Setzen Sie sich geschwind in Ihren Stuhl, gnädiger Herr. Er zieht die Fenstervorhänge auf und öffnet die Thür. Ah, der Herr von Krähfeld.
Achter Auftritt
VORIGE. VON KRÄHFELD; gleich nachher GEYER.
V. KRÄHFELD. Nun, wie steht es, Fliege? Geyer tritt unbemerkt herein.
FLIEGE. Sehr unglücklich, gnädiger Herr – Ich begreife nicht auf welche Art Ihr Herr Sohn Ihre Absicht mit dem Testament erfuhr; kurz, er bricht gewaltsam ins Haus, zieht den Degen, nennt Sie einen Schurken über den andern, und schwört, Sie umzubringen.
V. KRÄHFELD. Mich?
FLIEGE. Ja, und meinen Herrn dazu.
V. KRÄHFELD. Der Streich soll ihn nun im Ernst und in der Wahrheit enterben. Hier ist das Testament.
FLIEGE. Gut, gnädiger Herr.
V. KRÄHFELD. Es ist alles darin richtig und rechtskräftig gemacht. Aber nun sorge auch hübsch für mich.
FLIEGE. Mein Leben steht zu Ihren Diensten. Ich bin ganz und gar der Ihrige.
V. KRÄHFELD. Was macht er denn? Glaubst Du denn, daß er nun auch bald sterben wird?
FLIEGE. Ich fürchte, er überlebt noch den Mai.
V. KRÄHFELD. Sogleich, meinst Du?
FLIEGE. Nein, ich sage, er wird noch den Mai überleben.
V. KRÄHFELD. Könntest Du ihm nicht etwas eingeben?
FLIEGE. Nein, gnädiger Herr.
V. KRÄHFELD. Nun, es ist auch nicht mein Ernst.
GEYER für sich. Das ist ein Schurke, wie ich sehe.
FLIEGE sieht sich um. Herr Geyer? Ob er wohl etwas gehört hat?
GEYER. Spitzbube!
FLIEGE. Wer ruft denn? – Ah, Herr Geyer! Sie kommen gerade recht –
GEYER. Ja, um Deine Schurkenstreiche zu entdecken. Du bist ganz sein Diener? und der meinige auch? Nicht wahr?
FLIEGE. Wie? Ich?
GEYER. Ja, Sie, Herr Schurke. Was ist denn das für eine Geschichte mit dem Testamente?
FLIEGE. Ein Streich zu Ihrem Besten.
GEYER. Mach mich nicht zu Deinem Narren.
FLIEGE. Hörten Sie's denn nicht?
GEYER. Ja wohl hört' ich, daß Krähfeld Deinen Herrn zum Erben eingesetzt hat.
FLIEGE. Das ist wahr, und zwar auf meinen Rath, weil ich hoffte –
GEYER. Daß dein Herr ihn dafür wieder zum Erben einsetzen sollte? nicht wahr?
FLIEGE. Ich that alles zu Ihrem Besten, lassen Sie mich nur zu Worte kommen; ich sagte es eben darum selbst seinem Sohn, brachte ihn hieher, wo er es mit eignem Ohr anhören sollte, wie sein Vater ihn verstieße; denn ich glaubte, dies würde den jungen feurigen Tollkopf so in Wuth setzen, daß er sich an seinem Vater vergriffe: dann mußte das Gesetz selbst die Enterbung bestätigen, und sie hatten eine doppelte Ladung zu hoffen. Mein Gewissen muß mich frei sprechen; denn meine einzige Absicht war, Ihnen aus diesen beiden alten Gräbern einen Schatz zu erbeuten –
GEYER. Schon gut. Ich danke Dir, lieber Fliege.
FLIEGE. Aber der ganze Anschlag lief sehr unglücklich ab.
GEYER. Wie so?
FLIEGE. Sehr unglücklich, wenn Sie nicht alles wieder gut machen. – Indeß wir den alten Krähfeld erwarten, kam Louise, das Mündel das Kaufmanns Rabe, von ihm abgeschickt –
GEYER. Mit einem Geschenk?
