, zierlich dünnem Schaft eine Blätterkrone tragen, so leicht, wie ein Federbusch. Es ist die eleganteste aller ostasiatischen Palmen, Hooker vergleicht sie mit einem vom Himmel geschossenen Pfeil; die Eingebornen pflanzen sie aber nicht ihrer Schönheit wegen, sondern weil sie die Arecanüsse liefert, die sie mit dem Betelpfeffer kauen. Die besseren dieser Häuser sind aus Brettern erbaut, viele aber nur aus Bambus, Matten, Palmenblättern und allerlei Nothbehelf; sie stehen auf Füssen von Palmenstämmen, einige Fuss hoch über der Erde. Der Fussboden besteht aus gespaltenen Bambusen oder Nibongpalmen (Caryota urens), die neben einander liegen, ohne sich zu berühren, so dass Luftzug von unten durchdringt. Das Ganze überragt wie ein Sonnenschirm ein hohes Dach aus Palmenblättern, das auf den Seitenwänden nicht fest aufliegt, sondern dem Luftzug eine Oeffnung freilässt. Solche Häuschen sind recht kühl.

      Nach Süden sieht man die Strasse, die zur Stadt führt, aber bald hinter einem Hügel verschwindet, der auch den grössten Theil der Stadt verbirgt; im Hintergrund erscheint das Meer mit seinem Inselgürtel. Nach dem Innern zu erheben sich eine Menge kleiner Hügel; jeder der näher gelegenen trägt auf dem Gipfel ein schönes geräumiges Landhaus, neben welchem häufig einzelne Bäume emporragen, deren spärliche Blätterkrone in gar keinem Verhältniss zu dem enormen Stamm zu stehen scheint. Es sind die letzten Ueberreste des Urwaldes, der vor Kurzem noch Alles bedeckte, sie wurden ihrer Grösse wegen als Erinnerungssäulen geschont, können sich aber nicht in die neuen Verhältnisse schicken; ihr Stamm, an die Feuchtigkeit und den Schatten des dichten Waldes gewöhnt, kann die freie Luft und Sonne nicht ertragen und vertrocknet schnell. Weiterhin werden die Landhäuser immer seltener, dichter Wald überzieht gleichmässig die ganze Landschaft, deren Einförmigkeit nur durch sanfte Hügelwellen unterbrochen wird. Ziemlich in der Mitte der Insel hebt sich Bukit-tima deutlich über die kleineren Anhöhen hervor, und in äusserster Ferne erblickt man bei heiterem Wetter hinter immer zarter abgetönten Hügelreihen den Gunong-Pulaï, der dem jenseitigen Festlande angehört.

      Zur völligen Behaglichkeit fehlte mir noch ein Diener; denn obgleich mein Gastfreund deren über ein Dutzend hielt und den grössten Theil des Tages nicht zu Haus war, konnte ich doch nur sehr schwer Dienstleistungen von seinen Leuten erlangen, da es die hiesigen Diener für eine ungerechte Zumuthung halten, einem Anderen, als ihrem Herrn behülflich zu sein. So ist es auch bei Tisch. Ist man eingeladen, so bringt man seinen Diener mit, weil man sonst Gefahr läuft, nichts zu essen zu bekommen. Hinter dem Stuhl eines jeden Gastes steht dessen Bedienter, gewöhnlich ein Chinese mit langem Zopf, oder ein Kling mit grossem Turban. Jeder von diesen sorgt ausschliesslich für seinen Herrn und sucht ihm die besten Stücke zu verschaffen. Oft sieht man sie sich darum balgen, wobei sie aber immer ihr würdevolles Wesen bewahren, wie es sich in Gegenwart grosser Herren, für welche hier alle Europäer gelten, ziemt. Einem Freunde ihres Herrn erweisen sie auch wohl mitunter eine kleine Gunst, verlangt aber ein Fremder etwas von ihnen, so stehen sie wie versteinert und in ihrem feierlich-respektvollen Gesicht malt sich die tiefste Entrüstung über die ungebührliche Zumuthung.

