Richard Buttner

Reisen im Kongogebiet


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Pallaballa, von wo aus wir freilich das Getöse der Yellalakatarakte hörten, dieselben indessen nicht zu Gesicht bekommen konnten.

      Der Gedanke des Premierleutnant Schulze, für die Afrikanische Gesellschaft in Deutschland Terrain zu erwerben, um dort eine Station zu errichten, die als Ausgangs- und Stützpunkt für fernere Expeditionen dienen sollte, führte uns einige Male den Kongo abwärts, wo der Leutnant in einem Besitztum des Königs Ne-Moiri, zwischen Noki und Mussuka, eine günstige Gelegenheit gefunden zu haben glaubte.

      Schon zur damaligen Zeit nämlich waren die Ufer des unteren Konto fast vollständig in den Besitz der Assoziation, sowie der kaufmännischen Firmen und der Missionsgesellschaften übergegangen, so daß es in der Tat dem Leutnant sehr gelegen schien, als er erfuhr, daß jenes Gebiet noch Eigentum der Eingeborenen sei. Zu Boot begaben wir uns daher am 29. November zu jener Uferstelle, um dort zuerst unter einem riesigen Affenbrotbaum den Vorräten des Mr. Hughes – der uns auch für diese Entdeckungstour seine Unterstützung gewährte – tüchtig zuzusprechen, dann aber den Weg zum Dorfe Ne-Moiris anzutreten, wo wir nach etwa zweistündigem Marsche über sehr bergiges und steiniges Terrain anlangten und König und Volk in wichtiger Angelegenheit sprechen zu wollen erklärten. Man brachte uns Stühle auf den von Bananenbüschen umschatteten Dorfplatz, wo sich bald die Männer, jedweder mit langem Stab in der Hand, einzufinden begannen, während der Chief durch Trompetensignale herbeigerufen wurde. Er erschien, ein würdiger alter Mann, mit Sommerüberzieher, einem Lendentuche und einem federgeschmückten Dreimaster bekleidet, um inmitten der auf der Erde hockenden Großen seines Dorfes auf erhöhtem Sitz uns gegenüber sich niederzulassen. Nach manchem Hin- und Herreden, abgesonderten Beratungen der Eingeborenen, Geschenken an den König und die Sprecher, erhielten wir die Versicherung, daß das fragliche Terrain bisher noch nicht verkauft und man willens sei, mit uns am zweitfolgenden Tage an Ort und Stelle über die Grenzen und den Kaufpreis zu verhandeln. Während des Palawers hatten uns die Weiber Bananen und Eier gebracht, und wir hatten diese, sobald sie von den mitgenommenen Boys zubereitet waren, während der Reden der Eingeborenen verspeist. Zum Abschied erhielten wir vom Chief noch einige Hühner als Dash, wofür wir uns mit einigen rotkarierten Taschentüchern revanchierten, um dann nach lebhaftem Händeschütteln zu unserm Boot zurückzukehren, wo wir bei Sonnenuntergang ankamen und nach einer Stunde Fahrt kongoaufwärts bei Tondoa landeten.

      Am festgesetzten Tage fanden unter unserem Baobab die Verhandlungen über Grenzen und Kaufpreis statt. Nach Beendigung des Palawers begaben wir uns zum jenseitigen Kongoufer und nach der Station Nkungula, um dem Chef derselben einen Besuch zu machen und ihm unser Übereinkommen mit den Eingeborenen mitzuteilen, da wir durch dasselbe Gebietsnachbarn der Assoziation wurden, doch erhielten wir hier zu unserer höchsten Überraschung die Kunde, daß das fragliche Gebiet bereits seit einiger Zeit Eigentum der Assoziation geworden sei, worüber wir in Vivi Dokumente und Auskunft erhalten könnten.

      Am Dienstag den 2. Dezember begaben sich daher Mr. Hughes, Premierleutnant Schulze und ich selbst in das mit acht starken Ruderern bemannte Boot, um nach dem unfernen Vivi, dessen weißgetünchte Häuser man in Tondoa deutlich sieht, zu fahren. Die Strömung oberhalb Tondoa ist eine so gewaltige, daß es der größten Anstrengung unserer Leute bedurfte, dieselbe zu überwinden, und sie mehrfach das Boot verlassen mußten, um dasselbe durch lange um Felsen und Bäume geschlungene Taue stromaufwärts zu ziehen. Dazu entstehen oft und ganz plötzlich Wirbelströmungen, in denen das hineingeratene Boot weder Steuer noch Ruder gehorcht. In einem dieser Wirbel brach eines unserer Ruder, so daß wir in Kalla-Kalla an Land gehen und dort ein anderes leihen mußten. Glücklich kreuzten wir dann zum anderen Ufer, doch wurde hier das Steuerruder durch die gewaltige Strömung den Händen eines Kruboys entrissen, als er dasselbe in seinen Angeln gehoben hatte, um es dem Aufstoßen auf einem Felsenriff zu entziehen, und sofort durch den Strom entführt. Es war auch nicht wiederzuerlangen, trotzdem sich sogleich einige der Leute in das Wasser stürzten. Wir mußten nun auf eine Fortsetzung der Fahrt verzichten und das Ufer zu erreichen suchen, was nach einiger Zeit und großer Anstrengung gelang. Als wir endlich das Land betraten, fanden wir uns noch durch einige Berge von Vivi geschieden, wohin wir uns nun zu Fuß aufmachten und wo wir endlich vier Stunden nach der Abfahrt von Tondoa in hohem Grade erschöpft eintrafen.