FLIEGE. Nein, nur zum Besuch. Und da dem jungen Menschen der Vater zu lange bleibt, so springt er wie verrückt hervor, und geht mit dem Mädchen, mit dem er einverstanden ist, davon. – Beide haben gedroht, vor Gericht den Herrn von Fuchs anzuklagen, als habe er ihr Gewalt thun wollen: – wie schändlich diese Erdichtung ist, beweist der Augenschein, und unter diesem Vorwand ist er nun gewiß schon hingegangen, seinen Vater anzuklagen, meinen Herrn zu entehren, Sie um Ihre Hoffnungen zu bringen –
GEYER. Wo ist ihr Vormund? – Schicke sogleich nach ihm.
FLIEGE. Ich will selbst zu ihm gehn.
GEYER. Bring ihn zu mir.
FLIEGE. Sogleich.
GEYER. Dem muß vorgebeugt werden.
FLIEGE. Das ist edel von Ihnen. Meine ganze Bemühung war ja zu Ihrem Besten; der ganze Plan war auch sehr klug angelegt; aber das Unglück kann in einem Augenblick die schönsten Projekte zusammentölpeln.
V. KRÄHFELD hat indeß in Gedanken gestanden, und zum Theil noch etwas im Testamente gelesen. Was ist denn?
GEYER. Ist es Ihnen jetzt gefällig zu gehn, gnädiger Herr? – GEYER und V. KRÄHFELD gehn ab.
FLIEGE. Gehn Sie hinein, und beten Sie für den Fortgang unsrer Sache.
V. FUCHS. Noth lehrt beten: der Himmel segne Eure Bemühungen! Beide gehn zu verschiednen Seiten ab.
(Der öffentliche Spaziergang.)
Neunter Auftritt
MURNER. BIRNAM.
MURNER. Ja, sehn Sie, dies sind meine Projekte, die zur Aufklärung des Jahrhunderts gewiß sehr viel beitragen würden.
BIRNAM. Außerordentlich viel. – Was habe ich nicht seit dieser kurzen Bekanntschaft alles gehört und gelernt? Als ich Sie da so um das Haus herumschleichen sah, wahrhaftig, da träumte mir nicht, daß wir so schnelle Freunde werden würden. Was die Langeweile nicht thut! Ich habe ihr viel zu danken: sie hat mich verliebt gemacht, und nun wirft sie mir noch einen guten Freund an den Hals.
MURNER. Und immer verliebt, immer verliebt; – bleiben Sie doch einmal bei der Sache, bester Freund. Sagen Sie, sagen Sie selbst, ist es nicht Schade, daß gute Köpfe einen so eingeschränkten Wirkungskreis haben? – Daß ich mit diesem Kopfe nicht auf einem Throne sitze, ist vielleicht für einen großen Theil von Europa ein Unglück.
BIRNAM. Man kann nicht wissen.
MURNER. Die Potentaten sind manchmal nicht sehr potentes, was den Kopf anbetrifft.
BIRNAM. Man hat Beispiele.
MURNER. Die Republiken liebte ich bisher; dort, glaubte ich, gediehen die Reformatoren, dort sei das Klima für kühne Projekte; – aber auch dort ist's nichts. – Sehn Sie nur das Frankreich an: schon vier Jahr eine Revolution, und noch alles beim Alten.
BIRNAM. Nun wahrhaftig, die Bemerkung ist neu.
MURNER. Ja, die paar Veränderungen, die sie gemacht haben, bedeuten nichts; die werden der verdorbenen Menschheit auf die Beine helfen. Ist es nicht eine Schande? Vier Jahr Revolution, und noch sind die gelehrten Folianten und Quartanten, die Gedichte und Romane, nicht ins Meer geworfen; und noch sind die Schnürbrüste, Kopfzeuge, die Kinderwiegen und Wickelbänder nicht verbrannt: heißt das eine Revolution?
BIRNAM. Nun, nun; warten Sie nur; man ist auf guten Wegen.
MURNER. Wenn ich König, oder Protektor, oder Dämagog wäre, – wissen Sie, was ich meine erste Thathandlung sein ließe.
BIRNAM. Sie schnitten mit einem großen Schnitt der einen Hälfte der Nation die Haare rund, und rissen der andern die Perücken herunter.