      Alle Europäer, die auf dem Lande wohnen, bringen die Geschäftsstunden von 9 bis 4 Uhr in der Stadt zu. Während dieser Zeit steht ihr Haus gewöhnlich ganz leer, selbst die Bedienten sind dann meist nicht anwesend oder schlafen so fest, dass sie ebenso gut abwesend sein könnten. Das Haus steht offen, keine Thür ist verschlossen, man kann frei durch alle Räume gehen, die zum Theil mit werthvollen Gegenständen ausgestattet sind. Aber sonderbarer Weise wird nichts gestohlen. Obgleich unter den Eingebornen Diebstähle, auch Räubereien, häufig vorkommen, so war doch kein Fall bekannt, dass je das Haus eines Europäers beraubt worden wäre. Die Eingebornen haben eine gewisse Scheu, solches Grundstück zu betreten, die sich aus der Furcht vor den Hunden nicht genügend erklären lässt; denn Hunde giebt es nicht überall, auch würden sie entschlossenen Dieben kein Hinderniss sein. Es scheint daher fast, wenigstens schmeicheln sich die Europäer damit, dass ein gewisser Nimbus das Haus beschütze.[9]

      Die Europäer, deren Zahl sehr gering ist und zum grossen Theil aus wohlhabenden Kaufleuten und hoch besoldeten Beamten besteht, geniessen in mancher Hinsicht eine bevorzugtere Stellung, als der hohe Adel in Europa. Sie sind durch Reichthum, Bildung, Intelligenz, Unternehmungsgeist und Ehrenhaftigkeit den anderen hier vertretenen Nationen sehr überlegen. Ausserdem bilden Farbe und äussere Haltung eine natürliche unübersteigliche Schranke für alle ehrgeizigen Asiaten, deren einige ebenfalls grosse Reichthümer ansammeln. Auch der Luxus, in dem sie leben, die Freigebigkeit, mit der sie bezahlen, sind Mittel, bei den Asiaten Achtung zu erlangen. Einer der angenehmsten Vorzüge, die aus diesem Verhältniss entspringen, ist das unbegrenzte Vertrauen, das alle Europäer geniessen. Keiner von ihnen trägt Geld bei sich, und kann dennoch in jedem Laden kaufen, was er will. Ich hatte einmal in Johore, auf dem asiatischen Kontinent, jenseits der kleinen Meerenge, eine Anzahl Jungen benutzt, um Thiere und Pflanzen zu sammeln. Da ich kein Geld hatte, erhielt jeder für das, was er ablieferte, ein Stückchen Papier, auf das ich mit Bleistift die Anzahl Cents schrieb, die er dafür empfangen sollte. Als ich Abends abfuhr, rechnete ich die einzelnen Zettel zusammen und gab dem ältesten Jungen einen Schein für die ganze Summe, zahlbar in Singapore. Keiner hatte das geringste Misstrauen, sie schienen alle so befriedigt, als hätte ich sie baar bezahlt, obgleich wir einander völlig fremd waren. Als ich Singapore verliess, fuhr mich mein Kutscher an den Platz der Einschiffung und setzte meinen letzten Koffer ins Boot. Ich schuldete ihm mehrere Monate Fuhrlohn, schrieb mit Bleistift einige ihm unverständliche Worte auf einen Zettel, den er bei meinem Banquier abgeben sollte, er machte seinen Salam und wünschte mir eine glückliche Reise. Sogar die Hunde, die in dergleichen Dingen immer eine richtige Witterung haben, erkennen die bevorzugte Stellung an. Sobald ein ganz fremder Europäer zum ersten Male das Grundstück eines andern betritt, kommen sie ihm bis an die Hecke entgegengelaufen und geleiten ihn freundlich bellend und wedelnd ins Haus. Wenn erst die europäische Bevölkerung mehr zunimmt, Unbemittelte oder gar Industrieritter hierher kommen, wird dieser Zustand natürlich aufhören.