      Der damalige Hauptplatz der Assoziation – jetzt ist der Regierungssitz nach Boma verlegt – bestand in seiner neueren Anlage Neu-Vivi (im Gegensatze zu dem noch von Stanley gegründeten Alt-Vivi, welches man wegen der gesundheitlichen Mißverhältnisse aufzugeben gezwungen war) aus zwei oder drei Wohnhäusern und einigen Warenschuppen, in deren ersteren einem wir beim Major Parminter, einem liebenswürdigen englischen Herrn, Stärkung und Erholung fanden. Wir machten später dem Chiefadministrator Colonel Sir Francis de Winton, den wir in Hemdsärmeln antrafen, einen Besuch und erhielten von diesem die Zusicherung der möglichsten Unterstützung für die Ziele unserer Expedition. In Bezug auf das von Premierleutnant Schulze in Aussicht genommene Gebiet konnte indessen kein Abschluß erzielt werden, da nur ein Duplikat eines Kaufvertrages vorlag, welcher mit irgend einem Chief zwischen Noki und Mussukula – nicht mit Ne-Moiri – abgeschlossen war, in welchem Schriftstück aber nicht die Grenzen des gekauften Terrains angegeben waren(!). Ich will gleich hier erwähnen, daß Premierleutnant Schulze nach einer Fahrt nach Boma, um dort befindliche Papiere einzusehen, schließlich in Vivi mit der Assoziation einen Kaufvertrag abschloß – ob dieser Vertrag aber von der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland ratifiziert worden ist, vermag ich nicht einmal zu sagen. Nach den Berliner Festsetzungen über den Kongostaat gehört übrigens das in Rede stehende Terrain noch zu dem Portugal zugesprochenen Gebiet, dessen Grenze auf dem linken Kongoufer durch den Bach von Ango-Ango gebildet wird.

      Nach einer Besichtigung der Baulichkeiten, des Versuchs eines Gartens, des Kirchhofes und der näheren Umgebung des Platzes, der auf einer Hügelabflachung etwa 100 Meter über dem Strom gelegen ist, nahmen wir mit Dank das Anerbieten des Colonel an, uns in einem Dampfboot zu unserer Missionsstation zurückzuführen, die wir nach einer Fahrt von fünfzehn Minuten erreichten, während unsere Leute mit dem steuerlosen Boot erst sehr viel später dort eintrafen.

      In Tondoa begrüßte uns Premierleutnant Kund, der im Laufe des Nachmittags dieses Tages (2. Dez.) nebst Leutnant Tappenbeck mit großen Warenvorräten, die er im holländischen Hause in Banana gekauft hatte, in Ango-Ango eingetroffen war und dort, um die Mission von Tondoa nicht zu sehr zu belasten, seinen Aufenthalt genommen hatte. Er brachte auch die zwanzig jugendlichen Loangos mit, die es gelungen war mit Mr. Combers Unterstützung auf ein Jahr zu engagieren.

      Wir konnten dagegen die erfreuliche Mitteilung machen, daß bereits vor zwei Tagen ein Brief von Mr. Weeks aus San Salvador eingetroffen war, nach welchem der König von Kongo unsere Geschenke erhalten hatte und uns dafür seinen Dank aussprechen ließ. »Er würde sehr bald seinen Sohn mit Trägern zu uns entsenden, um uns zur Residenz zu führen; er habe auch Boten zum großen Kiamwo geschickt, die wegen unseres Besuches dort anfragen sollten«. Letzteres erwies sich übrigens später als unwahr, auch die für Kiamwo bestimmten Geschenke waren in die Koffer des Totila von Konto, denn so ist der Titel dieses Großkönigs, gewandert.

      Wir gingen nun an die Umpackung des Gepäcks und der Waren, von denen wir einen großen Teil zu Wasser von Ango-Ango nach Tondoa führten, in Trägerlasten, die im Gewicht von circa sechzig Pfund angefertigt wurden. Durch Kornelius und die Loangoleute, von denen wir die größere Mehrzahl für Tondoa übernahmen, ließ ich die Stoffe, die verschiedenen Sorten Perlen, alte Uniformstücke und Regenschirme, Hüte und viele als Geschenke zu verwendende Kleinigkeiten, als Metallglöckchen, Spiegel, Angelhaken, Nähnadeln und Zwirn, Messer u.s.f. in wassergeschützte Ballen packen und einnähen und fertigte zu jedem derselben Verzeichnisse an. Ferner gab es Bettstellen und Zelte, Stühle und Decken zu verpacken; viele Sachen mußten in tragbare Kisten und Koffer untergebracht werden, wie die Kücheneinrichtung, die persönliche Ausrüstung, die Munition für die Gewehre, die Vorräte an Konserve, Bücher und Schreibmaterialien, Preßpapier und Pressen, Sammelgläser und Spiritus, Streichhölzer und Tabak – kurz alle jene tausend Dinge, die uns für die Inlandreise nötig zu sein schienen.

      Als recht nützlich und anstellig erwies sich bei diesen Arbeiten ein älterer Zögling der Mission, Malewo, ein Sohn des Königs von Kongo. Malewo, oder – um ihm seinen angestammten Titel nicht vorzuenthalten – Prince Henrique d’Agua Rosada, war schon seit fünf oder sechs Jahren